Kollegah, Farid Bang & der Echo: Wie Rap in die rechte Ecke gerückt wird

Das, was aus dem kalkulierten Echo-Skandal um "JBG 3" geworden ist, wird grade zu einer ernsthaften Bedrohung für deutschen Rap. Der Echo hat sich, Rap und der Stimmung in Deutschland keinen Gefallen damit getan, mit dem Skandal Promo machen zu wollen. Rap hat es verpennt, rechtzeitig intensiver zu diskutieren und muss jetzt aufpassen, sich nicht in eine Falle locken zu lassen, aus der es kein Entkommen mehr gibt.

Der Aufschrei der Mehrheitsgesellschaft war richtig. Wo kommen wir denn hin, wenn asoziale Provokationen wie auf "JBG 3" bei einer Musikzirkusveranstaltung als Popmusik durchgewunken werden? Kollegah, Farid Bang und Rap per se als antisemitisch abzustempeln, bewirkt aber das Gegenteil von dem, was Heiko Maas, Campino und Charlotte Knobloch mit ihrer berechtigten Kritik an der Auszeichnung für "JBG" bewirken wollten: Es sorgt für Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und die Spaltung der Gesellschaft.

Heiko Maas on Twitter

Antisemitische Provokationen haben keine Preise verdient, sie sind einfach widerwärtig. Dass am Holocaustgedenktag ein solcher Preis verliehen wird, ist beschämend. So wie #Campino müssen wir uns schützend vor jüdisches Leben stellen - jeden Tag und überall. #ECHO2018 https://t.co/OdSx9RjDW8

Leute, die sich die "JBG"-Premiumbox gekauft haben, hinterfragen nicht wegen Pop-Punk Campino ihre Vorliebe für tabubrechende Lines. Sie solidarisieren sich mit Kollegah und Farid Bang. Wenn die es nicht schaffen, deutlich zu machen, dass sie wirklich keine Antisemiten sind, besteht das Risiko, dass die Dümmsten der Fans meinen, es sei cool und anti-establishment, Juden scheiße zu finden. Also genau das, was Farid unterstellt wird, aber eben nicht das, was Farid mit der Line gesagt hat.

Wenn Kollegah die Verteidigung auf Seiten aus den Bedienungsanleitungen von Donald Trump und Alex Jones aufbaut, hat Rap ein Problem. Er muss aufpassen, nicht ekelhaft Reflexe gegen böse Gutmenschen auszulösen, die man sonst bei Rechten findet. 

Nicht nur "JBG" wird in eine antisemitische Ecke gestellt, sondern vielfach Deutschrap per se. Also solidarisiert sich Deutschrap und muss zusehen, keine Antisemiten zu decken oder den Eindruck zu erwecken, bei uns könne man noch ungestört Antisemit sein. 

Stattdessen besteht das Risiko, dass mehr Antisemitismus entsteht

Zuletzt stiegen diejenigen in die Diskussion ein, die mal das Patent auf Antisemitismus hatten: die deutschen Rechtsaußen. Die ausländerfeindliche Hetze von AfD-Frau Weidel und den B-Prominenten Herr und Frau Geiss zielt nicht auf Rap, sondern auf Farids marokkanische Wurzeln. Sie interpretiert die Line auf rassistischste Art und Weise als Beweis für die moralische Minderwertigkeit von Moslems und Nordafrikanern:

Es wird immer kurioser: Die AfD & die Geissens vs. Kollegah & Farid Bang

Die Diskussionen rund um den ECHO und die Antisemitismusvorwürfe gegen Kollegah und Farid Bang reißen nicht ab.

Wegen Frau Geiss wird kein Libanese seine Liebe zu Israel entdecken. Stattdessen besteht das Risiko, dass aus dem Vorurteil, alle Moslems seien Antisemiten, in dummem Trotz mehr Antisemitismus entsteht. Was genau das wäre, was Frau Weidel auf der Suche nach Abschiebegründen wollen würde.

Hetze und Spalterei führen zu einer Gegenreaktion, zu einer "Jetzt-erst-recht"-Mentalität. Lasst euch darauf nicht ein! Rap ist nicht rechts. Auch wenn es Rapper mit antisemitischen Vorurteilen gibt, wird dadurch Rap nicht antisemitisch. Rap ist Hiphop und Hiphop kann nichts anderes sein als das Gegenteil von Rassismus und Antisemitismus.

Rapfans können einordnen, wie die Line von Farid Bang zu verstehen ist, die zwar kein antisemitisches Klischee bedient oder Juden abwertet, sich aber über ihr Leid lustig macht. Die Frage ist, ob es Grenzen geben sollte. Ob die Lines auf "JBG 3" über die Grenzen hinausschießen.

