6 deutsche Street Fashion Brands, die ihr 2023 auf dem Schirm haben solltet

Ist deutsche Streetwear eigentlich schon tot? Horcht man in die Tiefen der Streetwear-Community, scheinen einige Fans genau das zu befürchten. Seit geraumer Zeit sind Diskussionen über Sell-Outs, Design-Kopien und recycelten Silhouetten lauter denn je. Dabei hat deutsche Street Fashion doch gerade erst so richtig angefangen! Denn dadurch, dass Streetwear quasi Teil von High-Fashion geworden ist - und High-Fashion Teil von Streetwear - sind die Chancen größer denn je. 

Die spannendsten Streetwear Brands 2023

Will man sich ganz der Straße verschreiben oder die Laufstege der Modewochen zieren? Aktuell ist alles möglich. Denn Brands müssen sich nicht mehr von dem Label „Streetwear“ in eine Box zwängen lassen. Deshalb sechs deutsche Modemarken (in keiner bestimmten Reihenfolge), die ihr 2023 auf dem Schirm haben solltet – nicht zuletzt, weil sie alle etwas Eigenes zu bieten haben.

Colors Clothing Company

Colors Clothing Company oder auch nur Colors ist sowas wie das new Kid on the Block der deutschen Streetwear-Szene. Die Düsseldorfer Modemarke wurde von dem Streetwear Veteranen Pinkus Brandes ins Leben gerufen und im Herbst letzten Jahres - im November - offiziell auf Instagram angekündigt. Seitdem sind mehrere Tausend Follower und sogar prominente Kundschaft dazugekommen.

Eine Überraschung ist das nicht. Pinkus war Mit-Gründer von LowLights Studios und hat dadurch schon ein mal bewiesen, dass er ganz genau weiß, wie man eine Streetwear Brand aufbaut. Nun scheint er quasi sein ganzes Wissen für Colors Clothing Company zu bündeln und das Ergebnis kann sich definitiv sehen lassen. Ich denke, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass Pinkus uns mit Colors einen Blick in die Zukunft der Street Fashion gewährt. Aus Staples wie Puffer kreiert er fast abstrakt aussehende Stücke, die die Vorstellungskraft des durchschnittlichen deutschen Mode-Konsumenten übersteigen. Egal ob es die kreisförmige Puffer-Weste oder das röhrenförmiges Kleid – Colors droppt Pieces, die kreativ und innovativ sind, ohne dass der Spirit von Streetwear verloren geht. 

Und das scheint anzukommen – 2023 liegt dieser jungen Brand schon jetzt zu Füßen. 

SF1OG

SF1OG hat die Herzen der Berliner Modejournalist*innen erobert und scheint geradewegs in die oberen Ränge der jungen deutschen Brands einzusteigen. Die 2019 von Rosa Marga Dahl gegründete Modemarke hat 2022 einen nicht aufhaltbaren Hype erlebt und wurde im Grunde von jedem hiesigen Modemagazin gefeatured, war zum dritten Mal Teil der Berlin Fashion Week und erhält Props von jedem in der Indsutry. 

Und das hat auch seinen Grund: Rosa macht Kleidung, die sich irgendwo zwischen High Fashion, Workwear und Streetwear bewegt. Egal ob es Bomberjacken, Baggy-Hosen, Leder-Pieces oder fancy Blusen sind – SF1OG ist vielseitig, hochqualitativ und gleichzeitig eine Marke, die trotz allen Erfolges unglaublich authentisch ist. Gleichzeitig hat sich Rosa über die letzten Jahre eine loyale Community aufgebaut, die mit der Designerin vor jeder neuen Kollektion mitfiebern, als wäre es ihre eigene. Zugegeben, SF1OG ist nicht unbedingt eine Streetwear Brand im klassischen Sinne – die Berliner Marke scheint aber richtungsgebend für das zu sein, was uns in den kommenden Jahren auf den deutschen Straßen erwarten könnte.

Kafa Leş

Kafa Leş ist eine Streetwear Brand, wie es sie auch in den frühen 2000ern hätte geben können. Ähnlich wie viele ihrer Kollegen bringen Kafa Leş vor allem Basics raus. Hoodies, Shirts, Pufferjackets – eben die klassischen Pieces, die man sich von einer Streetwear Brand wünscht. Alles nur ein bisschen asozialer, als bei anderen. Hier gibt es keine US-inspirierten Mode-Shootings oder Hype-Pieces. Dafür aber fast privat wirkende Polaroids, Momentaufnahmen und Community-Aktionen, wie das Verteilen von Gratis-Kleidung im Stil der UK-Fashion-Brand Corteiz

Vielleicht ist es auch der Vibe, den Kafa Leş nach außen hin projiziert. Jedenfalls scheinen sie ganz nah am Ursprung von dem zu sein, was Streetwear mal war. Auch, wenn es nur ein Eindruck ist – Kafa Leş ist für mich eine Brand, die nicht nur darauf ausgelegt ist, große Profite zu machen und das Maximum herauszuholen. Das fast drei Jahre alte Streetwear Projekt aus Wolfsburg scheint viel eher eine Love Brand zu sein, ein Treiber für Community und Repräsentant einer Kultur, die in den letzten Jahren immer mehr verwaschen ist. Und genau das macht sie so besonders.

