Grenzenlose Macht für Hauptschulabbrecher (Review)
Grenzenlose Macht für Hauptschulabbrecher

"Das beste Buch dass ich je gelesen habe – und ich kann nicht lesen", steht auf der Rückseite von Ego Trip's Book of Rap Lists, hätte aber aber auch auf Grenzenlose Macht für Hauptschulabbrecher abgebildet sein können. Fortbildung für Menschen, die nie mehr als fünf Minuten Zeit haben, weil dann die nächste Facebook-Benachrichtigung kommt. Entsprechend lautet der erste Satz des Buches: "Schön, dass Sie es soweit geschafft haben."

David Asphalt kennt man bislang als Rapper, zum Beispiel an der Seite von Chakuza. Um Rap geht es in seinem ersten Buch nicht, einige Tipps helfen aber auch bei der Musik-Karriere ("Investieren Sie in Anabolika. Dicke Arme sind wichtig. […] Ein dickes Auto ist wichtig. Die Sixt-Autovermietung ist dein Freund!"). Es geht um Macht. In erster Linie werden dazu Kriminalität, Politik oder Religion als Betätigungsfelder vorgeschlagen:

"Seien wir ehrlich: Religion ist für Idioten. Gott ist gut, aber Religionen wurden nur gemacht, um sie zu unterjochen […]. Wenn Sie die Zeit haben, streiten Sie sich mit den anderen Dummköpfen darüber, welcher Gott der Wahre ist, fangen Sie deswegen Kriege an, sprengen Sie sich in die Luft und so weiter und so fort. Worin Sie Ihre Zeit jedoch wirklich investieren sollten, ist, ein religiöser Führer zu werden."

In weiteren Kapiteln bekommen wir eine Tabelle, mit der man sich respekteinflößende Spitznamen erstellen kann, Tipps für "richtiges Drohen" und den Umgang mit Drogen. Wer Macht nur wollte, um Frauen rumzukriegen, kann auf das Standardwerk Die 2857 Regeln der Macht verzichten und direkt in Kapitel 25 von Asphalt und Jung einsteigen: "Wenn Sie schon dachten, ein Pate oder ein religiöser Führer zu werden war einfach, dann halten Sie sich jetzt fest: die Chicks rumzukriegen, das ist so einfach, wie bis drei zu zählen".

Man könnte meinen, in diesem Kapitel fänden sich die einzigen Tricks, die die Autoren schon selbst erfolgreich umgesetzt haben. Aber: Auch der Autor der 4899 Regeln der Macht hat in seinem Leben nichts erreicht, außer diesen Bestseller zu schreiben und die kurzen Autobiographien der Autoren am Buch-Ende versprechen einiges:

"David Asphalt […] ist Rapmusiker und Karate-Mönch. Nach der nunmehr zwölften Entziehungskur verlagerte er ab Dezember 2013 seine Freizeitgestaltung bewusst in Richtung Meditation, Gin Tonic und Bunga-Bunga. David Asphalt ist Vater von Fünflingen, die allesamt den Vornamen David tragen, ungeachtet ihres Geschlechts."

Klassische Lebenshilfe-Bestseller allgemein- und moderne Diktatorenhandbücher im Speziellen, erklären auf den ersten 150 von 300 Seiten, dass die vermittelten Techniken definitiv funktionieren, wenn man nur alles befolgt und fest daran glaubt. Auf den letzten 50 Seiten werden weitere Bücher, Seminare und Vorträge des Autors angepriesen. Im 100-seitigen Mittelteil droppt man Glückskekssätze, die man mit Fußnoten glaubhafter macht. Die Glückskekssätze werden anschließend konsequent mit sich selbst bewiesen. All das geschieht hier im Schnelldurchgang. Weshalb das Buch auch deutlich kürzer ist, als der übliche Bestseller. Der Vorteil liegt auf der Hand: man muss seltener kotzen und wird schneller gebildet.

Wie dem ein oder anderen vielleicht schon aufgefallen ist: Es handelt sich ganz offensichtlich um eine Satire auf Lebenshilfebücher. Grade auf die, die auch für Rap-Fans naheliegend sind, weil sie sich mit des Rappers Lieblingsthema Macht beschäftigen, von Sun Tzu bis zu den 8.947 Gesetze der Macht. Man kann es auch als Kritik an Machtststreben, elitärem Denken und Angeberei verstehen. Allerdings kritisieren sie genau so Hartz-IV-abhängige Hippies. Vielleicht finden sie das alles auch nur lustig. Vielleicht sind sie sogar nach Macht strebende, elitär-denkende Hartz-IV-Hippies. Wer weiß das schon?

Vielleicht kann man den Stil mit dem besoffenen Zynismus von Klassikern wie Charles Bukowski oder Hunter S. Thompson in eine Schublade werfen. Vielleicht darf man so was schon Dadaismus nennen, weil es weniger um ironische Aussagen, als um eine Aussage durch den Verzicht auf jede Aussage geht (nennt man das dann so? Kennt sich jemand aus? Ist ein Student im Saal?). Oder auf altgriechisch: Der Humor ist trocken und ironisch, aber nicht sarkastisch oder polemisch. Allein beim Titel könnte man sich fragen: "Wollen die sich jetzt über Hauptschulabbrecher lustig machen?" Sie würden wahrscheinlich mit "ja" antworten, aber: nein. Also, ja. Ihre Einstellung ist ein klassischer Fall von "alles ist scheiße, wir sollten uns darüber lustig machen und saufen, bis wir's nicht mehr merken". Die zitierte Aussage über organisierte Religion ist schon die größte Festlegung.

Man muss nach diesem Buch nicht drei Wochen lang Machoattitüde, den Sinn des Lebens und das kapitalistische "Glück durch Erfolg"-Modell hinterfragen. Man kann es an einem Abend durch- oder ein paar Tage lang nebenbei lesen, oft gut lachen und sich fragen, wann wohl der zweite Teil fertig ist.

In diesem Sinne: "immer cool bleiben", "niemals unter parkenden Autos schlafen" und "unterschreiben Sie nichts, bevor Ihnen nicht ein Vertrag vorliegt".

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