Asche-Track "HIStory" zusammengefasst: Tschetschenien, richtiger Name & Mois-Disses

Sechs Tage nach Mois' Enthüllungsvideo über Asches nicht ganz sauberes Image als Tschetschene mit Kriegserfahrung hat das Kollegah-Signing sich umfangreich zu seiner Lebensgeschichte geäußert. Sehr umfangreich. Über 20 Minuten Spielzeit hat sein Track "HIStory", der aktuell auf Platz 1 der deutschen YouTube-Trends und Platz 4 der weltweiten Genius-Charts zu finden ist.

Der Titel soll auf zwei Weisen funktionieren. Zum einen steht er für "seine Story" (engl. "his story"), zum anderen ordnet Asche seine musikalische Reaktion als historischen Moment für Deutschrap ein – die letzte Line in "HIStory" lautet:

"Ich bin Christoph (Amir), ich bin Israil / Ich bin Hiphop und das ist History"

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Blick auf die Lebensgeschichte: Ist Asche Tschetschene?

Auf raptechnischer Ebene scheint der Song viele Fans zu überzeugen. Mit einer Mischung aus Realtalk über das eigene Leben, Angriffen und Antworten auf seine Widersacher, einigen humorvollen Punchlines, sechs unterschiedlichen Beats sowie prägnanten Deutschrap-Referenzen hat "HIStory" genug zu bieten für eine komplette EP. Inhaltlich muss man das Ganze erstmal sacken lassen und ordnen. Also rein in die Masse ...

Der zentrale Vorwurf aus Mois' Clip war, dass Asches Lebensgeschichte fake sei. Er brüste sich zu Unrecht mit persönlichen Erfahrungen, die er nie gemacht habe, und würde seine Fans mit einem erdachten Image belügen. So richtig kann er das offensichtlich nicht abstreiten: "Ja, ich hab' bisschen geflunkert, doch mit der Fassade ist jetzt Schluss", ist eine der letzten Lines im Song.

Um seine Geschichte zu erklären, holt er weit aus. Sehr weit. Seine Oma Hava, eine Wainach, habe demnach 1942 "in den kaukasischen Bergen" das Licht der Welt erblickt. Auf sie geht wohl Asches Connection ("Ich stamm' von ihrem Blut ab") zur tschetschenischen Bevölkerungsgruppe zurück. Sie habe als Hebamme im Gulag seinen Opa kennengelernt. Gemeinsam seien sie später mit Asches Vater im Schlepptau nach Polen geflohen, wo sich die Eltern des Rappers kennenlernten und ihn zur Welt brachten.

Die Familienchronologie, die Asche in seinem Song aufrollt, ist allerdings an manchen stellen nicht ganz nachvollziehbar formuliert. Als es im Song um seinen Vater geht, rappt er:

"Papa wurde nach der Hochzeit gebor'n / Ein kleiner Junge, halbtot und stocksteif gefror'n / Harter Pfad, schmaler Grat / '45, Kasachstan"

Die Jahreszahl irritiert an dieser Stelle. Sein Vater kann schon aus rein biologischen Gründen nicht drei Jahre nach seiner Oma geboren worden sein – der Kontext der "45" erschließt sich weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick. Der Rest der Story passt allerdings zusammen.

Christoph Konrad oder Amir Israil?

Anhand einiger weiterer Zeilen wird klar, dass die von Mois geschilderte Geschichte offenbar passt. Asche rappt über den Weg seiner Familie nach Deutschland:

"Ich bin vier, Mutter wird erneut krank / So komm'n wir wegen weiterer Behandlung nach Deutschland / Ende der Achtziger war dort an der Grenze Schluss / Zu dieser Zeit war es normal, dass man Papiere fälschen muss"

Wenn er Ende der 80er vier Jahre alt war, dann haut das Geburtsdatum (1983) des geleakten Persos hin, ebenso wie die polnische Herkunft. Dass er sich zum Schluss sowohl als Israil als auch als Christoph bezeichnet, hängt vermutlich damit zusammen, dass der richtige Name Amir Israil bei der Einwanderung nach Deutschland ein potenzielles Problem geworden wäre.

"Ja, wir mussten Pässe fälschen auf der Flucht vor dem Leid / Identität verschleiern wie damals die Kurden aus Türkei / Über Polen nach Deutschland, denn sonst durften wir nicht rein / Doch ich bin wie 'ne deutsche Eiche – meine Wurzeln sind verzweigt"

Im Flüchtlingslager in der Nähe von Hamburg fängt der als Christoph Konrad getarnte Amir Israil dann an, "für Hiphop zu brennen wie ein Kerosintank".

