Angst, Depressionen, Trauer: 6 Deutschrap-Songs über Mental Health
Tua

Sucht, Depressionen, Angst und mehr: Psychische Krankheiten sind laut der Stiftung Gesundheitswissen inzwischen der dritthäufigste Krankheitsgrund in Deutschland. Trotz dessen ist Mental Health in unserer Gesellschaft immer noch zum Teil stigmatisiert und tabuisiert. Da der Monat Mai der internationale Mental Health Awareness Month ist, präsentieren wir euch sechs Deutschrap-Tracks, die verschiedene Bereiche der psychischen Gesundheit thematisieren.

Haftbefehl, Paula Hartmann, Tua & mehr: Deutschrap-Tracks über Mental Health

Haftbefehl ft. Capo – Depression & Schmerz

Haftbefehl feierte 2020 nach fünf Jahren Abstinenz mit "Weisses Album" sein Solo-Comeback. Dort präsentierte sich der Azzlackz-Chef teilweise noch persönlicher, als auf vergangenen Werken. So auch auf dem Track "Depression & Schmerz" zusammen mit Capo. Die beiden Brüder rappen hier über die Gründe, warum ihre "toten Herzen" schon länger nicht mehr schlagen. "Depression & Schmerz" ist eine Abhandlung darüber, welche persönlichen und psychischen Folgen das Leben in Armut und Kriminalität haben kann.

"Warum kommst du und fragst, woher der Grund kommt? / Alles ungewollt, guck in meine Augen und du siehst die Unschuld"

Haftbefehl und Capo veranschaulichen den inneren Konflikt, der in ihnen vorgeht. Denn selbst mit dem kommerziellen Erfolg hören "Depression & Schmerz" nicht auf, das Leben von Hafti & Capo zu bestimmen. Der knallharte Stilwechsel Haftbefehls von harten zu weichen Vocals und der melancholische Beat von Bazzazian verleihen dem Track den Nachdruck, den das Thema verdient.

David Asphalt – Meine kleine Dunkelheit

An Depressionen zu leiden, ist auch im Jahr 2024 noch häufig mit Vorurteilen behaftet. Oft heißt es beispielsweise, eine Depression sei "keine echte Krankheit" und man solle einfach "nicht mehr traurig sein" oder "mehr Sport machen". Die Liste an Stigmata zu Depressionen ist lang. Der Rapper David Asphalt hat deswegen kürzlich den Track "Meine kleine Dunkelheit" gedroppt. Dort stellt er Ressentiments über Depressionen mit seinen eigenen Erfahrungen zur Krankheit gegenüber. Im Interview mit t-online spricht David Asphalt darüber, was diese eigentlich gut gemeinten Tipps mit Menschen mit Depressionen machen können:

"Wenn man an Depressionen erkrankt, kann man sich von diesen Tipps schnell verarscht fühlen. Menschen mit Depressionen sind nicht einfach nur schlecht gelaunt: Das muss in der Gesellschaft ankommen. Sie leiden unter einer ernstzunehmenden Krankheit."

Der größte Wunsch von David Asphalt: Man solle an die Behandlung von psychische Krankheiten genauso rigoros rangehen, wie bei "richtigen" Leiden wie Grippe und Co. Dafür müsse aber erst das Verständnis für Probleme rund um Mental Health besser werden.

Olexesh – Juanas

"'Morgen hör' ich auf', wie oft hab ich das schon gesagt?" 385ideals very own Olexesh hat sich auf seinem 2015 erschienenen Song "Juanas" mit einem Aspekt seiner eigenen mentalen Gesundheit auseinandergesetzt: Sucht. OL rappt ironisch und selbstkritisch über seine Abhängigkeit zu Gras und den Folgen, die eine Abhängigkeit mit sich bringt. Einsamkeit, Entzugserscheinungen und Hoffnungslosigkeit begleiten Olexesh. Doch jeder Versuch, den Konsum einzustellen, scheitert an Olex selbst und an seinem Umfeld:

"Ich hab'n dickes Problem und hab niemanden zum Reden / Und deswegen muss ich mir ständig einen drehen / Wie soll man aufhören, wenn's überall auf Kombi geht?"

