Throwback 2014: Zehn Deutschrap-Alben, die schon zehn Jahre alt werden
Kollegah, Shindy und Kool Savas. Im Hintergrund sind Albumcover zu erkennen.

Wer an das Jahr 2014 zurückdenkt, wird wahrscheinlich einige Erinnerungen im Kopf haben, die sich irgendwo zwischen Ice Bucket Challenges und Deutschlands WM-Sieg abspielen könnten. Was auch immer ihr mit der Zeit verbindet – all das liegt bereits ein ganzes Jahrzehnt zurück. Eine große Zeitspanne, in der sich vieles verändert hat. Natürlich auch im Deutschrap.

Warum nicht also mal auf ein paar Alben zurückblicken, die Hiphop 2014 mitgeprägt haben? So viel schon mal vorweg: Deutschrap hat in diesem Jahr den Sprung in den Mainstream geschafft. Erstaunlich viele Alben aus dieser Zeit konnten große kommerzielle Erfolge feiern und sich die Spitze der Charts sichern. Gehen wir das Jahr doch einfach mal chronologisch durch!

Marteria – Zum Glück in die Zukunft 2

Hat der Vorgänger die Erwartungen dermaßen in die Höhe geschraubt, dann ist die Enttäuschung beim Nachfolger quasi vorprogrammiert – ein Schicksal, das sich viele Sequels teilen, ganz egal, ob im Film oder in der Musik. Marterias "Zum Glück in die Zukunft 2" steht aber kein bisschen im (zugegeben ziemlich großen) Schatten des Originals, ganz im Gegenteil: Der Musiker aus Rostock konnte mit der Fortsetzung seines Albums, das bereits 2014 Klassiker-Standing hatte, noch einen draufsetzen. Sowohl musikalisch als auch kommerziell. Die mittlerweile mit Platin ausgezeichnete Platte stellt seine erste und bis dato letzte Nummer-Eins-Platzierung in den Charts dar.

Ob "Kids (2 Finger an den Kopf)", "OMG!" oder auch "Welt der Wunder": All diese Songs finden sich auf "ZGIDZ 2" wieder und sind alles andere als "Alt & Verstaubt". Dank ihres zeitlosen Klangs stehen sie bis heute sinnbildlich für die Kunstfigur Marteria. Kleiner Fun Fact am Rande: Mit "Mein Rostock", der Ode an seine Heimat, mit der er sein Album abschließt, konnte Marten noch im selben Jahr den vierten Platz beim Bundesvision Song Contest holen.

Bushido – S...

Kurzer Hinweis: Deutschrap-Fans werden natürlich wissen, um welches Werk sich die folgenden Zeilen drehen werden. Da das Album aber nach wie vor auf dem Index steht, werden wir es im Kontext dieses Artikels nicht namentlich nennen. 

Ende 2013 hat Bushido mit "Leben und Tod des Kenneth Glöckler" seinen legendären Kay One-Disstrack gedroppt und kurzerhand Deutschrap-Geschichte geschrieben. Kein Wunder, dass im Anschluss alle Augen auf die nächsten Schritte des EGJ-Chefs gerichtet waren. Die veräußerten sich schlussendlich im Release eines neuen Solo-Albums, das am Valentinstag 2014 erschienen ist.

Einen unpassenderen Release-Tag hätte es für die Platte eigentlich nicht geben können, vom Zelebrieren der Liebe ist das Album nämlich kilometerweit entfernt. Wer neben Kay und seinem Stiefvater / Manager Olliwood hier alles namentlich gedisst wird, lässt sich mit zwei Händen nicht mal annähernd abzählen. Auch abseits vom knallharten Namedropping wurden die Texte des Albums von der BPjM im darauffolgenden Jahr als so jugendgefährdend eingestuft, dass es (mit kurzer Auszeit) bis heute auf dem Index steht.

Doch auf genau so ein Album hat man als eiserner Fan nach einem Disstrack dieser Tragweite wohl auch gehofft. Da war nichts mit Ruhe, die Platte war der Sturm nach dem Sturm, der dank durchweg düsterer Produktionen immer wieder an sein Solodebüt "Vom Bordstein bis zur Skyline" erinnert. Für den Großteil der atmosphärischen Beats hat Bushido selbst in Zusammenarbeit mit seinem damaligen Schützling Shindy und den Hausproduzenten Djorkaeff und Beatzarre gesorgt.

Olexesh – Nu Eta Da

Wo wir schon von Solodebüts sprechen: Lässt man sein Mixtape "Authentic Athletic" mal außen vor, hat Olexesh 2014 mit "Nu eta da" ganz offiziell sein erstes Album gedroppt. Seinerzeit philosophierte das 385idèal-Signing auf "Bruder wenn ich reich bin" noch über eine finanzielle Zukunft, die ein ganzes Jahrzehnt später längst zur Realität geworden ist. Nicht nur, aber mit ganz bestimmter Sicherheit auch, weil er mit "Nu eta da" den Grundstein für seine weitere Karriere gelegt hat.

Roher Straßenrap, der irgendwie authentisch, irgendwie irrwitzig, irgendwie sympathisch ist. So lässt sich Olexesh' Erstlingswerk wohl am treffendsten beschreiben. Mit über 20 Anspielstationen fällt die Tracklist ziemlich lang aus – darunter befinden sich aber einige Standout-Songs, die man als eingeschworener Deutschrap-Fan auf dem Schirm haben sollte. "Purple Haze" ist selbstverständlich ganz vorne mit dabei.

RAF Camora & Chakuza – Zodiak

"Palmen aus Plastik" stellt den Wendepunkt in RAF Camoras Musikkarriere dar. Das wissen wir alle. Blickt man auf eine Zeit vor dem gemeinsamen Projekt mit Bonez MC zurück, erinnert man sich womöglich an die RAF 3.0-Alben, älteren Fans kommen vielleicht auch die "Therapie"-Mixtapes in den Sinn. "Zodiak", RAFs Kollaboalbum mit Chakuza (und Joshi Mizu, der auf knapp der Hälfte der Songs vertreten ist), ist dabei aus heutiger Sicht nahezu vollständig in der Versenkung verschwunden. Zu Unrecht.

Durch das gesamte Album schlängelt sich ein konsequenter Kontrast aus dunklen Beats und absurd-ironischen Lyrics. Dass das Trio eine ganze Menge Spaß während der Produktionsphase hatte, hört man "Zodiak" einfach an. Und das, obwohl gerade Chakuza sich nach dem Vorjahres-Release von "Magnolia" ernsterer Musik zugewandt hatte.

Das Album befindet sich jedoch seit einigen Jahren nicht mehr auf den gängigen Streaming-Plattformen – was bleibt, ist die Frage nach dem "Warum". Chakuzas angebliche Antwort auf einen Reddit-User, der ihn diesbezüglich angeschrieben haben will, legt nahe, dass "es einfach Zeit war, [das Album] zu entfernen". Die Gründe hierfür lassen sich nur mutmaßen. Da "Zodiak" so oder so das klare Ende von RAF Camoras und Chakuzas bis hierhin langjähriger Zusammenarbeit markiert, bleibt die Platte jedoch ein interessantes Abbild ihrer Zeit.

Farid Bang – Killa

Am selben Tag wie "Zodiak" erscheint mit "Killa" ein für die breite Masse offensichtlich deutlich relevanteres Album. Farid Bang sichert sich seine erste Nummer-Eins-Platzierung in den Charts, indem er das macht, was er eben am besten kann: Musik für die Hantelbank, für Clubbesuche, für die romantischen Abende mit den Müttern manch anderer Sprechgesangsartisten. "Mein Rap ist stumpf, mein Messer nicht", stellt der Banger bereits auf dem Intro-Track "Farid Bumaye" fest und setzt damit den Grundpfeiler für alles, was den aufmerksamen Hörer auf den Folgesongs erwarten wird.

Üppige Instrumentals von Produzenten wie Juh-Dee oder Miksu - damals noch als Joshimixu bekannt - sowie Features mit großen Namen wie Bushido, Summer Cem oder Kollegah runden die "Killa"-Experience elegant ab. Apropos Kollegah:

Kollegah – King

Was kann man zu "King" noch sagen, was nicht bereits unzählige Male gesagt wurde? Kollegah geht mit dem Album in die größte Hype-Ära seiner Karriere über. Zu verdanken hat er das sich selbst und seiner ausufernden Promophase, die Deutschrap so in dieser Form noch nicht gesehen hat. Seinen eigens hierfür gegründeten YouTube-Kanal "Bosshaft TV" bespielte Kolle bis zum Album-Release mit einer knapp dreistelligen Anzahl an unterhaltsamen Videos. In den unterschiedlichen Formaten sind Insider entstanden, die zu Spaß-Songs wie "Von Salat schrumpft der Bizeps" oder "Wat is' denn los mit dir" wurden und es letztendlich auch aus den Fan-Kreisen hinaus ins breite Publikum geschafft haben. Ja, 2014 hat man im Club zu Kolle getanzt – konntest du dir davor schon nicht, danach aber auch nicht mehr ausmalen. 

Der Release von "King" mündete in einer Rekordjagd, die es so ebenfalls noch nicht gegeben hat. Die Platte erlangte innerhalb der ersten 24 Stunden nach Veröffentlichung Goldstatus und konnte sich als erstes deutschsprachiges Album überhaupt die Spitze der Album-Charts auf Spotify sichern. Musik-Streaming war 2014 noch weit von der heutigen Selbstverständlichkeit entfernt.

Plus: Ganz unabhängig von all dem Trubel rund ums Album finden sich auf "King" auch einfach viele Songs, die einem Kollegah-Fan mehr als zusagen dürften. Punchlines, Doubletime, Tiefgründigkeit gepaart mit Raubtieren als Haustieren – alles, was man von einem Weltmonarchen in selbstkrönender spe erwarten würde.

Am 2. August wird Kollegah mit "Still King" eine Fortsetzung seines Klassiker-Albums veröffentlichen.

Gzuz & Bonez MC – High & Hungrig

Auch eine kultige Kollabo-Reihe findet 2014 ihren Ursprung. Vor zehn Jahren waren Bonez MC und Gzuz das erste Mal "High & Hungrig" auf Albumlänge. Gut, eigentlich sollte das Projekt schon weitaus früher droppen – wäre da nicht Gzuz' Haftstrafe gewesen, die auch direkt Thema auf der ersten beiden Tracks ist. Wenn es dem gemeinsamen Album der 187 Straßenbande-Mitgliedern einer Sache also schon mal nicht mangelt, dann ist es wohl Authentizität. Ein weiteres Attribut, das man "High & Hungrig" zugutehalten kann: Einheitlichkeit. Jambeatz hat das komplette Album nahezu im Alleingang produziert, was für einen Sound mit Wiedererkennungswert sorgt.

Zum Fan-Favorite wurde zwar erst der zweite Teil der Album-Reihe - wo wir auch wieder bei Sequels wären, die alles andere als enttäuschen - nichtsdestotrotz bleibt das erste Kollaboalbum von Bonez und Gzuz ein Meilenstein in der 187-History, der auch heute noch einen Revisit wert ist.

Shindy – Fuck Bitches Get Money

Shindy befindet sich 2014 in seiner Prime. Mit seinem zweiten EGJ-Album "Fuck Bitches Get Money" landet er im gesamten DACH-Raum auf der Eins, im letzten Jahr hat das Release sogar Platin-Status erreicht. Der Name ist auf jeden Fall Programm: Money gegettet wurde hiermit nämlich definitiv – und auch die erste Hälfte des Albumtitels scheint Shindy alles andere als stiefmütterlich zu behandeln. Andernfalls würde er auf "Steve Urkel" wohl kaum Ähnlichkeiten zwischen seiner "B*tch" und seinem Teppich erkennen: Beide sind "flachgelegt und persisch".

Weite Teile von "FBGM" klingen so, als wäre Shindy sich eigentlich zu schön dafür, vors Mic zu treten, nur um dann widerwillig doch noch einen Part einzurappen. Und genau das macht den Charme aus: Seinen mittlerweile typischen Mix aus Arroganz und Lässigkeit hat der Bietigheim-Bissinger auf seinem zweiten Solo-Album perfektioniert. Den "Fünf-Sterne-Rap par excellence" kriegt der fundierte Deutschrap-Hörer 2014 spätestens dann aufgetischt, wenn sich das damalige EGJ-Signing und sein Labelboss die Klinke in die Hand geben.

Kool Savas – Märtyrer

Beinahe hätte Kollegah 2014 den King-Status für sich allein beanspruchen können. Wäre der eigentliche King of Rap seiner Monopol-Stellung nicht doch noch zuvorgekommen. Gegen Ende des Jahres releast Kool Savas "Märtyrer". Zugegeben: Das Rad erfindet er mit seinem vierten Solo-Album nicht unbedingt neu – gut rollen tut es aber dennoch.

Abseits eines Skits und einer Strophe von Tim Bendzko, der neben seiner beiläufigen Weltrettung offenbar noch Zeit für Deutschrap-Features einräumen konnte, steht das Album durch und durch für kompromisslosen Battlerap und technische Raffinesse. Savas besinnt sich auf seine Paradedisziplin und kann trotz wenig massentauglicher Songs die nächste Nummer Eins-Platzierung für deutschen Rap nach Hause holen. 

Haftbefehl – Russisch Roulette

Last, but definitely not least: "Russisch Roulette" von Haftbefehl. Warum das Album schon wieder im Winter erschienen ist, konnten seine Fans zu dem Zeitpunkt nur grob erahnen. Dass die Platte durch feinste Räubermusik á la Baba Haft besticht, war aber schon damals nur schwer zu verkennen.

"Russisch Roulette" zählt nicht nur zu Haftbefehls besten Werken, sondern wohl auch zu den wichtigsten Deutschrap-Alben, die die 2010er hervorgebracht haben. Mit Songs wie "Lass die Affen aus'm Zoo" und "Ich rolle mit meim Besten" hat die Platte sogar außerhalb geschlossener Rap-Kreise Anklang gefunden. Aber auch abseits davon wartet Hafti mit Geschichten aus den Offenbacher Straßen auf, die von Bazzazian mit zeitlosen und brachialen Instrumentals zum Leben erweckt wurden. Moderner Klassiker!

Vor zwei Jahren haben wir bereits auf Deutschrap-Alben zurückgeblickt, die damals ihr Zehnjähriges gefeiert haben. Hier geht's zum Throwback ins Jahre 2012:

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