Auf der Suche nach der eigenen Identität (als polnisches Flüchtlingskind in Deutschland mit kaukasischen Wurzeln) traf er offenbar im Ruhrpott "zwischen Türken, Arabern, Deutschen, Russen und Inguschen, Afrikanern, Albanern" auf Menschen, mit denen er eine enge Connection aufbaute:

"Wir haben uns gefetzt, haben Dinger gedreht / Junger Asche auf der Suche nach 'ner Identität / Hab' seit der Kindheit erlebt, wer wirklich hinter mir steht / Ich wurde von keinem so warm aufgenomm'n wie von Tschetschen'n"

Weshalb er dennoch über Kriegserfahrungen rappt, obwohl er selbst davon verschont geblieben ist?

"Eltern erzählten uns von Kriegsverbrechen, Genoziden / Wir teilten alle dasselbe Leid in den Lebenslinien / Also fing'n wir an zu rappen vom Tschetschenienkrieg"

Grundlegend bestätigt Asche damit, dass Mois' Vorwürfe der Wahrheit entsprechen. Gleichzeitig liefert er Kontext und zeigt, wie er zu diesem Konstrukt gelangt ist. Damit aber auch genug der Ahnenforschung – im weiteren Verlauf von "HIStory" schlägt die Attitude nach und nach in die Offensive um.

Asche Disses vs. Mois & SadiQ

Dass in Asche eine Kämpfernatur steckt, dürften die meisten mittlerweile mitbekommen haben. Der Spruch "Angriff ist die beste Verteidigung" mag nicht allgemeingültig für die etliche (Kampf-)Sportarten sein, aber hat in der Rapwelt durchaus seine Berechtigung.

Mit fortschreitender Spieldauer wird "HIStory" eindeutig aggressiver und richtet sich anscheinend über weite Strecken gegen Asches ehemaligen Kollegen SadiQ sowie Mois, der die ganze Geschichte erst losgetreten hat. SadiQ sprach nach Mois' Video offenbar mit etwas Schadenfreude über Asche und verbreitete (nur halbernst?) die superwilde Theorie, Asche sei Mossad-Agent, der Rapper ausspionieren sollte. Für diesen ist das Thema relativ schnell zusammengefasst und abgehakt:

"2017 dann bei SadiQ und Gan-G / Für alles, was ihr für mich getan habt, sag' ich danke / Ich hab' euch nie hintergang'n, ich wurde sauber entlassen / Weil ihr, wenn ihr ehrlich seid, nie groß geglaubt habt an Asche / Ich hab' mich selbst hochgekämpft und jetzt, wo's läuft mit Cash / Willst du was ab und bist am heul'n wie 'ne enttäuschte Ex"

Ein weiterer Vorwurf gegen SadiQ lautet, er habe den "IS propagiert", womit Asche vermutlich auf den Track "Charlie Hebdo" von 2017 anspielt – wir berichteten.

Gegen Mois packt Asche deutlich schwerere Geschütze aus und folgt einer (Deutsch-)Rap-Tradition: Er stellt Behauptungen in den Raum, die von Beobachter*innen kaum zu überprüfen sind und ab sofort im Kommentarbereich deines Vertrauens als Meme wiederfindest. Neben Fronts gegen dessen YouTuber-Dasein und seine Rap-Songs ("Du warst nie ein Rapper, du bleibst ein Reaction-Spast") behauptet er, Mois hätte von seinen Landleuten Schläge kassiert.

Auf Mois' Aussage, andere Leute hätten für die Vermittlung von Asche an Kolle 20 % gefordert, reagiert er folgendermaßen:

"Hast mich Kolle empfohl'n, willst dafür zwanzig Prozent / Mann, du heißt Moiskid, der Typ hat dich erschaffen, du Stan / Wie viel soll er dann von dir nehm'n, 120 Prozent?"

Zudem wäre mit dem Mois-Video der Versuch unternommen worden, Asche zu erpressen:

"Wollt mich erpressen, 'Gib Cash sonst kommt das Video raus' / Ich hab' geantwortet: *Scheiß drauf, haut das Video raus! / Zieht ruhig meine Fam mit rein, ich bleibe standhaft / Aber dafür f*ck' ich eines Tages dich und deine ganze Mannschaft' / Das war'n meine Worte und jetzt rate ma' hier / Genau das ist, was hier heute grade passiert / 100K erpressen woll'n, eure Seelen sind finster / Karma ist 'ne B*tch, bekam die hundert K bei Insta"

Mois kündigt nächstes Video an: Wie geht's weiter?

Das sind die groben Kernaussagen des 20-minütigen Songs. Wer jedes Detail erfahren möchte, sollte sich das Stück ohnehin in voller Länge geben. Die Welle, die Mois losgetreten hat, scheint sich jedenfalls noch nicht am Strand in Schaum aufzulösen, sondern bleibt strong. Der YouTuber hat für heute um 18 Uhr das nächste Video angekündigt, unter anderem weil er seine Familie durch eine Line Asches Track angegriffen sieht.

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