Gerrit Jacob

Spray-Paint ist in – zumindest wenn man nach der Gerrit Jacob Sommerkollektion 2023 geht. Gerrit Jacob ist die selbsternannte Brand von dem jungen Designer - ja genau - Gerrit Jacob. Ein kurzer Blick auf den Instagram-Feed des 29-Jährigen verrät, dass es sich hier nicht um den Standart-Sh*t handelt. Knallig-blaue Digital-Prints, rosa Flammen oder auch mal neongrüne Hosenketten lassen die baggy Silhouetten seiner Pieces auch auf der dunkelsten Straße hell erleuchten. Gerrits Silhouetten erinnern an klassische Streetwear, aber seine Prints und Spray-Paint-Designs sind auf einem ganz anderen Level. 

Dabei ist Jacob gar nicht mal so lange dabei, seine eigene Brand zu betreiben. 2021, nach Stationen unter anderem bei Yeezy, Martine Rose und einer Festanstellung bei Gucci, verschlug es den Designer in die Selbstständigkeit. Jacob ist in Hamburg und Bad Bramstedt aufgewachsen und zum Studium nach London gegangen. Dort hat er an der Central Saint Martins, einer der bekanntesten Modeschulen der Welt, gelernt. Seine Designs werden schon von Stars wie Rosalía getragen – und es scheint so, als sei das erst der Anfang. 

No/Faith Studios

Profis der deutschen Streetwear dürften ihn schon eine ganze Weile auf dem Schirm haben: Luis Dobbelgarten, der Gründer und Designer hinter dem Label No/Faith Studios. In der hiesigen Szene kennt man Luis und seine Brand gut. Aber auch über die Grenzen des Landes hat sich die Marke mit Sitz in Firmenich längst einen Namen gemacht. Insbesondere in der letzten Hälfte von 2022 hat No/Faith Studios quasi alles abgesahnt, was es an Modeberichterstattung gibt: Business of Fashion, diverse Vogue-Magazinen und ein großes Feature auf der Plattform "Up Next Designer". 

Eigentlich möchte No/Faith Studios gar nicht mehr unbedingt als Streetwear bezeichnet werden. Aber Luis und seine Brand hier nicht zu erwähnen, würde sich einfach falsch anfühlen. 

Denn der NRW-ler, dessen erste Berührungen mit der Modewelt durch Sneaker-Reselling entstanden, ist gerade dabei ungeahnte Höhen zu erreichen – und die deutsche Modeszene auf die internationale Karte zu bringen. Inzwischen sind seine Pieces zu etwas herangewachsen, das nicht nur durch Handwerkskunst, sondern auch durch einen unglaublichen Wiedererkennungswert heraussticht. Besonders bezeichnend für No/Faith Studios sind die weiten Jeans und fast abstrakt wirkenden Jacken, die ihr sicherlich schon an zahlreichen Berliner Influencern gesehen habt.

rough.

rough. macht den Abschluss dieser Liste und ist gleichzeitig auch die Brand dieses Artikels, die am längsten existiert. Um genau zu sein wurde sie 2016 von Stelios Rough gegründet, einer der wenigen Vertreter deutscher Streetwear, die aus dem Ruhrpott stammen. Über die Jahre hat sich rough. eine loyale Fanbase und Kundschaft aufgebaut, unter denen sich Weltstars wie Tyga, Mike Tyson, Jack Harlow und viele weitere tummeln. Wieso also ist rough. noch auf dieser Liste, inmitten all den anderen doch eher neueren Brands?

Ganz einfach. rough. zeigt mit seiner Legacy, dass sich auch Streetwear durchaus weiterentwickeln kann. Manchmal reichen schon die kleinsten Details und Änderungen an bestehenden Silhouetten, um etwas ganz Neues und Besonderes zu kreieren. Es müssen also nicht immer die gleichen bedruckten Hoodies und Baggy Pants sein. rough. macht Streetwear durch und durch – keine Frage. Die Marke schafft es aber immer wieder, bewährten Pieces einen neuen Twist zu geben und so einen Wiedererkennungswert zu schaffen, der über das Logo hinaus geht.

Das waren nun sechs deutsche Brands, die Streetwear-Enthusiasten und Modefans 2023 definitiv auf dem Schirm haben sollten. Diese Auswahl ist natürlich nicht abschließend. Inzwischen hat immerhin auch die deutsche Modeszene zahlreiche Projekte und Unternehmen zu bieten. Das haben wir zu großen Teilen wahrscheinlich der "Instagram-Fashion-Brand"-Ära zu verdanken, die für einen Riesen Hype rund um das Gründen einer Modemarke sorgte. Besonders bekannt sind hier unter anderem Marken wie Peso, LowLights Studios und 6PM, die wir nicht aufgezählt haben, da ihr sie wahrscheinlich ohnehin schon kanntet. 

Mit Rosa Marga Dahl von SF1OG haben wir letzten Herbst über ihr Schaffen gesprochen: