"Weltbild zerfallen": Wie Trettmann das Ende der DDR erlebt hat

Der Fall der Berliner Mauer jährt sich im November 2024 zum 35. Mal. Trettmann, geboren und aufgewachsen in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, war damals live dabei. Im Interview mit der Berliner Zeitung spricht der 50-Jährige darüber, wie er die Wochen vor der Wende erlebt hat und, wie er in der DDR Hiphop entdeckt hat.

"Weltbild zerfallen": Wie sich die Proteste in der DDR auf Trettmann ausgewirkt haben

Angesprochen auf den Track "NAWW" aus seiner aktuellen EP "Your Love Is King", der sich mit dem Ostdeutschland von vor und nach der Wende beschäftigt, erzählt Trettmann von seiner Sicht auf die damaligen Demonstrationen für Rede- und Pressefreiheit in Karl-Marx-Stadt am 7. Oktober 1989. Die Polizei und Staatssicherheit hatte die Proteste damals gewaltsam unterbunden. Für den erst 15-jährigen Trettmann ein großer Schock: Er habe "Tage gebraucht", um die Ereignisse und die Polizeigewalt zu verarbeiten.

"In unseren Köpfen waren Bilder, wie im Westen Demonstranten eingekesselt wurden, doch nun verhielt sich unsere Polizei genauso. [...] Das zu sehen, fühlte sich viel zu hart an. Innerhalb von zwei Stunden ist mein Weltbild zerfallen."

Trotzdem habe sich sein Weltbild vom Westen, "der Westen rüstet auf, im Westen gibt es Arbeitslosigkeit, Obdachlose und Drogen", auch nach der Wende nicht grundlegend verändert. Dementsprechend hätten Trettmann und die Kinder der DDR "keine so schnelle Wiedervereinigung" gewollt.

Wie Trettmann in der DDR zum Hiphop fand

Auf die Frage, wie Trettmann in der DDR überhaupt Kontakt zur Hiphop-Kultur fand, antwortet der Sänger und Rapper, dass zwei Faktoren wichtig waren. Durch die Plattensammlung seiner Mutter sei er Tretti früh in Kontakt mit der Musik von Stevie Wonder und Aretha Franklin in Kontakt. Es habe ihn aufgeregt, dass die Musik von Schwarzen Menschen nicht in der DDR im Radio lief. 

Ein weiterer Grund sei der Hiphop-Film "Beat Street" aus 1984 gewesen. In der DDR habe es damals viel Unterstützung für die amerikanische Bürgerrechtsbewegung gegeben hat, berühmte Verterer*innen wie Angela Davis waren sogar im kommunistischen Staat zu Besuch. Dadurch hat es dann auch mit "Beat Street" überraschenderweise ein Film über Graffiti, Breakdance und die frühe Rap-Szene auf die Kino-Leinwände der DDR geschafft und wurde ein großer Erfolg. Trettmann habe den Film selbst schon "wohl 50-mal gesehen". "Beat Street" habe laut Tretti die Jugendkultur der DDR nachhaltig verändert:

"Es gab einfach viele Dancemoves zu lernen. Ich glaube, "Beat Street" hat einen großen Anteil daran, dass Jugendliche Freiheit in ihrem eigenen künstlerischen Tun gespürt haben. Plötzlich gab es nämlich im Osten viele Teenager, die gebreakt haben oder versucht zu rappen."

Fun Fact: Im Zuge des 40. Geburtstag des Filmes arbeitet momentan niemand Geringeres als die New Yorker-Raplegende Nas an einer Musical-Adaption von "Beat Street" für den Broadway.

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