Haiyti im Interview über Songtexte, ihr Twitter-Game & den Musikautor*innenpreis

Am 30. März 2023 wird die GEMA den Deutschen Musikautor*innenpreis verleihen. Zum mittlerweile 14. Mal sollen hiermit Kompositionen und Songtexte von kreativen Köpfen geehrt werden, die sich nicht nur durch künstlerische Qualität, sondern auch durch "Innovation und Individualität sowie eine [...] internationale Handschrift" auszeichnen. Eine der insgesamt zehn (jährlich wechselnden) Preiskategorien: "Text Hiphop". Als Expertin für diese Rubrik bereichert Haiyti in diesem Jahr die Jury. 2021 hatte sie eben diesen Preis für ihre Texte noch selbst entgegengenommen.

Aus diesem Anlass haben wir uns mit ihr zum Interview verabredet und sind ausgehend von ihrer Jury-Arbeit auf ihre eigenen Texte, die sozialen Medien und die Musikindustrie zu sprechen gekommen.

Haiyti im Interview mit Hiphop.de: Der Deutsche Musikautor*innenpreis 2023

Leon: Fangen wir doch erstmal mit dem Offensichtlichen an: Du sitzt in diesem Jahr in der Jury des Musikautor*innenpreises der GEMA. Erklär' uns doch mal bitte kurz, wie deine Aufgabe als Jurymitglied dort aussieht.

Haiyti: Ich habe im Jahr 2020 den Preis gewonnen in der Kategorie "Text Hiphop". Nun bin ich für die Jury angefragt worden. Das habe ich gerne gemacht, weil ich hab' ja zu allem 'ne Meinung. Wenn du in der Jury sitzt, geht es aber nicht nur um Hiphop. Das sind immer verschiedene Kategorien und du kannst deinen Senf dazugeben in den Bereichen Klassik, Weltmusik, Liedermacher oder Pop. Dadurch, dass ich auch Popmusik mache, war das für mich sehr interessant. Wir haben viel diskutiert: Was ist eigentlich Pop? Was macht einen Hiphop-Text aus? Das war für mich spannend und ich denke, ich konnte da meine Meinung gut einbringen. Da kannst du auch weitere Leute empfehlen, die nächstes Jahr in der Jury sitzen sollen. Es geht ja auch zum Beispiel ums Lebenswerk. Das habe ich sehr ernst genommen. 

Die Frage ist nur: Wie relevant ist die GEMA? Wir Musiker leben unter anderem von der GEMA. Ich würde zum Beispiel auch gerne für andere Leute schreiben. Aber das muss man sich selbst organisieren, da kommt jetzt keiner wegen diesem Preis auf dich zu. Ich habe einige Preise gewonnen – nur was ich noch nicht gewonnen habe, ist Deutschland auf meiner Seite.

L: Als du selbst den GEMA-Preis gewonnen hattest, wurden deine Texte beschrieben als Mix zwischen „Punk und Pöbelei, zwischen swagged out Bling, Street Cred und gleichzeitig Kapitalismuskritik“. Auf jeden Fall eine wilde Beschreibung!

H: (lacht) Ja, Kapitalismuskritik… ja, manchmal. Manchmal bricht das ein, aber sonst pöbel‘ ich genau dasselbe wie die anderen Rapper. Geht ja immer um dasselbe, ne?

L: Fühlt man sich nicht trotzdem besonders wertgeschätzt, wenn sich jemand so tief mit der eigenen Kunst auseinandersetzt? Gerade im Vergleich zu anderen Preisen wie dem damals ziemlich kommerzorientierten ECHO? [Den hatte sie 2018 in der Kategorie "Kritikerpreis national" gewonnen, Anm.d.Red.]

H: Bei dem ECHO, da hab' ich ja noch gar nicht nachgedacht. Ich check' halt jetzt erst, dass Musik und Musikindustrie wirklich zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Dafür hab' ich jetzt lange gebraucht. Ich bin halt kein Mensch, der da so gut mitspielen kann. Und damals beim ECHO war ich noch ganz überrascht. Ich hatte 'n 10€-Outfit an und war noch nicht mal geschminkt. Dann hab' ich den Preis gewonnen, war ganz doll aufgeregt und hab' gesagt: „An alle Kritiker: Ich werde mich bessern"! Da der Echo ziemlich sperrig war, habe ich ihn bei der Garderobe abgegeben und hatte am Ende Probleme, ihn wiederzubekommen.

