KS Mafia, Mördan & Co.: 7 unvergessene Trash-Rapper der frühen YouTube-Zeit

Die Jahre rund um 2010 waren das goldene YouTube-Zeitalter. Nicht etwa, weil dort so viele bis heute relevante Internet-Persönlichkeiten ihre digitale Karriere gestartet haben. Auch nicht, weil Videos noch mit Sternen bewertet werden konnten, nein: Die Plattform hatte schlicht einen anderen Charme. Amateurhafte Videos statt professionelle Hochglanz-Produktionen standen an der Tagesordnung.

Das hier soll kein "Früher war alles besser"-Vortrag werden, denn das würde nicht der Wahrheit entsprechen. Aber: Als YouTube neu und frisch war, hatte jede Person mit Internetzugang plötzlich die Möglichkeit, sich in aller Öffentlichkeit mittels bewegter Bilder auszuprobieren. Das hatte mal mehr, mal weniger hochwertige Inhalte zur Folge. Und in diesem Artikel soll es vor allem um letztere gehen.

Denn in der frühen YouTube-Zeit haben auch unverhältnismäßig viele Classics des zeitgenössischen Trash-Raps das Licht der Welt erblickt, für die mein Herz höher schlägt, als ich es öffentlich wahrscheinlich zugeben sollte. Allerhöchste Zeit, mal wieder ein paar Vertreter dieses merkwürdigen Nischengenres aus den betagten Favoriten-Listen hervorzukramen!

1. Mördan

Fangen wir direkt mit dem wohl naheliegendsten Pick an. Mördan hatte 2011 einen echten, wenn auch nicht allzu langlebigen Hype, nachdem er mit "Schatz, ich kann nicht mehr warten" einen für damalige Verhältnisse viralen Hit voller Herzschmerz landen konnte.

Eigentlich arbeitete der Oberbayer als Metallbauer – plötzlich war er in diversen Medienberichten zu sehen und zu hören. Gut, seine handwerkliche Karriere konnte er durch seine Musik zwar nicht an den Nagel hängen, aber immerhin hatte er seine sprichwörtlichen 15 Minuten Ruhm.

"Schatz, ich kann nicht mehr warten" ist aber nur die Spitze des Mördan-Eisbergs. Eingeschworene Fans wissen: Angefangen mit Rap hat er schon in den 2000er Jahren, vor allem in Kombination mit Langzeit-Kollabopartner Triple G. Zusammen haben die beiden das Duo Mördoggg gegründet. 2008 haben sie ihr Mixtape "Hiphop ist unser Leben" releast, dessen Singleauskopplungen wie "Superflow" sich noch immer auf YouTube finden lassen.

Und heute? Nun, eine Anfrage unsererseits hat Mördan bis lang unbeantwortet gelassen. Sollte sich das ändern, werden wir euch darüber natürlich informieren. Wir wissen nur: Mördan hat seine letzte Single "Auf den letzten Drücker" im Jahre 2021 nach damals bereits dreijähriger Pause gedroppt. Dürfte also langsam mal wieder Zeit für einen neuen Release sein.

2. KS Mafia

Auch die Songs von KS Mafia konnten zwischen den Jahren 2010 und 2011 einiges an Aufmerksamkeit auf sich lenken. Flowless10, so nannte sich der Frontmann der One-Man-Mafia, hat seine Heimatstadt Böblingen quasi im Alleingang auf die dezent sonderbare Seite der Deutschrap-Karte gebracht.

Der bis heute bekannteste KS Mafia-Track ist und bleibt ganz ohne Frage "La Fiesta", bekannt für seine Catchphrase "Ich f*cke dich mit dem Satansschuh". Was genau ein Satansschuh sein soll? Wusste damals niemand, sieht heute kaum anders aus. Aber wer weiß, vielleicht hat Lil Nas X 2021 mit einem Auge auf Böblingen geschielt, als er seinen Sneaker mit Menschenblut auf den Markt gebracht hat.

Denkbar wäre, dass Flowless10 eigentlich einen Sandhandschuh meinte, der sich über die Zeit (und dank der ausbaufähigen Aufnahmequalität) in feinster "Stille Post"-Manier zum Satansschuh entwickelt hat – das dazugehörige Musikvideo ist nämlich nichts als ein Reupload. Dass man die Pixel mit bloßem Auge abzählen kann, hat dem Clip aber offenbar ganz und gar nicht geschadet: Innerhalb der letzten 15 Jahre konnte das Video knapp dreieinhalb Millionen Aufrufe generieren.

Sehr betonte Pausen vor dem Endreim von so gut wie jeder Zeile sowie eine überproportionale Nutzung des Ausdrucks "So gesehen" bzw. "So gesagt" machen Flowless' Rap-Stil aus, der seinem Namen hiermit alle Ehre macht. Im besten Sinne. Auch andere Songs seiner nicht allzu ausgeprägten Diskografie, darunter "KS Time", "Hajde hajde" oder auch - ein persönlicher Favorit - "Unglaublich aber wahr", zeigen mindestens genauso eindrücklich, wie man auf den Böblinger Pausenhöfen gerappt hat.

