Bahnbrechend oder 0815? So klingt Travis Scotts "Astroworld"

Am 3. August 2018 war es endlich so weit: Travis Scott droppte sein lange erwartetes drittes Studioalbum "ASTROWORLD". Nachdem der Houstoner gerade durch den Sound seiner ersten beiden Alben "Rodeo" (2015) und "Birds in the Trap Sing McKnight" (2016) in den USA einen Namen machen konnte, werden in diesem Artikel besonders klangliche Aspekte der neuen Platte beleuchtet.

Allgemein entwirft sich auf "ASTROWORLD" ein sehr facettenreiches Klangbild, das von variablen Synth Sounds bis hin zu Gitarren- und Piano-Licks einiges bereithält. Wie gewohnt zieren effektlastige Samples und Subkicks das Bild.

Bei Betrachtung der Tracklist fällt auf, dass der US-Rapper auf die zuletzt veröffentlichte Single "WATCH" mit prominenten Gast-Parts von Lil Uzi Vert und Kanye West verzichtet hat - klanglich hätte sie auf das 17 Tracks starke Release gepasst. Trotzdem bittet Travis Scott einige Gäste ans Mic: Unter anderem sorgen Kid CudiStevie WonderPhilip BaileyPharrell WilliamsSwae LeeDrakeWesJuice WRLD21 SavageGunnaNAV, Quavo und Take-Off für klangliche Abwechslung. 

Von The Weeknd sind sogar Parts auf zwei aufeinanderfolgenden Tracks zu hören ("SKELETONS", "WAKE UP"). "WAKE UP" besticht nicht nur durch das Harmonieren der Weeknd- und Scott-Parts, sondern auch die Wahl gleicher Effekte in Gitarren-Riff und Vocals. Mit Don Toliver holt sich Travis Scott zudem einen Houstoner Newcomer aufs Release ("CAN‘T SAY").

Travis Scott - STOP TRYING TO BE GOD

Featuring Philip Bailey, James Blake, Kid Cudi and Stevie Wonder on harmonica Directed by Dave Meyers ASTROWORLD OUT NOW http://travisscott.com Travis Scott online: https://twitter.com/trvisXX https://www.instagram.com/travisscott/ https://soundcloud.com/travisscott-2 https://www.facebook.com/travisscottlaflame https://travisscott.com/ Epic / Cactus Jack (c) 2018 Epic Records, a division of Sony Music Entertainment. With Cactus Jack and Grand Hustle.

Herausstechend ist überdies die Bridge von James Blake in "STOP TRYING TO BE GOD", auf dem Track erklingen passend zu seiner Stimmfarbe Orgel und Mundharmonika. Wie auch auf den vorherigen Releases werden die Features nicht im Titel genannt. 

Neben klassischen, deutlich bewegteren Tracks sticht besonders das ruhige, poppige "YOSEMITE" stark heraus, in dem eine clean gespielte E-Gitarre und eine asiatische Flöte die wohlig gesungenen Parts des Rappers unterlegen. Auf "SKELETONS" erkennt man den Signature Sound der Indie-Band Tame Impala, die Handschrift des Produzenten Kevin Parker.

Durch drei Teile mit jeweils verschiedenen Instrumentals und abrupten Übergängen ist "SICKO MODE" ebenfalls einzigartig: In zwei der drei Parts ist Drake zu hören, Travis Scott sichert sich den B-Teil, in dem eine stark verzerrte Synth Kick, ähnlich der in RINs "Avirex", ertönt. Nicht besonders verwunderlich - bei beiden Tracks hatte Producer OZ die Finger im Spiel. 

ASTROWORLD

ASTROWORLD, an album by Travis Scott on Spotify

Als Klebstoff für die häufig eigenwillig anmutende Soundzusammenstellung fungiert aber besonders der klassische Travis-Scott-Vocal-Sound. Travis selbst rappt es auf "SICKO MODE":

"Who put this sh*t together? I'm the glue"

Wie gewohnt geizt der Houstoner nicht mit Effekten. Starke Pitch Correction (Autotune) paart sich mit viel Reverb und Delay. In den Ad-Libs dominieren ein weites Reverb und enges EQ. Wir hören außerdem Flanger ("NC-17", "ASTROTHUNDER"), Distortion, Low sowie High Pass Filter ("STARGAZING") und Vocal Transformer ("WAKE UP").

Ein weiteres Element ist der homogene Master Sound, der in den hohen Mitten und Höhen häufig am Peak Limit kratzt. Nicht selten übersteuern die Master auf diesem Release, oder auf gut Deutsch: Sie klingen verzerrt ("STARGAZING", "R.I.P. SCREW", "WAKE UP").

Genau solche "Fehler" sollen durch das Mastering für gewöhnlich vermieden beziehungsweise behoben werden. Diesen Stil des Masterings konnte man bei Travis Scott schon früher beobachten - zuletzt auf dem Kollaboalbum "Huncho Jack, Jack Huncho" mit Migos-Member Quavo.

Aufgrund der großen Häufigkeit und der Berechenbarkeit dieser Störgeräusche ist dieses Engineering jedoch als Stilmittel zu werten. Ähnlich verhält es sich mit den zahlreichen, deutlich hörbaren "Glitches" ("STARGAZING"). Es handelt sich hierbei um "Clicks", die durch technische oder artikulatorische Fehler auftreten und eigentlich strikt vermieden beziehungsweise wegretuschiert werden. Gerade im Intro sind diese Knackser deutlich zu hören - auch sie scheinen kalkuliert verwendet und keineswegs fahrlässigerweise beibehalten worden zu sein.

Der Sound von "ASTROWORLD" kokettiert augenscheinlich mit einer gewissen Nähe zum Glitch, einer Subkategorie der elektronischen Musik, die gerade mit diesen Klangartefakten experimentiert. Fraglich ist nur, warum die vielen Clicks der 2017 erschienenen Single-Version von "BUTTERFLY EFFECT" für das Album nachträglich entfernt wurden.

Auf "ASTROWORLD" bleibt sich Travis Scott somit klanglich treu, ohne dabei seine Experimentierfreude zu vernachlässigen. Das Album ist definitiv mehr als ein flüchtiges Durchskippen wert.

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