Die Stimmen der Rapper unterteilen sich in zwei Gruppen: die der Toleranten, die keine Toleranz für Intoleranz haben. Und die derer, die in erster Linie die Kultur gegen unfaire Berichterstattung und rassistische Angriffe verteidigen wollen. Daran zerbricht Hiphop nicht. Die Antilopen Gang, Retrogott, Sido und Manuellsen haben verschiedene Meinungen über die Grenzen des guten Geschmacks und darüber, was Antisemitismus ist (Spoiler: die ersten beiden haben Recht, die anderen beiden aber auch). Die vier haben ausreichend gleiche Werte, um sie easy alle Hiphop nennen zu können. Hiphop hätte diese Diskussion schon vor Echo und WDR-Doku von allein führen müssen. 

Man kann dreckige Witze machen. Man kann damit zu weit gehen. Wenn ein Familienmitglied stirbt, wirst du Witze darüber nicht lustig finden. Entsprechend kann man die Line scheiße finden. Oder das gesamte Album.

Wundern muss einen nicht die Kritik des Mainstreams, sondern dass der Echo "JBG 3" überhaupt nominiert hat. Obwohl er nicht mehr nur von Verkaufszahlen, sondern auch von einer Jury entschieden wurde. Haben denen die Reimketten einfach so gefallen, dass die ekelhaften Witze okay waren?

Die Echo-Verantwortlichen hätten die beiden ausschließen können, wenn sie ekelhafte Witze unter jeder Gürtellinie nicht gut finden. Sie hätten dem Album keinen Preis geben müssen. Aber sie wollten mit "JBG" und dem Skandal Aufmerksamkeit und Quote. Damit tragen die Macher dieses irrelevanten Schrottpreises jetzt Mitverantwortung an allem, was daraus geworden ist.

Eine Basis, Farid Bang als Antisemiten zu bezeichnen, liefert die Line nicht. Zumal für diesen schweren Vorwurf bisher nicht mehr Indizien geliefert wurden, als eine geschmacklose, menschenverachtende, aber nicht antisemitische Line. Die AfD braucht keine Beweise, für sie reicht es, dass Farid Bang Moslem ist.

Die Einordnung hängt davon ab, wie man den Kontext einschätzt

Generell sollte man verstehen, was "JBG 3" war: der Versuch, auf jede asoziale Line noch einen draufzusetzen. Es lotet die Grenzen der Kunstfreiheit aus. Die meisten sind sich einig, dass sehr viel erlaubt sein sollte, solange es sich um Battlerap handelt. Wie bei dem Freund, der dir einen rassistischen Witz an den Kopf wirft, hängt die Einordnung hart davon ab, wie man den Kontext einschätzt. 

Das eine sind Punchlines, die mit dem Tabu Rassismus spielen, ohne der angesprochenen Gruppe dabei ein Klischee zuzuschieben: "Das Geld, das ich machte, es war schwarz wie Mortel", "Ich überfahr' B-Tight im Benz und wisch' den schokobraunen Fleck dann von der Motorhaube weg", "asozialer Marokkaner", "Körper definierter als Auschwitzinsassen". Das ist grenzwertiger Humor. Im letzten Fall menschenverachtend, ja.

Mieser Humor ist weniger kritisch, als Klischees zu wiederholen. "Dein Lieblingsrapper wird zum Clown/Klauen gemacht wie Zigeunerkids". Das ist keine Hassrede. Das ist auch als Witz gemeint. Es muss nicht verboten sein. Es ist aber scheiße, weil es rassistisch ist und ein rassistisches Klischee verbreitet, unter dem die betroffene Gruppe bis heute zu leiden hat. Über den Hinweis würde Farid erst mal lachen, weil er Spaß an Asozialitäten hat und natürlich kein echtes Problem mit Roma.

Positive Klischees sind nicht besser. Weil die scheinbar positiven Vorurteile oft Teil des Klischees sind, das gegen eine Gruppe verwendet wird. Dass Schwarze dauergeil wären und durchweg extrem lange Schwänze hätten, gehört zu demselben Klischee, wegen dem angebliche Verg*waltiger einst in den USA gelyncht wurden und wegen dem Nordafrikaner jüngst zum neuen Schreckgespenst der Nazideutschen wurden. Dass Juden extrem gut mit Geld umgehen könnten, war vielleicht eine nett gemeinte Aussage von Haftbefehl oder Jay-Z. Das bedient aber dasselbe Klischee des geldgeilen Juden, das die Nazis zur Rechtfertigung der Konzentrationslager nutzten.