Seitdem ist es still um KS Mafia geworden. Zwar hat sich mit "KS Shoots" vor etwa vier Jahren ein mysteriöses Album auf die Streaming-Plattformen geschlichen – dass Flowless selbst dahintersteckt, ist aber zu bezweifeln. Hier wurden alte Tracks mit neuen Beats versehen und in den inhaltlichen Kontext einer pseudointellektuellen Lesung gesetzt.

Alle Jahre wieder rätselt das Internet (und damit sind eigentlich ausschließlich Reddit-Foren gemeint) um den Verbleib des Böblinger Kurzzeit-Rappers. Die einzigen Spuren lassen sich im Jahre 2021 finden, wo ein User behauptete, zur KS Mafia-Zeit "oft mit ihm auf dem Bolzplatz im Baumoval gekickt" zu haben. Dem Nutzer sei zumindest zu Ohren gekommen, dass Flowless10 noch immer in Böblingen wohnen würde und in einem Supermarkt arbeiten würde. Das und alles darüber hinaus ist aber reine Spekulation.

3. RedRebellRecords

Zur Hochphase der über YouTube ausgetragenen Battle-Turniere haben mit Sicherheit einige Leute zum ersten Mal zum Stift gegriffen, um die eine oder andere Punchline zu Papier zu bringen. Dass sich auch die Crew rund um RedRebellRecords mit relativ wenig Vorerfahrung auf die Battle-Welt gestürzt hat, unterstellen wir dem Trio an dieser Stelle einfach mal.

Es war aber nicht das VBT und auch nicht das JBB, an dem die Gruppe teilgenommen hat, nein: RedRebellRecords nahmen am "DissBattle 2013" teil, wo sie sich gegen die "Flachbader" beweisen mussten.

Sobald das Streicher-Instrumental einsetzt, das vom ersten Takt an wie das siebenundzwanzigste "Hard Aggressive Violin Type Rap Beat [NEW 2012!]"-Suchergebnis klingt und ein "Jetzt werdet ihr gef*ckt[,] es gibt kein zurück"-Text das Bild schmückt, ist klar: Die nächsten drei Minuten werden wohl mindestens unterhaltsam sein.

Wer bei dem ersten Verse von Halischa - die sich im Anschluss dann übrigens doch noch (ohne bedeutsamen Erfolg) am VBT versucht hat - schon denkt, es könne trashiger nicht werden, kennt einfach nur noch nicht den Rest des Songs. Die gemeinsam, leicht asynchron eingerappte Hook und der dezent holprige Doubletime-Part in der zweiten Strophe geben dem Disstrack einen gewissen... nennen wir es mal "Wiedererkennungswert".

Das verrückteste an der gesamten Geschichte: RedRebellRecords haben die Runde gewonnen und sind im Turnier weitergekommen. Wie es im Umkehrschluss um das Rap-Talent der "Flachbader" steht, sei also mal dahingestellt.

4. Taze, Phoenix & Co.

Was KS Mafia für Böblingen ist, sind Taze, Phoenix, Solid, Daxter und Kosta für Bad Homburg. Ja, manchen Orten hört man einfach an, dass sie auch in mittelbarer Zukunft nicht unbedingt zur nächsten Rap-Hauptstadt aufsteigen werden.

Wer bis hierhin noch keinerlei Vorstellung davon hat, für welchen Trash-Song die oben genannten Jungs verantwortlich sind, dürfte schon nach ein paar Takten des nachfolgenden US-Rap-Classics klüger sein. If you know, you know.

Die Bad Homburg-Version von eben jenem Song hat sich im kollektiven YouTube-Gedächtnis wohl eher als "HG City 2" eingebrannt. Und wenn man mal ehrlich ist: Durch die starke Anlehnung ans Original von Trick Trick bleibt zumindest die Hook von Taze irgendwie hängen. Was den Song aber ohne Frage ausmacht, ist der zweite Part von Phoenix. Seine stumpfe Delivery ist Gold wert.

"Muckst du hier, bekommst du 'ne Faust/
Ja genau, hier kriegt man Klatsche/
Ich geb' dir mit meiner 9mm/
Für mich bist du nur ein laufender Meter"

Dass Bad Homburg ein extrem hartes Pflaster zu sein scheint, will wohl auch das farblose Musikvideo vermitteln. Dass Bürgerinnen und Bürger im Hochtaunuskreis - zu dem auch HG City gehört - laut Kriminalstatistik sicherer leben als in den meisten anderen Teilen Hessens, fügt sich dabei nicht so ganz in das graue Bild, das Taze und seine Gang von ihrer Hometown zu zeichnen versuchen.

In etwas anderer Konstellation haben sich die Jungs wenig später auch für "HG City 3" zusammengetan. Aber wenn es schon einen zweiten und dritten Teil gibt, wie steht es dann um "HG City 1"? Eine gute Frage, die sich wahrscheinlich nur beantworten ließe, wenn man irgendwo im tiefsten Hessen eine verstaubte Festplatte ausgraben würde. Online fehlt hiervon jedenfalls jegliche Spur.

5. 5 Jungs aus Waiblingen

Langsam ist ein Trend zu erkennen: Der Trash-Rap der frühen YouTube-Zeit wurde offenbar größtenteils von Gruppen heranwachsender Jungs aus mittelgroßen Städten in ganz Deutschland geprägt.

Zu sagen, dass die fünf Jungs aus Waiblingen keine Ausnahme hiervon sind, würde ihrem Ruf aber nicht gerecht werden. Treffender erscheint es, sie als Paradebeispiel für diese Formel anzuführen. Ihr erster und einziger Song konnte seinerzeit schließlich ordentlich Views sammeln.

Irgendwie merkwürdig, dass die Vorstellungsrunde rund um Dragan, Adrian, Lori, Mert und natürlich B-J-örn heutzutage etwas Nostalgisches an sich hat. Die fünf Jungs sind mittlerweile zu den fünf Männern aus Waiblingen (hör, wie sie tight klingen!) geworden – dass sie es auf dem Weg dorthin "von der Dunkelheit ans Licht" geschafft haben, wie Björn es einst so bildlich umschrieb, wäre ihnen nur zu wünschen.

6. Cengiz Five

Dass es eine bedeutsame Schnittmenge zwischen früheren Trashrap-Enthusiasten und heutigen Shirin David-Fans gibt, lässt sich mit Zahlen zwar nicht belegen, durchaus aber anzweifeln. Dafür wird nämlich viel zu selten über die Kitty Kat-Line auf "Be a Hoe/Break a Hoe" gesprochen, die einen wahren YouTube-Klassiker aus vergangener Zeit referenziert.

"Breit gebaut, braun gebrannt, ich f*ck deine Hantelbank"

Die Zeile dürfte eine klare Anspielung auf Cengiz Five sein. Der junge MC aus Ludwigsburg war Vorreiter der "türkischen Welle" – zumindest, wenn es nach dem ikonischen Ansagen-Clip geht, der damals seine Runden auf der Video-Plattform drehte.

Zugegeben: Das Movement hat sich nicht wirklich zum erhofften "osmanischen Tsunami" entwickelt, sondern ist nach einem lauen Lüftchen der stillen See erlegen. Mit seinem Song "Breit gebaut, braun gebrannt, 100 Kilo Hantelbank" konnte Cengiz Five die Flut aber zumindest kurzzeitig in Wallung bringen.

Hier und da erinnert der Track an "Oberarme angespannt" von Massiv und Kollegah. Beide Songs sind zur nahezu selben Zeit erschienen, der exakte Release von Cengiz lässt sich aber nicht mehr vollständig nachvollziehen. Wer hier wen inspiriert haben könnte, bleibt vermutlich eine Huhn- oder Ei-Frage.

Ebenso schwierig nachvollziehen lässt sich die restliche Diskografie von Cengiz Five. Songs wie "Partynight" sind quasi kurz davor, Lost Media zu werden.

7. Big Jigga J

Bringen wir die Liste mit einem weiteren Battlerapper zu Ende. Big Jigga J hat erstmals mit seiner Qualifikation für die Hall of Shame 2013 auf sich aufmerksam machen können. Das Turnier wurde damals neben dem JBB ausgetragen und hat sich auf trashigen, aber unterhaltsamen Rap fokussiert.

Dadurch, dass die Teilnehmer der HoS ganz bewusst so schlecht wie möglich ankommen sollten, war der Unterhaltungs- und auch der Fremdschämfaktor hier natürlich ein ganz anderer. Big Jigga J hat sein Hak an dieser Stelle aber trotzdem verdient.

Einerseits hat er in besagter Quali mit seinem "Aber äh äh" einen Ausdruck gebracht, der sich auch über das Turnier hinaus einen Platz in der Hall of Shame meines alltäglichen Sprachgebrauchs reserviert hat. Auf der anderen Seite hat er (teilweise zusammen mit seiner Crew Mahonie Records) für viele weitere Jahre die Fahne für trashigen Rap, wie es ihn eigentlich nur back in the days geben konnte, hochgehalten. Dieser wertvolle Beitrag zur Kultur gehört gewürdigt.

Blickt man so zurück, fällt letzten Endes auch Money Boy mit "Dreh den Swag auf" in die exakt selbe Sparte wie die hier aufgelisteten "Artists". Jedoch ist er der einzige, der sein Momentum nutzen konnte, um aus seinem Image als Trash-Rapper eine waschechte und ernstzunehmende Musikkarriere zu spinnen.

Auch seine Glo Up Dinero Gang hat im Laufe der 2010er Jahre mit Konventionen gebrochen und mit ihrer Musik polarisiert. Mittlerweile durchlebt die G.U.D.G. so etwas wie ihren zweiten Frühling – bevor diese New Wave gestartet ist, sind wir im letzten Jahr der Frage nachgegangen, was aus den OGs von Money Boys Entourage geworden ist.

Hier kannst du dir den Artikel dazu durchlesen:

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