Paula Hartmann – Candy Crush

Auf Paula Hartmanns letztjährigem Hit "Candy Crush" spricht die Hamburger Sängerin einer ganzen Generation aus der Seele. "Niemand glaubt mehr, wir verändern was", also wozu dann noch versuchen? Paula Hartmann setzt sich lyrisch mit einem allgemeinen Gefühl der "Hoffnungslosigkeit" und Verzweiflung auseinander, wie sie unter anderem in Interviews mit 1Live und Aria Nejati bestätigt. Auch wenn "Candy Crush" laut ihr kein "Drogensong" sein soll, thematisiert Paula Hartmann dort auch den Konsum von Rauschmitteln: Die "kleine Feuer"-Künstlerin rappt von dem Betäubungsmittel Propofol, Angel Dust und dem Club 27.

Vermehrter Konsum von harten Drogen lässt sich auch im realen Leben feststellen: Die Vereinten Nationen sprechen 2023 von einem Viertel mehr Drogenkonsumenten als noch Anfang der 2010er. Laut dem europäischen Drogenbericht 2023 stieg im vergangenen Jahr vor allem der Konsum von Kokain, MDMA und Ketamin innerhalb der EU an. Gleichzeitig sind 2022 laut dem BKA die Anzahl der Drogentoten in Deutschland um neun Prozent gestiegen. 

Kummer ft. Max Raabe – Der Rest meines Lebens

Apropos Club 27: Den hatte Kraftklub-Frontmann Felix Brummer schon 2019 "ziemlich klar verpasst". Als Kummer hat er sich auf dem Track "Der Rest meines Lebens" aus seinem Soloprojekt "Kiox" mit dem Älterwerden beschäftigt: Es geht um die Angst vor dem eigenen Langweilig-werden und den dazugehörigen Stress, dass die "beste Phase meines Lebens" schon vorbei ist. Plötzlich dreht sich Kummers Leben nicht mehr um die nächsten Party- und Saufabende mit der Crew, sondern um früh schlafen gehen, Sonntagsbrunch und "Kassenbons statt Plastikbongs". 

Der deutsche Bariton-Sänger Max Raabe kontrastiert den Track mit einem dazu passenden Refrain in seinem typischen Chanson-Stil der 1920er-Jahre und stellt sich die Frage: Hat man gut genug gelebt?

"Irgendwann ist es zu spät / Um zu früh draufzugeh'n / Irgendwann bin ich zu alt / Zu alt, um jung zu sterben / Doch ich hab's versucht / Ich hab' es wirklich versucht / Wirklich versucht, glaub mir / Ich-Ich hab's versucht / Doch vielleicht nicht gut genug"

Mit dieser Furcht ist Kummer bei weitem nicht allein: Laut dem Meinungsforschungsinstitut Ipsos haben mehr als jeder zweite deutsche Bürger*innen Angst vor dem Älterwerden.

Tua – Vater

Auch Tua beschäftigt sich auf seinem 2019 erschienenen hochemotionalen Track "Vater" mit einem Aspekt des Älterwerdens: Verlust. "Für alle, bei denen jemand fehlt", beschreibt das Orsons-Mitglied den Song in der Beschreibung des Musikvideos. Tua rappt hier mehr als vier Minuten explizit über das Sterben seines Vaters und seine eigene, komplizierte Gefühlslage: Was wollte man noch zusammen machen und kann es jetzt nicht mehr? Wofür ist es zu spät? Was will oder kann man überhaupt sagen, wenn der eigene geliebte Mensch leidet?

"Ich weiß, er will sterben, sobald es nur geht / Ich hasse mich dafür, doch will es auch, wenn ich ihn daliegen seh'"

Was nach dem Tod seines Vaters bleibt, beschreibt Tua mit gemischten Gefühlen: Er sei dankbar für das Leben mit seinem Vater und weiß, dass es so "besser für ihn" sei. Aber der Fakt, dass er "für immer weg ist", hinterlässt eine Leere in Tuas Herzen:

"Ich sitze die Zeit tot, bis sie dort ist, wo er ist / fromme Worte füllen keinen Platz, der leer ist"

Wenn du oder jemand aus deinem Umfeld an psychischen Krankheiten leidet oder in einem Krisenmoment steckt, wende dich bitte an:

TelefonSeelsorge: 0800 1110111 oder 0800 1110222 (anonym und 24 Stunden erreichbar)

Info-Telefon Depression: 0800 3344533

Kassenärztlicher Notdienst/Terminservicestelle: 116117

Suchtberatung Deutsches Rotes Kreuz

Bundesweites Sorgentelefon des DRK: 06062 60767

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