Es ist scheiße, mit grenzwertig rassistischen Lines zu provozieren. Auch wenn ich über sie lachen kann. Noch schlimmer ist, dass ich mit homophoben oder s*xistischen Lines ein noch kleineres Problem habe, solange sie im richtigen Rahmen stehen. Was politisch unkorrekte Lines angeht, kann man sich durchaus mal selbst hinterfragen. 

Antisemitische Vorurteile, die zeitgleich zum Echo eine WDR-Dokumentation in Rapsongs aufgezeigt hat, sind noch mal eine andere Nummer. Wer diese Ideen in seinem Kopf hat, muss sich ganz anders hinterfragen.

Rap und Antisemitismus - Was wir aus der WDR-Doku mitnehmen können

Rapper, Manager, Journalisten und Wissenschaftler kommen zu Wort. Haftbefehl, Kollegah und PA Sports werden kritisiert. Die Kritik an der Doku stimmt: Der Titel unterstellt, Rap habe ein Antisemitismusproblem.

Woher kommen diese Klischees? Jahrhundertelang wurde die jüdische Minderheit in Europa – genau wie heute Menschen mit nicht-nordeuropäischen Wurzeln – mit Vorurteilen und Diskriminierung konfrontiert. In den letzten 50 Jahren wurden antisemitische Klischees von antijüdischer Propaganda angeheizt. In Ländern, deren Regierung Israel feindlich gegenübersteht. Oder bei CSU-Brudi Viktor Orbán, der gegen seinen politischen Feind Soros polemisiert. Oder bei der linken Volkspartei Englands. Populisten greifen gerne auf antisemitische Klischees zurück und nutzen sie, um durch ein Feindbild Menschen hinter sich zu versammeln.

Deshalb sind solche Klischees so gefährlich, selbst wenn du sie in einem Witz vielleicht gar nicht so ernst meinst oder denkst, Juden Geiz zu unterstellen, sei keine so große Sache. Sie kann eben eine große Sache werden. Mit diesem Klischee hat mal jemand einen Massenmord gerechtfertigt.

Sie folgen dem nächstbesten faschistischen Populisten

Wenn die Klischees nicht aus politischer Propaganda kommen, dann kommen sie zum Beispiel aus Verschwörungstheorien. Deren Übergang in eine ganz eigene Art von Propaganda ist oft fließend. Sie florieren, seit die 9/11-Inside-Job-Theorie sich den Weg durchs Internet bahnte. Schon diese Theorie hatte ein dickes antisemitisches Kapitel. Seitdem haben Wahrheitsspekulanten ihre Theorien auf alle möglichen Gebiete ausgedehnt.

Verschwörungstheorien sind nicht neu. Mit dem Internet haben sie aber ein neues Biotop gefunden. Viele haben offenbar tatsächlich erst im Internet gemerkt, dass es mehr als eine Wahrheit geben kann. Sie sind von verschiedenen Meinungen überfordert und haben nicht die Kompetenz, Analysen von Polemik zu unterscheiden. Sie stoßen auf eine Geschichte, die widerlegt, was sie vorher gehört haben und folgern daraus: "Okay, dann muss alles falsch sein, was die mir erzählt haben ... Ich würde dann jetzt gerne die nächstbeste Theorie glauben, damit ich nicht weiter damit leben muss, nicht alles genau zu wissen."

Mit 9/11 und der bis heute andauernden Kette von Kriegen, die daraus folgten, wurde die Ausbreitung von Verschwörungstheorien angeheizt. Die USA und Großbritannien sind mit Lügen gegen den Irak in den Krieg gezogen. Dazu kommt – wie man lesen kann – das "Ohnmachtsgefühl vieler Menschen im Angesicht von Globalisierung". Im Ergebnis ist in vielen westlichen Ländern das Vertrauen in die Regierungen dahin.

Wie reagieren die Menschen darauf? Indem sie Regierungen ein gesundes Misstrauen entgegenbringen, Gewaltenteilung und Demokratie hochhalten, auf Diskurs und rationale, wissenschaftliche Wege zur Wahrheit setzen. Nein Spaß. Sie folgen dem nächstbesten faschistischen Populisten, der sagt, dass er die Wahrheit kennt und dass er die da oben jetzt mal richtig f*cken wird. AfD, Trump, UKIP, Putin, Orbán, Kaczyński, Le Pen, Wilders. Sollte ich vergessen haben, einen Nationalisten eines weiteren Landes zu beleidigen, tut es mir Leid. Fühle auch du dich bitte angepöbelt.

Politische Salafisten, die Nation mit Religion ersetzen und anderen das Recht auf eine Meinung und das Recht zu Leben absprechen, sind nichts anderes. Wahrheistspekulanten, die mit ihren Theorien polemisieren und radikalen Gruppen Idioten in die Arme treiben, sind nichts anderes. Selbst wenn sie nicht im Auftrag von Regierungen Fake-News platzieren, sondern selbstständig aus Überzeugung und Geltungssucht handeln.

Eine Alternative zum Deutschland von Campino, Cappuccino und Tagesschau

Manche Rapper hängen (zumindest phasenweise) "alternativen Theorien" an. 9/11-Inside-Job, Reptiloide, Flat Earth, Reichsbürger, Chemtrails, Kreationismus. Jetzt haben wir auch einen Pizzagate-Überzeugten. Woher das kommt? Die Theorien sind generell verbreitet. Unter Rappern wie Nicht-Rappern, Rapfans wie Nicht-Rapfans. Zum anderen versammelt Hiphop traditionell viele, die mit dem herrschenden System nicht zufrieden sind. Protest ist Teil der Kultur. Wir haben schon dem System misstraut und über alternative Wahrheiten und Verschwörungen nachgedacht, als Ottonormaltrottel noch dachten, auf den Mauerfall würde der Weltfrieden folgen und im Internet gäbe es nur E-Mails und P*rnos.

Eins der vielen Probleme der Verschwörungstheorien ist – neben Polemik und Pseudowissenschaftlichkeit – wie oft die uralte, super beliebte Theorie der geheimen jüdischen Weltherrschaft und all ihre Klischees vom geizigen Juden eingeflochten werden. Das ist das, was in der WDR-Doku zu Recht an Kollegahs gerappter Unterhaltungsverschwörungstheorie "Apokalypse" kritisiert wurde.

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Wenn Kollegah solche Klischees in Songs weiterverbreitet, ist das gefährlich und scheiße. Der Ursprung dieser Theorien liegt nicht bei Kollegah. Und noch weniger bei dem Marokkaner mit den menschenverachtenden Punchlines, der beim Echo neben ihm stand. (Im Fall von "Apokalypse" soll der Ursprung beim rechtsradikalen New-World-Order-Fanatiker Fritz Spengmeier liegen.) Anstatt nur im Vorbeigehen einzelne Prominente abzukanzeln, sollten sich Politik und Presse Gedanken über Bildung und das verlorene Vertrauen in die Institutionen der Gesellschaft machen, wegen dem sich so viele aufmachen, neue Leitbilder zu finden.

Wenn viele stattdessen Rappern vertrauen – super. Hiphop hat als Subkultur eigene Institutionen. Es wäre schön, wenn die ihren Job besser machen würden als die Institutionen der Mehrheitsgesellschaft. Absurde und menschenverachtende Theorien zu transportieren, bietet eine deutlich schlechtere Alternative zum Deutschland von Campino, Cappuccino und Tagesschau.

Gibt es in Hiphop Antisemitismus? Natürlich. Zumindest in der Form, dass es sicher Leute gibt, die etwas mit Hiphop zu tun haben und gleichzeitig Juden hassen. Wobei Eins so wenig mit dem Anderen zu tun hat wie eine Vorliebe für Thunfischpizza mit Angst vor Fahrstühlen. Deshalb waren Titel und Aufmacher der WDR-Doku so diffamierend.

Was man aber ganz klar sagen muss: Wer Juden hasst, hat keinen Platz in Hiphop

Was man aber ganz klar sagen muss: Wer Juden hasst, hat keinen Platz in Hiphop. Es gibt wenige Dinge, die nicht mit Hiphop kompatibel sind. Antisemitismus gehört dazu. Rap ist mehr als eine Musikrichtung mit hohem Sprechgesangsanteil, Rap ist Teil von Hiphop. Wenn Hiphop eine Kultur sein soll, wenn es irgendein Konzept haben soll, dann schließt dieses Konzept es aus, Menschen auf ihre Herkunft oder ihren Glauben zu reduzieren.

Nicht, dass es nie rassistische Rapzeilen gegeben hätte. Die waren halt schon immer scheiße. Sie haben sogar mehr mit Hiphop zu tun als Thunfischpizza mit Aszensophobie (ja, das ist tatsächlich das Wort für die Angst vor Fahrstühlen). Hiphop kommt von der Straße und auf der Straße geht es andauernd auch um Herkunft, weil jeder einen anderen kulturellen Hintergrund hat. Entweder schließt man sich in ethnisch homogenen Gruppen zusammen und bekämpft sich. Oder man überwindet das, wie es zum Beispiel in der Hiphop-Kultur geschieht. Auch dann ist es aber nicht selten, die Herkunft der eigenen Familie als wichtigen Teil der eigenen Identität zu sehen. Kein Wunder. Als Kurde unter Deutschen, Deutscher unter Türken, Jamaikaner unter Briten, Algerier unter Franzosen oder Schwarzer unter Weißen wird man ja auch andauernd damit konfrontiert.

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Es ist verbreitet, sich gegenseitig Sprüche zu drücken. Und dabei geht es manchmal auch um die Herkunft des Anderen – von Freunden akzeptiert man das als dummen Witz, von anderen Leuten nicht. Und es gibt Vorurteile über jede Gruppe. Türken sind so, Araber sind so, Deutsche sind so. Manchmal sind das harmlose Klischees, manchmal hasserfüllte Vorurteile. Wenn man einzelne Erfahrungen zu kulturellen Unterschieden verallgemeinert und diese wiederum jedem Vertreter dieser Kultur unterschiebt, ist das rassistisch.

Vielleicht ist der nachvollziehbare Straßennationalismus akzeptabel, solange alle im jeweiligen Nationaltrikot gemeinsam als Weltauswahl spielen. Lines, die mit dem Tabu Rassismus spielen, sind gefährlich, denn sie funktionieren nur, solange alle überzeugt sind, dass der, der sie rappt, sie nicht so meint. Lines mit rassistischen Klischees sind gefährlich. Selbst wenn der Rapper sie wirklich nicht böser meinen würde als zwei Kollegen, die sich gegenseitig verarschen.

Gegenüber Juden sind diese Klischees besonders scheiße. Ja, das ist noch mal etwas anderes als Vorurteile gegenüber Albanern, Italienern oder Moslems. Weil die Vorurteile hier nicht mal auf Erfahrungen beruhen, sondern auf uralten antisemitischen Verschwörungstheorien. Wer sie wiederholt, kennt oft gar keinen Juden. Weil es hier so wenige gibt. Weil in diesem Land Millionen von ihnen ermordet wurden. Gerechtfertigt wurde das mit diesen Klischees. Also ja, es ist auch scheiße wenn dich jemand als Alman oder Moslem diskriminiert. Aber nein, das ist nicht dasselbe wie der Holocaust. Es ist völlig normal und richtig, dass auf Antisemitismus in Deutschland härter reagiert wird. Zumal auch heute in Deutschland lebende Juden von Gewalt bedroht sind, was nach der Vorgeschichte Deutschlands völlig inakzeptabel sein muss.

Rap wird sich positionieren müssen

In den USA ist es grade en vogue, woke zu sein. Ein Wort, das auf Erykah Badu zurückgeht und durch das Black-Lives-Matter-Movement verbreitet wurde. Im Rapkontext hat man das mal conscious genannt. Beides bedeutet, sich Dingen bewusst zu sein: sozialer Ungleichheit und Diskriminierung zum Beispiel. Conscious hieß, diese Themen zu behandeln – meist mit linksliberalem Weltbild. Woke heißt heute oft auch, sich nicht an Diskriminierung beteiligen zu wollen. Indem man auf das eigene Verhalten und auch auf die Sprache achtet. Wenn man in einem weiteren Sinne woke ist, stellt man Transgender frei, ob die sie Herren- oder Damentoilette benutzen. Man verzichtet darauf, sich fremde Kulturen "anzueignen" – zumindest verzichtet man als Angehöriger der (weißen) Mehrheit darauf, Teile der (schwarzen) Minderheitenkultur zu übernehmen. Was nachvollziehbar ist, wenn es darum geht, dass die Musikindustrie keinen Vanilla Ice aufbauen soll, sondern den Plattenvertrag bitte einem authentischen (schwarzen) Rapper gibt. Aber es geht zu weit und fällt aus der Zeit, wenn dem weißen Ami oder dem Alman Authentizität abgesprochen wird und das Rappen verboten werden soll. 

Da die meisten US-Trends nach Deutschland kommen, wird Political Correctness in Deutschland in den kommenden Jahren weiterhin und immer stärker ein Thema sein. "Das wird man jawohl noch sagen dürfen"-Nazis auf der einen Seite, "linksversiffte Gutmenschen" auf der anderen. Rap wird sich damit auseinandersetzen und positionieren müssen. Deutschrap sollte sich nicht von linksliberal-bürgerlichen Gedanken glattbügeln lassen und Battlerap abschaffen. Deutschrap sollte aber vor allem und um jeden Preis verhindern, durch das Pochen auf freie Rede im Camp der "Das wird man jawohl noch sagen dürfen"-Nazis zu landen.

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