Ich hab' mich schon gefreut, aber der GEMA-Preis, das hat sich 'n bisschen echter angefühlt, den hab' ich mir richtig erarbeitet, das ist sowas Stetiges. Das eine war einfach überraschend, wie so ein Glücksmoment. Aber der Musikautor*innenpreis ein Ausatmer.

L: Dieses Jahr sind Takt32, Jace und Fabian Römer in der Kategorie "Text Hiphop" nominiert. Magst du uns da etwas zu den Beweggründen für die Nominierungen verraten?

H: Wir waren sieben Leute und jeder hatte eine Stimme. Und jeder konnte null bis fünf Punkte verteilen. Wenn du willst, dass jemand gewinnt, gibst du deine fünf Punkte dahin. Deswegen hab' ich das gar nicht alleine entschieden, sondern wir als Jury gemeinsam. Ich habe Jace vorgeschlagen und, ich glaube, Trettmann hatte ich auch noch vorgeschlagen. Aber der ist rausgeflogen, weil das Pop war.

Blumentopf, but make it Gangster: Haiyti übers Texten & Twittern

L: Du hast mal gesagt, dass du in deinem Leben schon über 1000 Texte geschrieben hast. Gib' uns bitte mal einen Einblick in deinen Schreibprozess.

H: Naja, also ich hab' zwei, drei Laptops. Die sind voll, ich geh' auch schlampig damit um. Vor mir ist ein unaufgeräumter Schreibtisch, hier zeichne ich auch meine Cover vor. Und hier ist 'n Text. Siehst du, da wusst' ich nicht mal, dass der existiert!

L: Also ist das ein sehr chaotischer Prozess bei dir, um’s mal so zu sagen.

H: Also hier kann ich auf jeden Fall meine Schrift nicht lesen. Mit der Zeit verlernt man eben Lesen und Schreiben. Jetzt mach' ich mein Text-Edit auf. Genau, hier steht was, das hab ich gestern aufgeschrieben. Das sind immer nur einzelne Sätze: „Ich bin schon mal durch die Hölle gegangen und ich werde es nicht nochmal tun“. So, das ist jetzt einfach nur ein Gedanke und daraus könnte dann 'ne Geschichte entstehen. Und das kommt einfach durch den Tag, manchmal muss man sich auch langweilen. Ich schreib' halt immer nur im Studio. Dann geht 'n Beat los, dann guck' ich in mein Handy und guck', welches Thema auf den Beat passt.

L: Wenn man sich deinen Twitter-Account anguckt, sind da auch sehr viele out-of-context-Tweets aneinandergereiht. Sehe ich da eine Parallele?

H: Mein Twitter-Game hat nix mit meinen Texten zu tun. Das ist was Seelisches.

L: Was Seelisches?

H: Ja, das ist aus'm Leben. Was steht denn da noch so? Ich hab' gerade den Überblick verloren. Gerade bin ich ganz viel auf TikTok. Hier, mein bester Spruch auf Twitter ist immer noch:

L: Gestern hattest du auch noch einen witzigen Tweet rausgehauen, Zitat: "wie schreibt man campanje".

H: Ja, das war so witzig, weil ich bin so ein Kampagnenmensch. Ich bin halt so hängengeblieben, ich will immer noch Alben machen und habe dabei gerne alles unter Kontrolle. Eine Kampagnenfarbe, eine Kampagnenschrift, einen Kampagnen-Nosegrill, der wiederum zur Schrift passt. Ich liebe es, konzeptionell zu arbeiten. Da bin ich ziemlich nerdig. Ich hab auch 'n Team, aber zeichne meinem Grafiker alles vor. Also eigentlich ist mein Beruf Creative Director für Hayati Records (lacht). Ich mach' also die ganze Zeit Kampagnen, weiß aber nicht, wie Kampagne geschrieben wird. Deswegen fand ich's lustig.

L: Ich hab mir mal einen Podcast von dir angehört, da hast du gesagt, du hast deine Affinität für Texte entdeckt, weil du schon in der Schule so gut Gedichte auswendig lernen konntest.

H: : Ja, zum Beispiel „Mietegäste vier im Haus, hat die alte Buche“.

L: Ein weiter Weg von dort bis zu deinen heutigen Rap-Texten. Hast du dich von Anfang an in deiner Schreibkarriere auf Rap fokussiert oder ist an uns eine Haiyti der klassischen Poesie verloren gegangen?

H: Hm, darüber hab' ich noch gar nicht nachgedacht.

L: Na, wie sahen denn deine allerersten Texte aus?

