Common - Finding Forever
Der Name Lonnie Rashid Lynn, Jr. dürfte den meisten wohl kein Begriff sein. Dabei gibt er auf den zweiten Blick weit mehr über seinen Besitzer Preis, als man vielleicht ahnen mag. Lassen wir die einzelnen Bestandteile für sich selbst sprechen: "Lonnie" ist eigentlich die Kurzform von Alonso. Ursprünglich stammt der Name aus dem Altdeutschen und bedeutet soviel wie "bereit für den Kampf". "Rashid" hingegen hat seinen Ursprung im afrikanischen, genauer gesagt ist es ein swahilischer Name und steht für "gerechter Führer". Zusammengefasst: Ein gerechter Führer ist bereit für den Kampf. Oder anders ausgedrückt: Common is back!

You gotta be in it to win it...

Dass der in Chi-Town geborene Rapper ein Symbol für die nachhaltige Stärkung afro-amerikanischer Interessen geworden ist und seine komplette Karriere Ausdruck von Führungsstärke und zielgerichtetem Denken darstellt, lässt sich vor allem mit der Vergangenheit des stets in die Concious-Rap-Ecke gesteckten Common erklären. Der 1972 geborene Rapper wächst in seinen frühen Kindesjahren in einer überdurchschnittlich wohlhabenden und heilen Familienkonstellation auf. Sein Vater, Lonnie Lynn, hängt zu dieser Zeit gerade seine Profi-Basketball Karriere endgültig an den Nagel und widmet sich fortan der Betreuung und Beratung von gefährdeten Jugendlichen aus den Ghettos von Chicago. Doch als der Musiker gerade 6 Jahre alt ist, trennen sich plötzlich seine Eltern und Common zieht mit seiner Mutter Mahalia in eine bedeutend kleinere Wohnung innerhalb Chicagos. Trotz des Umzuges vaterseits bleibt Common jedoch in engem Kontakt und sichert somit eine ausgeglichene Erziehung. Getrieben von der Motivationsarbeit seiner Eltern, besucht der heutige Rapper die Florida A&M University um dort mit dem Schwerpunkt auf Wirtschaftslehre zu studieren. Doch allzu lange halten die Karrierepläne nicht an: 1992 beschließt Common die Uni ohne Abschluss zu verlassen und seinem Hobby nachzugehen: Der Rapmusik.


We underrated, we educated

Kurz nach seinem Universitätsabgang kann Common bereits erste Erfolge mit seinem Hobby verbuchen. Nachdem ein Freund ein Demo-Tape beim Hiphop-Magazin "The Source" einreicht, featured das Blatt den Rapper direkt in der damals begehrten Kategorie "Unsigned Hype". Aus dem labellosen Freizeit-Artist wird in Windeseile ein beim Indie-Label Relativity Records gesignter Musiker, damals unter dem Pseudonym Common Sense, der Ende 1992 mit "Take It EZ" seine erste Singleauskopplung verbuchen kann. Kurz darauf folgt das zugehörige Album mit dem ironischen Titel "Can I Borrow A Dollar?" und verbucht erste Erfolge in den amerikanischen R'n'B/Rap Charts mit einem Einstieg auf Platz 70. Vor allem Underground-Fans und Chi-Town Lokalmatadoren bilden eine solide Fanbase.

I wish I could give ya this feeling

Doch Commons großer Durchbruch sollte noch einige Jahre auf sich warten lassen. 1994 released er mit "Resurrection" sein zweites Studio-Album, welches sich aber lediglich in seiner Heimatstadt gut verkauft und sich mit einem Einstieg auf Platz 179 in den Billboard Top 200 als ein kommerzielles Desaster herausstellt. Selbst ein ernsthafter Zwist mit N.W.A. West-Coast Star Ice Cube um die kontroverse Single "I Used To Love H.E.R." verhilft Common nur zu minimaler Bekanntheitssteigerung - dabei ist das Thema des Tracks aus heutiger Sicht eine Zukunftsprognose, die sich zumindest teilweise bewahrheiten sollte. Bereits damals ist Common der Meinung, dass sich die Hiphop Kultur durch Gruppen wie N.W.A. ins Negative verändert. Er sieht, ganz im Gegensatz zu Cube, Hiphop als einen Weg zur Aufklärung der Massen über Missstände und nicht als Sprachrohr für publicity-geile Gangbanger aus South Central. Doch die West Coast steht geschlossen hinter ihrer Super-Group N.W.A., die nach eigener Aussage ebenfalls Missstände anprangern - nur auf eine weitaus rohere Art und Weise. Schließlich können sich die beiden aufstrebenden Rapper Common und Ice Cube in einer Diskussionsrunde mit keinem geringeren als dem Head der Nation Of Islam Louis Farrakhan auf einen Standpunkt einigen und legen den Streit bei. One Day It'll All Make Sense

Nach diesem steinigen Weg durch die Comptoner Ghettos widmet sich Common wieder voll der Steigerung seiner musikalischen Fähigkeiten. 1997 ist es soweit: Common feiert mit "One Day It'll All Make Sense" einen beachtlichen Erfolg, was er nicht zuletzt den hochkarätigen Feature-Gästen Lauryn Hill, Q-Tip, Canibus, und Black Thought von der legendary Roots Crew zu verdanken hat. Neben einem geglückten Charteinstieg, bietet ihm das Major-Label MCA Records einen lukrativen Plattendeal an, den Common nicht ausschlägt. Doch das Upgrade des künstlerischen Levels und vor allem der Bekanntheit zieht auch ein vermeintliches Problem mit sich: Die Reggae-Band "Common Sense" hört vom Erfolg des gleichnamigen Rapartists und reicht sofort Klage wegen Namensklau gegen ihn ein. Die sonst so friedfertigen Reggae-Musiker gewinnen den Prozess und Common muss kurzerhand das "Sense" aus seinem Namen streichen.

