9 Deutschrap-Newcomer, die du 2024 im Auge behalten musst
PaulK, Saha Saha & Yun Mufasa

Die Deutschrap-Szene war wahrscheinlich noch nie so schnelllebig wie zurzeit. Gefühlt im Wochentakt kommen (und gehen) neue Artists. Dabei stehen manche wirklich am Anfang ihres musikalischen Schaffens, andere sind schon etwas weiter. Wir wollen in diesem Artikel einen Blick auf Letztere werfen und euch Newcomerinnen und Newcomer vorstellen, die in 2024 einiges reißen könnten. Der Begriff Newcomer ist in diesem Fall ganz bewusst dehnbar ausgelegt. Es geht nicht zwangsläufig nur um Leute, die gestern erst mit dem Rappen angefangen haben, sondern auch um die Artists, die noch am Anfang einer potenziell sehr steilen Karriere stehen.

Deutschrap Newcomerinnen & Newcomer 2024

PaulK

Musik macht PaulK schon seit vielen, vielen Jahren. Es sollte aber bis Mitte 2023 dauern, bis er damit das erste Mal an die Öffentlichkeit tritt. Das dürfte auch erklären, wieso seine allererste Single "13. Stock" schon von der ersten Sekunde an so souverän und gekonnt klingt. So, als wäre PaulK seit Jahren fester Teil der Szene – seine künstlerische Vision hatte er zu diesem Zeitpunkt nämlich längst vor Augen. reezys Entscheidung, ihn als zweites Signing bei seinem Teenager Forever-Label aufzunehmen, erscheint vor diesem Hintergrund mehr als nachvollziehbar.

PaulK steht für nachdenklichen und melodischen Rap, der vom Aufwachsen in Bonner Plattenbauten geprägt wurde und ganz ohne plakative Attitüden auskommt. Dabei verlässt er sich auf cleane Beats, die zum Großteil aus Eigenproduktion stammen. Mit "Diamant im Dreck" hat er Ende November bereits sein erstes Solo-Projekt releast. Alles, was seine Kunstfigur ausmacht, bringt er hier in knappen 40 Minuten gut auf den Punkt. Vor dem großen Namen, den sein Labelboss trägt, muss PaulK sich auf keinen Fall verstecken. Pobitenzial ist da!

(Leon Schäfers)

Lil London

Rap und Fashion gehen mittlerweile Hand in Hand – das fleischgewordene Abbild dieser Symbiose ist wohl Newcomer Lil London aka Jonte Klahr oder auch London Lee. Er betitelt sich als Hyperpopper, kommt natürlich aus Berlin, skatet und ist zudem auf den Laufstegen der Welt als Model unterwegs. Dabei arbeitet er für einige der weltweit größten Brands wie Dior, Louis Vuitton und auch für Prada.

“Ich bin der erste Hyperpopper mit ‘nem Prada-Vertrag / Also frag mich bitte nicht, warum ich Prada so mag”

Ganz nach diesem Lifestyle droppte Lil London bisher zwei Tracks: "ss23" und "fw24". Der Bezug zur Fashion-Welt wird auch anhand der Titel der Singles deutlich: Seine Debütsingle, die im Juni 2023 erschien, widmete er der Frühjahr/Sommer-Kollektion, den Track "fw24" der Herbst/Winter-Kollektion 2024. Dabei ging insbesondere Lil Londons zweite Single auf TikTok viral.

Nicht zuletzt hat Ski Aggu vorgemacht, wie erfolgreich man mit Promo über TikTok sein kann. Daher ist es kaum verwunderlich, dass der Berliner Newcomer ohne bisher eine EP, geschweige denn ein Album releast zu haben, mal eben über 95 Tausend monatliche Hörer*innen auf Spotify gesammelt hat. Musikalisch bewegt sich Lil London definitiv irgendwo zwischen Hyperpop und Rap: Mit Synthies, jeder Menge Autotune und Lyrics über die Fashion-Szene wird natürlich nicht gespart. Damit reiht sich der vielversprechende Newcomer nahtlos in den Stil von Yung Hurn oder auch skrt cobain ein. Die Parallelen zu Viko63 sind ebenfalls kaum zu verleugnen.

Eines ist klar: Lil Londons Tracks gehen ins Ohr und bleiben definitiv im Gedächtnis. Was der Newcomer zukünftig an Musik bereithält, ist bisher unklar – aber de facto steht die ss24 vor der Tür.

(Chiara Menner)

Saha Saha

Niemand holt den französischen Sound so authentisch nach Deutschland wie die beiden Jungs von der Saha Saha Clique. Wer das für ein gewagtes Statement hält, sollte sich die - zugegebenermaßen noch recht überschaubare - Diskografie der Offenbacher zu Gemüte führen. Danach kann es eigentlich keine zwei Meinungen geben. Ausgehend vom Look, Sound und sogar dem Verwandtschaftsverhältnis schreibt sich der Vergleich zu PNL quasi von selbst. Und doch schaffen es die beiden Brüder mit ihrer Mischung aus Deutsch, Französisch und Türkisch, eine ganz eigene Identität zu kreieren. Hier wird auf Grammatik oder Satzbau noch eine F*ck gegeben und die Artikel werden gefühlt gewürfelt. Was zählt, ist der Vibe, und der stimmt. Alles in Eigenregie.

Mit "Plaka" ist im vergangenen Jahr das zehn Songs starke Debüt-Projekt der beiden erschienen und hat unter Beweis gestellt, dass Saha Saha nicht nur Single-Künstler sind, sondern auch auf Albumlänge abliefern können. Es scheint also wirklich so, als wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis ganz Deutschland den Film peilt. Und wenn dann alle so machen, vergesst nicht, einen Dank bei Saha Saha dazulassen. Denn, "für den Style, Habib, trag' ich 'ne Lizenz".

(Till Hesterbrink)

Yun Mufasa

Bereits 2020 schrieb Yun Mufasa in einer Instagram-Caption, er sei "Das was Deutschland fehlt" – und damit lag er gar nicht mal so falsch. Zugegeben: Ein Rapper, der schon über 4 Jahre aktiv ist, ist zwar kein Newcomer per se. Da Yun Mufasa aber in den letzten Jahren eine Pause eingelegt hatte, ist er aktuell erst wieder richtig dabei, sich aufzubauen. Und somit auf gewisse Weise immer noch in seiner Anfangsphase.

Aber genug dazu. Wieso ist Yun Mufasa denn das, "was Deutschland fehlt"? Ganz einfach. Der Rapper verbindet Gesang, Melodie und Rap mit einem nostalgischen Vibe, den es so in der Deutschrap-Landschaft noch zu etablieren gilt. Seine meist romantischen Singles lehnen sich inhaltlich zwar an alte R'n'B-Songs, soundtechnisch erinnert seine Musik aber an die neue Welle an Rap-Stars aus den USA wie Gunna oder Lil Baby.

Dabei sorgt Yun Mufasa stets dafür, einen eigenen Sound zu wahren. Seine englischen Intros und Hooks gehen perfekt in die deutschen Parts über und dank Ohrwurm-Melodie bleiben seine Songs eigentlich immer im Kopf hängen. Der Sound ist jung, frisch und zugänglich für jeden, der Bock auf smoothen Hiphop hat. Und obwohl der Rapper noch recht jung ist, hat er sich in den letzten Jahren eine beträchtliche Liste an versteckten Ohrwürmern und Gems aufbauen können. Unter anderem seine neue Single "Moia":

(Alina Amin)

Sosa Kriminell

Rauer Straßenrap? Authentische Stories? Lines, die nach vorne gehen? Die Antwort auf all das ist der Wuppertaler Newcomer Sosa Kriminell. Zugegeben, der Artist releast schon seit 2020 Musik – allerdings haben ein Jahr Haft und weitere vereinzelte Pausen dafür gesorgt, dass er sich in den letzten Jahren immer Mal wieder zwangsweise aus der Szene zurückziehen musste. Das hat dem jungen Rapper aber keinen Schaden getan. Ist Sosa Kriminell nicht anderweitig verhindert, ist er nämlich immer fleißig am Singles und Alben ballern. Und diese sind allesamt Banger.

Egal ob sein Debütalbum "Mutu Rouge", das Album "Free Sosa K" oder das neueste Release "Mutu Rouge 2" – sie alle liefern eine junge Mischung an aggressiven Texten und düsterem Sound. Dabei bleibt Sosa Kriminell stets er selbst; Seine Geschichten sind echt und unverblümt.

Das kommt übrigens nicht nur gut bei seinen Fans an, sondern auch bei anderen Acts aus der Szene: So konnte er unter anderem schon mit den Jungs von X Wave, Kasimir1441, negatiiv OG und weiteren etablierten Namen zusammenarbeiten.

(Alina Amin)

Bouncy

Für besonders abwechslungsreichen Sound straight outta Österreich sorgt Bouncy. Noch keine zwei Jahre ist der Wiener Newcomer im Rap-Game aktiv, dennoch hat er in dieser kurzen Zeit eine mehr als beachtliche Entwicklung durchlebt. Was anfangs harte Drill-Tracks wie "Abella Danger" oder "Tracy" waren, wurde mittlerweile durch deutlich melodischere und experimentellere Klänge ersetzt. Entsprechend kurzweilig und vielseitig gestaltet sich seine jüngste EP "ILDB" – was als Abkürzung für "Ich liebe dir Bouncy" zu verstehen ist. "Wohnzimmer", "Rooney" und "Sinner (wie immer)", seine drei neuesten Singles seit EP-Release, driften wiederum in einen zeitgemäßen Rage-Sound ab. Ist man aus den Staaten bereits gewohnt, ist im deutschsprachigen Raum aber noch nicht allzu verbreitet.

Wird Bouncy 2024 also schon die nächste Wave reiten? Denkbar wäre es. Was dabei fest steht: Eine unverkennbare Handschrift wird seine Musik immer tragen, ganz egal, in welches Genre man sie zwängen will.

(Leon Schäfers)

Hanna Noir

Sie betritt die Bühne stets mit einer weißen Strick-Sturmmaske sowie eisblauen Kontaktlinsen und mischt eine ordentliche Portion Drum'n'Bass in die Deutschrap-Untergrund-Szene: Hanna Noir. Seit ihrem Debüt im Jahr 2021 releaste die Hamburger Newcomerin bisher zwei EPs sowie zahlreiche Singles. Das Gesicht der 27-Jährigen bleibt dabei immerzu von der weißen Sturmmaske verhüllt, und das nicht grundlos. Die Künstlerin möchte ihre Musik für sich sprechen lassen und nicht – wie leider so oft im Deutschrap – auf ihr Äußeres reduziert werden. Ganz nach diesem Motto sind Hanna Noirs Texte nicht belanglos, sondern politisch. In jedem Track schwingen feministische Anspielungen mit, die subtil in die energiegeladenen Stücke eingebunden sind:

"Sag mir nicht/ Es ist leicht eine Frau zu sein/ Schlüssel in der Faust/ Ich geh' nach nachhaus' allein"

Dabei erinnert Hanna Noir musikalisch an eine Mischung aus Baby Bens und Paula Hartmann: Ihre Texte mit Message auf den UK-Garage- und Drum'n'Bass-Beats mit jeder Menge Autotune sorgen für einen unverwechselbaren Sound. Zuletzt veröffentlichte sie ihre Single "Lächerlich Gut":

Auf einen Label-Deal hat die Newcomerin keinen Bock – stattdessen kümmert sie sich lieber selbst um die Vermarktung ihrer Musik und bleibt  independent. Und auch die ersten Bühnen hat Hanna Noir bereits unsicher gemacht: Im vergangenen Jahr spielte sie unter anderem auf dem Spektrum-Festival in ihrer Heimatstadt.

(Chiara Menner)

Teleshop

Bei den Jungs von Teleshop gibt es gleich die doppelte Ladung Newcomer. Das Rap-Duo aus Berlin verbindet in ihrer Musik Autotune, hohe BPM und chillige Techno- und Trance-Einflüsse mit Deutschrap. Eigentlich eine Erfolgsformel der modernen Deutschrap-Szene. Der Sound von Teleshop lässt sich jedoch mit zwei Worten perfekt beschreiben: pure Vibes. Das beste Beispiel dafür ist der im September 2023 erschienene Song "Nochmal". Gemütlich, vibey, aber trotzdem upbeat und partytauglich. Dass das Ganze nicht nur im Sommer funktioniert, beweisen Teleshop mit ihrer neuesten Single "Radar", in der sie den kalten Winter besingen.

Wenn man über Teleshop redet, muss auch der Name DJ Heartstring fallen. Das Rap-Duo arbeitet regelmäßig mit dem Techno-Produzenten-Duo zusammen. Die sind dabei kein Unbekannter in der Szene: DJ Heartstring haben unter anderem schon für Longus Mongus sowie Domiziana produziert und waren für den Sound des Ski Aggu-Hits "Maximum Rizz" verantwortlich. Teleshop haben zusammen mit dem Produzentenduo schon 2022 schon eine gemeinsame EP veröffentlicht. Die drei Singles aus 2023 wurden allesamt von dem DJ Heartstring produziert.

Die Qualität-über-Quantität-Mentalität von Teleshops Releases hat sich ausgezahlt, und sie haben es bereits geschafft, bei den Hiphop.de-Awards 2023 eine Nominierung abzugreifen. Dennoch sollte man auch 2024 ein Auge auf das Duo haben, denn auf Instagram versprechen Teleshop für dieses Jahr "mehr Musik". Wenn sie dieses Versprechen und ihre Qualitätsstandards halten, werden Teleshop mit hoher Wahrscheinlichkeit den Electro-Rap-Sound von 2024 prägen.

(Michael Ebenger)

Kayyya

Newcomer Kayyya ist sowas von Gen-Z: In seinen Tracks werden allseits bekannte Meme-Audios verarbeitet und er selbst hat sich zum Erfinder des "Bierrap" ernannt. Dieser Titel kommt nicht von ungefähr, denn in nahezu allen Tracks des 25-Jährigen findet das deutsche Kulturgut seinen Platz. Auch sein meistgestreamter Song auf Spotify “Gegärtes”, auf dem Aanes und Lil Lyokha am Start sind, widmet sich dem Bier:

Kayyya kommt aus Gütersloh und bezeichnet sich selbst als "Kaffkind", in seiner Musik gilt: NRW represent. Im Jahr 2022 releaste er seine ersten Singles. Mittlerweile hat Kayyya über 15 Tausend monatliche Hörer*innen auf Spotify für sich gewonnen. Kaum verwunderlich, denn der Newcomer trifft mit seiner Musik den aktuellen Zeitgeist. Es geht um TikTok-Trends, als Single-Cover dienen meist trashige Collagen und mit seinen Lyrics zelebriert Kayyya den hedonistischen Party-Lifestyle. Hierfür werden auch mal Samples von 2000er-Hits wie "Blue" von Eiffel 65 ausgepackt.

Mit seinem Track “Elotranz”, der sich dem angeblichen Heilmittel gegen Kater widmet, erreichte der Gütersloher sogar die Aufmerksamkeit der Streamer unsympathischTV und Montana Black.

Musikalisch erinnert Kayyya durchaus an die 102 Boys – jedoch liefert der vielversprechende Newcomer mehr als nur "Bierrap". Mit seinen neuesten Releases zeigt der Rapper, wie vielseitig er ist. Auf "Panik" beweist Kayyya Tiefgang und bringt deepe und selbstkritische Lyrics auf einen Post-Punk-Beat. Und wir können uns freuen: Dieses Jahr soll Kayyyas erstes Solo-Tape das Licht der Welt erblicken.

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