Graffiti-Aktivist Kidult ist für seine provokante Auseinandersetzung mit Luxus-Marken bekannt. Es ist fast sein Markenzeichen geworden, dass er sich Stores von High Fashion Brands vornimmt – auch ein Pop-Up-Shop von Kanye West geriet bereits in sein Visier. Dieses Mal hat er sich den Flagship Store von Balenciaga in Paris vorgeknöpft. Der Künstler wünscht um die Weihnachtszeit eine "Fröhliche Krise".
Kidult macht es für die Kultur
Kidult ist schon häufig als Gegner des modernen Kapitalismus aufgetreten. So ist es auch bei seinem neuesten Werk, das so etwas wie die Antithese zur konsumfreudigen Weihnachtszeit liefert. Laut seines Hashtags möchte er die Welt erzittern lassen. Außerdem wirbt der Künstler für mehr "Menschlichkeit und Transparenz" – Werte, auf die sich wahrscheinlich jeder einigen kann.
"Wünsche der Welt eine fröhliche Krise. Mehr Transparenz und Menschlichkeit. Weniger Heuchelei und Ignoranz."
Der selbsternannte "Visual Dictator" hat sich dem Kampf gegen die umgreifende Kommerzialisierung verschrieben. Den Kunstsektor lässt er nicht aus. Dabei weist er häufig daraufhin, dass er selbst Graffiti mache. Auch bei seinem aktuellen Werk stellt er ironisch die Frage an Balenciaga, ob man denn Graffiti möge.
Der Künstler selbst liefert Anzeichen dafür, dass es sich bei seiner Aktion um eine Retourkutsche handelt. In seinem Instagram-Post zur Tat liefert Kidult das Bild einer Balanciaga-Handtasche, die seinen Graffiti-Style zum Kaufargument macht.
Es wirkt so, als möchte der Writer hervorheben, dass er die Graffiti-Kultur nicht ohne Widerstand dem Kapitalismus überlassen werde. Solche Aneignungen einer Kultur, die sich vor allem als unangepasst begreift, stießen Kidult schon mehrfach übel auf. Diesen Standpunkt bekräftigte er beispielsweise Ende 2017, als er eine Boutique des deutschen Designers Philippe Plein einen Besuch abstattete – auch um sich und seine Ausdrucksform von anderen Streetart-Artists abzugrenzen:
Geld = Religion: Graffiti auf Pariser Luxus-Store steht für einen Krieg der Welten
Der Rapkosmos ist hin- und hergerissen zwischen dem Abfeiern überteuerter Luxusartikel von Designern und der Kritik am kapitalistischen Exzess. Graffiti und Street Art existieren 2017 längst im gleichen Spannungsfeld, wie ein neues Werk von Kidult in Paris besonders deutlich zeigt.Der Writer hat an der Fassade der Boutique des deutschen Designers Philipp Plein einen Monopoly-Mann angebracht, der dicke und giftgrüne Dollarzeichen mitten auf die Fenster pinkelt.
Kidult mit Balenciaga-Marketing
Die Botschaft auf dem Balenciaga Store mag zwar eindeutig sein, aber es wäre gut möglich, dass Kidult mit seinem Akt keineswegs dazu beträgt, das Krisenbewusstsein der Menschheit zu schärfen. Er könnte genau das Gegenteil erreichen. Wenn über sein Handeln gesprochen wird (wie auch in diesem Artikel), geht das immer mit der Erwähnung von Balenciaga einher. Ohne das Label lässt sich nicht erzählen, was Kidult getan hat – sei die Message im Kern noch so antikapitalistisch.
Gerade weil Balenciaga-Designer schon mehrfach auf Graffiti zurückgegriffen haben, ist Kidults "Merry Crisis"-Gruß mit dem Modeunternehmen und seiner Ausrichtung gut vereinbar. In der Marketing-Abteilung sieht sich wohl niemand dazu veranlasst, Kidult zu verfluchen. Darüber hinaus ist der Franzose durch seine Aktionen natürlich auch selbst längst zu einer Art Marke geworden. Die Antihaltung mag ihn antreiben, doch sein Dagegensein ist bereits Teil des Kunstbetriebs. Wo er seine Spuren hinterlässt, trägt er automatisch zu einer Aufwertung bei. Der Marke Balenciaga dürfte die Publiticy und die direkte Verbindung zur Graffiti-Kultur nicht ungelegen kommen.
Designer Marc Jacobs machte 2013 aus Kidults Kapitalismuskritik relativ einfaches Geld. Er ließ ein Foto seines besprühten New Yorker Stores auf T-Shirts drucken. Die Pieces konnte man dann signiert im besagten Geschäft kaufen – für fast 700 Dollar pro Stück.
Marc Jacobs on Twitter
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