Now get busy

Mit neuem Label, Elan und Namen macht sich Common bereits 1998 an die Arbeit zum 2000 erscheinenden "Like Water for Chocolate", welches dem Musiker seine erste goldene Schallplatte einheimst. Nicht wenige Rapfans bezeichnen dieses Album heute als Commons durchdachtestes und deepstes Werk. Lyrisch widmet sich der Artist mit Hang zur intelligenten Wortwahl dem um die Jahrtausendwende immer noch präsenten Rassenproblem zwischen Schwarz und Weiß, was auch auf dem Cover des Langspielers bildlich zum Ausdruck kommt. Während Common also lyrisch 100 Prozent Herzblut in das Album steckt, schafft sich der am 10. Februar 2006 an den Folgen der Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes verstorbene Producer J Dilla sein eigenes Denkmal. Alle Tracks auf "Like Water for Chocolate" sind vom Ausnahmetalent produziert - mit einer Ausnahme: "The Sixth Sense" steuert DJ Premier bei. Das Dilla-produzierte Stück "The Light" wurde als Single ausgekoppelt und für einen Grammy Award nominiert.

I Used To Love H.E.R.

Erykah Badu. Ein Name weich wie die dazugehörige Stimme, eine Neo-Soul-Diva wie aus dem Lehrbuch, eine Schönheit mit unfassbarem Booty. Erykah Badu. Commons große Liebe, Commons Inspirationsquelle, Commons Absturz in eine - zumindest seinem Publikum - fremde Welt. 2001 lernt der nunmehr kommerziell erfolgreiche Rapper die Soul-Sängerin Badu kennen und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Badu erwidert Commons Gefühle und die beiden werden ein scheinbar glückliches Paar. Doch der Schein trügt. Badu vereinnahmt den Musiker sichtlich, versucht ihm ihr Verständnis von Musik aufzudrängen und ihm das begnadete Raptalent abzusprechen. Den Einfluss Badus kann man auf dem 2002 erscheinenden Album "Electric Circus" erleben, das Rapfans wegen Elektro-lastigem Sound verstörte und die Plattenverkäufe in den Keller trieb. Glücklicherweise trennt sich der Rapper bereits 2003, kurz nach dem Gewinn eines Emmys für das Stück "Love of My life (An Ode to Hip-Hop)" von Erykah Badu, was ihn wieder zurück zu den Rap-Basics bringt.

The sweet taste of victory

Insgesamt braucht Common, wie er selbst später in einem Interview preis gibt, 2 Jahre um von der gescheiterten Beziehung mit Badu loszukommen und sich neuen musikalischen Wegen widmen zu können. Daraus resultiert auch eine 2-jährige Komplett-Abstinenz vom Rap-Game, die 2005 ihr Ende findet. Der zu alter Stärke zurückgekehrte Common released im Mai besagten Jahres auf Kanye Wests Indie-Sublabel GOOD Music den unglaublichen Longplayer "Be". Sämtliche Rap-Mags bezeichnen das Album ohne mit der Wimper zu zucken als Instant-Classic, begründet auf der von Kanye West und J Dilla kreierten, in sich geschlossenen Atmosphäre und den storylastigen, durchdachten Raps von Common. Tracks wie "Go feat. Kanye West" oder die direkt in der Dave Chappell Show aufgezeichnete Ode an die Drogen dieser Welt "The Food" gelten heute als absolute Sureshots. "Be" wurde innerhalb von kürzester Zeit zu Commons erfolgreichstem Album, verkaufte sich ca. 800.000 Mal und bekam vier Grammy-Nominierungen, unter anderem für "Best Rap Album" und "Best Rap Song: Testify".

I found the new Primo...

Im Rückblick auf eine seit nunmehr 15 Jahre andauernde Karriere machte Common seinem Namen alle Ehre. Er kämpfte sich durch die mit Minen befleckte Musikbranche ganz nach oben, blieb dabei sich stets selbst treu und gegenüber seinen engsten Verbündeten und Wegbestreitern wie z.B. J Dilla oder Kanye West gerecht & aufrichtig. Doch keine Karriere ist jemals ohne einen dicken schwarzen Fleck auf der Vita zu bewältigen. Einen Kampf hat Common in diesen 15 Jahren tatsächlich verloren, vielleicht nicht zuletzt weil er für eine Soul-Queen wie Erykah Badu nicht bereit war. Seine Lehre hat der gereifte Rapper wohl aus der gescheiterten Beziehung gezogen: You can't turn a bad girl good.

2007 ist Common auf der Suche. Dem Titel ("Finding Forever") seines neuen Album nach zu urteilen, hat er seinen festen Platz in dieser Welt noch nicht gefunden. Musikalisch greift er wieder auf altbekannte Gesichter zurück: Kanye West, J Dilla, Bilal. Die erste Street-Single "The Game", produziert von Ye und Premo, schlug bereits ein wie ein Meteor. Die offizielle Single "The People", ein etwas ruhigeres, durchdachteres Stück, widmet er seinem Hausproduzenten Kanye West mit den Worten: "My daughter found Nemo/ I found the new Primo" - Word.

Forever? Forever ever!


Was dürfen wir also von "Finding Forever" erwarten? Ein weiterer Klassiker mit Oldschool-Touch wie "Be"? Ein konzeptionell gestalteter Longplayer in Gedenken an Commons besten Kumpel J Dilla? Oder ein Bastard aus Rapmusik und verschiedenen Indie-Stilen im Sinne von "Electric Circus"? