5 Dinge, die wir aus Kollegahs Zigarren-Monolog lernen
Kollegah hat eine Zigarre in der Hand

Eine Woche nach Release seines neuesten Albums "Free Spirit" lädt Kollegah zur Zigarre ein. In einem etwas mehr als einstündigen Monolog liefert der Boss ein paar diskutable Aussagen, aber auch ein bisschen Background zur eher "indirekten" Promophase und den weiterhin bestehenden Biting-Vorwürfen. Hier sind die fünf Dinge, die uns bei seinem neuen YouTube-Video hängengeblieben sind.

1. Kollegah sieht sich nicht als Mensch

Ob als "Fehlstundenkönig" in der Schule, als Hustler mit mehreren Jobs oder als 38-jähriger Bossrapper mit großer Legacy: Von frühester Kindheit an habe sich Kollegah nicht wirklich als Teil der Spezies Mensch gesehen. Vielmehr habe er immer eine Beobachterrolle eingenommen.

Das scheint ihm auch dabei geholfen zu haben, dem Druck, der als Person öffentlichen Lebens auf ihm lastet, standzuhalten. Für den "normalen Menschen" sei sich das ständige Spotlight wie folgt vorzustellen:

"Du hörst, wenn du durch die Straße gehst, von jedem das, was in seinem Kopf vorgeht, was er über dich denkt. Ja, du kannst Gedanken lesen. Das heißt: Du wirst jeden Tag zugeballert mit Meinungen über dich."

Fehle da die stabile Psyche, wäre der Weg zur Drogenabhängigkeit ein leichter. Oder: Du machst einfach was draus. Mit genügend Distanz habe Kollegah also die Stimmen um seine Person wahrnehmen können – eben "wie ein Alien, das die Spezies Mensch studiert", sich dabei jedoch nicht als "integraler Bestandteil dieser ganzen monotonen Masse voller Lemminge" sieht.

Dabei stellt er klar, dass er die Spezies natürlich nichtsdestotrotz mögen würde und vergleicht sie mit Kindern: Auch die seien manchmal frech, dumm und naiv. Trotzdem habe man sie doch lieb. Solch eine Denkweise helfe ihm dabei, die Meinungen der Menschen überhaupt nicht an sich ranzulassen.

Im Zuge dessen gibt er übrigens auch Shoutouts an die berüchtigte "Bossc*ck-Bubble". If you know, you know.

2. Darum gab es keine richtige "Free Spirit"-Promophase

Der gesamte "Free Spirit"-Rollout verlief im Vergleich zu manch anderen Kollegah-Alben wie "King" ziemlich unscheinbar. Viele Musikvideos ploppten freitags plötzlich im YouTube-Feed auf, ohne dass sich der selbsternannte Boss einer Vorankündigung bediente. Aber warum war das eigentlich so? Kollegah liefert Antworten.

"Free Spirit" bedeute nämlich, dass man sich nicht von anderen Meinungen beeinflussen lässt. Ein eigenes Urteil zu bilden, das habe er schon seit Jahren versucht, seiner Community beizubringen – ob mit dem Alpha Mentoring-Programm oder Songs wie "Du bist Boss". Ihm sei es wichtig gewesen, dass erst mal das Album rauskommt und er sich bewusst nicht zu "den ganzen Kaspereien" äußert, die da draußen so passieren.

"Ich habe wirklich einfach nur die Kunst und die Musik für sich sprechen lassen."

Immer wieder spricht er dabei Begriffe wie Cancel Culture, Social Engineering oder sogar Gleichschaltung – ein Begriff aus der Zeit des Nationalsozialismus – an, denen sich "Free Spirit" entgegensetzt. Schon seit den Antisemitismus-Vorwürfen beim Echo 2018 würden wir uns in eine Richtung bewegen, die immer mehr zur "verdeckten Zensur" abdriftet. Wenn das Album also für eines steht, dann für das:

"Nein, mit mir nicht."

3. Ghostwriting-Vorwürfe waren für Kollegah eine massenpsychologische Studie

Ende April erhob eine YouTuberin diverse Ghostwriting-Vorwürfe gegen Kollegah, der uns nur einen Tag später ein exklusives Statement gab. Schon damals dementierte er diese Vorwürfe. In seinem neuen Video greift er das Thema nochmals auf und legt sogar noch einen drauf: Das alles habe er als massenpsychologische Studie angesehen.

Kolle findet es beachtlich, dass Leute den vermeintlichen Ghostwriting-Skandal tatsächlich für bare Münze genommen hätten. Er rechnet vor: 30 Releases mit jeweils ca. 20 Songs, die wiederum drei 16er und eine Hook besitzen – ergibt etwa 1000 Bars pro Release. Dazu kommen Mixtapes, Labelsampler, Kollabo-Alben wie JBG, die Lyrik-Lounge, Bonustracks, Songs mit Überlänge und Featureparts. Kollegah überschlägt sein gesamtes Schaffen mit 30.000 bis 50.000 Bars. Eine Legacy, "die kann man nicht wegdiskutieren".

"Und dann sammeln sich da so'n paar Strolche [...] und dann kommen die auf 300 Lines, wo jetzt diskutiert wird: 'Oh, das könnte aber ein Biting sein und hier hat der Boss rumgegaunert und da hat er doch bei den anderen abgeschrieben!'"

Vor ein paar Tagen habe er sich dann zum ersten Mal das Genius-Dokument angeschaut, in dem alle Lines aufgelistet sind. Gut 80% davon würden von seinem alten Freund "Holi" aus gemeinsamen Texter-Sessions stammen – der sich, wie Kollegah erwähnt, aufgrund von Depressionen das Leben genommen hat. Nichtsdestotrotz müsse man unterscheiden, wer hier der Lehrer und wer der Schüler sei. Kolle habe den Style erfunden und erkennt einen Widerspruch in der Debatte. Er würde als "Verschwörungstheoretiker, als Aluhut vom Dienst" dargestellt werden, aber "die machen sowas": Meinungsmache und Trittbrettfahrerei.

Er stellt außerdem zur Debatte, wieso ihn in 18 Jahren niemand wegen Raub geistigen Eigentums angezeigt hätte. Vor allem in einer Zeit, in der Ghostwriting im Hiphop (was für ihn wiederum nichts mit Hiphop zu tun hat) so offen kommuniziert wird, versteht Kolle nicht, wieso ausgerechnet er an den Pranger gestellt wird.

4. Der Boss ist international unterwegs

Die einen haben es gefeiert, die anderen haben sich lustig gemacht: der englische Part auf Kollegahs Song "Zeitgeist". Warum er inmitten seines Parts den Sprachen-Switch macht, lässt er schon auf dem Song selbst erahnen:

"Hier bist du schnell auf dem Index/
They censor me in German, so I tell 'em in English"

Hier verdeutlicht er jedoch, dass das, was er zu sagen hat, von der ganzen Welt konsumiert werden müsse. Auf Dauerschleife. Das scheint auch der Grund zu sein, weswegen er an anderer Stelle erwähnt, nur noch seine eigene Musik hören zu können. Mehr würde er zu diesem Thema erst mal jedenfalls nicht sagen wollen. Im Laufe des Video verrät er aber, dass Zeilen mit Inhalt ihm mehr bedeuten würden als Punchlines.

Trotz seiner bedeutungsstarken Musik solle die Zuhörerschaft das Gefühl haben, "nicen Rap" ohne erhobenen Zeigefinger zu hören, der auch im Auto gepumpt werden könne. Damit unterscheide er sich von der "ekelhaften Esoteriker-Schwurbel-Art" der Leute, die in Telegram-Kanälen nur rumlabern würden, ohne was zu machen.

5. Depressionen gibt es nicht

Seinen wohl umstrittensten Take liefert Kollegah zum Ende des Videos. Nachdem er über die Vorteile eines Social Media-Detox spricht, kommt er zu dem Schluss, dass alles vom Hormonspiegel gesteuert werde. Deswegen gäbe es psychische Krankheiten wie die Depression auch eigentlich gar nicht: Bei den meisten jungen Männern wäre einfach ein niedriger Testosteron-Spiegel die Ursache. Minuten zuvor sprach er noch die Depressionen seines Texter-Kollegen Holi an.

Im Jahre 1950 sei der Testo-Spiegel der Männer im Durschnitt um 70% höher gewesen als heute. Eine Quelle hierfür nennt er nicht, dennoch führe diese Entwicklung zu Depressionen und Antriebslosigkeit bei Männern. Das Problem: Es sei sehr schwierig, sich heutzutage noch als Mann fühlen zu dürfen. Das werde fast als toxisch, falsch oder gar kriminell angesehen. Junge Männer würden geistig kastriert werden. Physisch aber auch – und von da aus kommt er zur Kritik an der Lebensmittelindustrie.

"Das bisschen Gemüse und Obst, was da rumliegt: Das hat auch nicht mehr die Nährstoffe wie vor 20 oder 30 oder 50 Jahren."

Relativ bald kommt Kollegah zum Abschluss seines Monologs. Wir haben hier natürlich nur einen Bruchteil von all dem angeschnitten, was der Boss in seinem neuesten Video zu erzählen hat. Möchtest du das gesamte Video schauen, dann kannst du das hier tun:

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