H: Meine ersten Texte… das war in so 'ner alten Manier geschrieben, so wie früher Blumentopf geschrieben hat. Zum Beispiel haben die [einer von Haiytis alten Texten, Anm.d.Red.] einen Krieg beschrieben  und eigentlich war nur 'ne Mücke im Raum. Das war so ganz doll gereimt, dass dieses Piepsen näher kommt und es geht eigentlich nur um 'ne Mücke, die mich nicht einschlafen lässt. Das war so Gangster-Blumentopf-Style.

Und dann ging es halt in Richtung Horrorcore / Dirty South. Das hab ich recordet, aber die Aufnahmen sind nicht online. Doubletime-Höllenrap: So hab' ich angefangen!

L: Und auf welchen Songtext bist du nach all der Zeit bis heute besonders stolz?

Vielleicht „Sunny Driveby“. Und „ghostmane“, der ist geil geworden. So will ich es eigentlich immer, das ist genau mein Image, dieser Avantgarde-Geister-Style. So seh' ich mich, aber ich krieg’s nicht immer hin.

"International hätte ich wahrscheinlich bessere Chancen": Über den Erfolg im Musikbusiness

Im Anschluss haben wir uns noch über das "perfekte Erfolgsrezept" in der Musikindustrie unterhalten. Gibt es das überhaupt? Haiyti schließt das jedenfalls nicht aus. Neben großen Portionen Glück und Können gibt es aber noch eine andere Komponente, die ihrer Meinung nach mit Erfolg zusammenhängt.

H: Meine neue Single ["Tausendmal", Anm.d.Red.] wäre, glaube ich, in anderen Ländern größer.

L: Wo zum Beispiel? In Frankreich?

H: Überall. Oder England. International hätte ich wahrscheinlich bessere Chancen, in Deutschland musst du aufpassen mit den Texten, dann musst du aufpassen, was du für ein Typ bist. Das ist auf jeden Fall ein Hit, nur hier ist das zu nischig. Und eigentlich ist es gar kein Nischen-Hit. Es ist ein moderner Trance-Song.

L: Heutzutage werden teilweise auch Songs gemacht, damit sie gut als TikTok-Sound funktionieren. Es ist krass, was für einen Einfluss das auf die Industrie hat.

H: Ja, aber ich glaube, das bleibt nicht mehr lange so. Meine Freunde sagen: Die Bubble wird bald platzen. Oder es wird noch schlimmer. Wenn's platzt, ist wieder ein bisschen mehr Platz für die echten Artists da. Oder die, die es richtig wollen oder schon lange dabei sind und Durchhaltevermögen haben. Und wenn's noch schlimmer wird, dann... dann weiß ich nicht. (lacht) Mir bringen sogar TikToks Spaß, ich kann nur nicht die Mainstream-Sprache. Muss ich vielleicht nochmal lernen. Darf ich jetzt was twittern: „Wer bringt mir die Sprache Mainstream bei“?

L: Ach, so entsteht das also bei dir? (lacht)

H: Sooo! So entsteht es.

L: Einfach was einem so in den Kopf kommt, verstehe. Um nochmal auf den Anfang zu sprechen zu kommen: Am 30. März wird die Preisverleihung von dem Musikautor*innenpreis der GEMA stattfinden. Mit Blick auf die Zukunft: Könntest du dir nochmal vorstellen, Teil dieser (oder einer anderen) Jury zu sein? Oder fokussierst du dich lieber auf eigene Musik?

H: Nö, ich mach' das gerne. Mir bringt alles Spaß. Die große Kritik war nur, dass wir zu wenig Zeit hatten in München. Wir hätten ein bis zwei Tage mehr gebraucht, um die ganzen Diskussionen zu führen. Das war schon hart, also es ging immer richtig früh los und dann mussten wir um 16 Uhr ganz schnell alle mit so 'nem Gruppentaxi zum Zug von München nach Berlin. (lacht) Dann kamen wir um Mitternacht an. Aber ansonsten war das super! Echt im Restaurant essen, das Hotel war cool und der Ort an sich schön. Das war so ein Schloss.

Ein Schloss, in dem die siebenköpfige Jury also in einen breiten musikalischen wie kulturellen Diskurs gekommen ist. Die vollständige Liste aller Nominierten in den einzelnen Kategorien findest du hier. Wer die Preise für sich gewinnen wird, erfahren wir schon ganz bald, wenn der Preis zum Monatsende im Berliner Ritz-Carlton Hotel verliehen wird. Interessierte können sich das Event als Livestream auf den Social Media-Kanälen der GEMA anschauen. Wir danken Haiyti für das Interview!

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