Wer sind eigentlich Tiefbasskommando?

Es gibt einige Artists in der Musikindustrie, die es trotz einer beachtlichen Größe schaffen, unter dem Radar und in ihrer eigenen Nische zu bleiben. Im deutschsprachigen Hiphop ist dabei die Berliner Rapgruppe Tiefbasskommando eines der besten Beispiele dieser Art. Die sechsköpfige Truppe bestehend aus den Rapper*innen Eisberg, Shoki, MC Kneipenkrieger, Don Juan, Double G und dem Produzenten Retado bewegt sich trotz beachtlichen Streamingzahlen, prominenten Features und über 340.000 monatlichen Hörer*innen auf Spotify eher abseits des Mainstreams. Aber wer sind eigentlich Tiefbasskommando?

Sex, Partys, Drogen & Awarenessteams: Das ist Tiefbasskommando

Musikalisch erfindet die stets maskierte Gruppe das Rad eigentlich nicht neu. Der sogenannte USP von Tiefbasskommando ist die Berliner Herkunft der Truppe. Ihre Musik bewegt sich in einer Parallelwelt aus dem Stil der "Asozial Allstars"-Zeit der 102 Boyz gemischt mit den provokanten Texten á la K.I.Z; dazu kommen Beats im Stile der Berliner Raplegende Frauenarzt, mit einem Einfluss von Berliner Techno-Sounds. Thematisch drehen sich ihre Songs hauptsächlich um Drogen, Sex und das Partyleben in 030. Das Motto dabei ist laut Rapper Double G:

"Berlin soll dreckig bleiben, so wie es schon immer war, wie es immer geil war. Entgegengesetzt zu dem Strom schwimmen. Gerade wird alles ein bisschen Schicki Micki sauber so, dem wollen wir auch sehr krass entgegenwirken."

Der Song "Landlord" aus ihrem diesjährigen Album "Retox" ist ein federführendes Beispiel für den Style von TBK.

Überschneidungen mit anderen Rap-Artists aus Deutschland hat es selbstverständlich auch gegeben, sogar noch vor dem ersten gemeinsamen Album "Vol. 1" (2020).  Der Vergleich mit den 102 Boyz kommt nämlich nicht von irgendwoher: Die "Sachschaden EP" entstand im Juli 2020 in Zusammenarbeit mit Kkuba102 und stellt den ersten großen Erfolg von Tiefbasskommando dar: Der Song "Bier auf Bier rein" mit einem Gastpart von Eisberg steht bei gut 2,7 Millionen Streams. Einige Monate später folgte dann das zweite Album "Ekeltape" (2020), das dritte Album "Breakdance auf Scherben" (2022) und im August dieses Jahres die neuste Platte "Retox".

Shoki, Tiefbasskommandos bekanntestes Mitglied

Der bekannteste Teil von Tiefbasskommando dürfte mittlerweile das einzige weibliche Mitglied Shoki sein, welche bisher auch einige Solo-Songs veröffentlicht hat. Ihre feministische, selbstbestimmte Persönlichkeit ist dabei ihr Markenzeichen: Shoki trägt eine lederne Fetischmaske, knappe Klamotten und rappt in ihren Songs regelmäßig über ihre eigenen (vermeintlichen) sexuellen Vorlieben. Auf "Filme" rappt die 28-Jährige beispielsweise darüber, was sie in einer Nacht alles mit ihrem Partner machen möchte. In dem Track "Nachtisch" macht Shoki ihre Absichten jedoch klar: "Schenk mir nicht dein Herz, ich bin die, die es bricht / Lass' uns heute b*msen, nein, verlieb' dich nicht in mich".

Gegenüber der taz hat Shoki den Grund für ihre sexuell aufgeladenen Texte erklärt:

"Männer rappen darüber, wie eine Frau auszusehen hat, dann sage ich eben auch, worauf ich bei Typen stehe."

Den reinen Zahlen nach zu urteilen ist Shoki alleine sogar erfolgreicher als mit Eisberg, Double G und Co.: Ganze 447.000 geben sich Shokis Musik monatlich auf Spotify. Einen großen Anteil werden dabei ihre beiden Featureparts auf Besliks "Pferdeenergie" und dem Ski Aggu-Song "Kappies im Slip" haben. Denn alleine letzterer kommt auf knapp fünf Millionen Streams und hat damit die mit Abstand meisten von einer Nicht-Single aus Ski Aggus Album "Denk mal drüber nach...". Shokis Part wurde sogar kurzzeitig zu einem Phänomen auf TikTok: Stand jetzt (Dezember 2023) wurden schon über 1600 Videos zum Sound von "Kappies im Slip" kreiert. Zudem hat Ski Aggu beim Releasekonzert zu "Denk mal drüber nach..." Shoki bei dem Track mit auf die Bühne geholt.

Damit hat Shoki bewiesen: Ihr Sound und damit auch der Stil von Tiefbasskommando kann auch im Mainstream stattfinden und muss sich nicht im Untergrund verstecken.

Tiefbasskommando: Die Wohlfühloase Anonymität

Aber zurück zur eigentlichen Frage: Wer sind eigentlich Tiefbasskommando? Nun, das ist nicht ganz so einfach zu beantworten. Abgesehen von ihren Künstlernamen bleiben die Mitglieder*innen dank ihrer stetigen Maskierung anonym - und das soll wohl auch so bleiben, nach einer Zeile aus dem Song "Intro 3":

"Unter meiner Maske schwitz' ich, unter meiner Maske werd' ich sterben."

Gegenüber der taz liefert Shoki eine Erklärung für die Masken. Man trage sie, "weil wir Charaktere sind". Dabei gehe es darum, die Privatpersonen hinter den Artists besser von den Kunstfiguren trennen zu können. Bei den teilweise sehr ironischen und übertriebenen Tracks des Kommandos ist das wohl ein nötiger Schutzmechanismus. Denn, wie Produzent Retado im Interview mit der taz ergänzt:

"Wir sind eigentlich nicht die geborenen Rampensäue."

In Bezug auf die provokanten und "asozialen" Stil von Tiefbasskommando bezeichnet Retado, der als Jugendlicher auch Teil einer Punkband gewesen ist, die Gruppe als "Rapversion der Zeichentrickserie 'South Park'". In ihrer Musik gehe es zwar um Provokation, man wolle aber niemanden diskriminieren. Deswegen seien auch schon einige grenzüberschreitende Tracks aus der eigenen Set-Liste geworfen worden, so Retado.

Ein modernes Verständnis für soziale Gerechtigkeit beweist auch, dass auf den Touren von TBK stets ein Awareness-Team zu finden ist. Solche Teams bieten auf Veranstaltungen Unterstützung für Besucher*innen im Falle von Diskriminierung und übergriffigem Verhalten, sind aber noch nicht bei jedem Deutschrap-Konzert zu finden.

Was Tiefbasskommando persönlich angeht, ist das taz-Interview das bisher einzige. Ansonsten zeigt sich die Truppe regelmäßig in Tourvlogs oder in der bisher dreiteiligen eigens produzierten Reality TV-Parodie "Mayhem TV". Dort persiflieren Tiefbasskommando unter anderem Sendungen wie "MTV Cribs", "VIVA Live" und "Mitten im Leben".

Neben den typischen Themen Party, Drogen, Sex und Co. werden Tiefbasskommando aber auch gesellschaftskritisch. Auf dem Song "Rabenvater" setzen sich Eisberg, Double G und der Rest mit dem Thema Erziehung, Sucht, Trauma und Familie auseinander und stellen sich fiktiv als die wahrscheinlich schlechtesten Eltern dar, die man sich vorstellen kann. Was wie ein emotionaler und trauriger Song klingt, wird jedoch wie erwartet mit der TBK typischen Prise Ironie, Übertreibung und Witz gehandhabt. Die Message bleibt jedoch bestehen.

Manch einer mag die Jungs und Mädels von Tierbasskommando als billige Kopie von schon angewandten Trends und Acts aus dem vergangenen Deutschrap-Kosmos betrachten. Kontroversität und Schock-Faktor sind dem deutschen Hiphop schließlich eigentlich nicht neu. Wenn man jedoch genauer hinschaut und -hört erkennt man die Einzigartigkeit, die Tiefbasskommando durch ihren Sound, ihre Themen und ihre Herkunft ausmacht: Sie sind die personifizierte Hyperbel der linken Berliner Atzenkultur.

Kategorie

Groove Attack by Hiphop.de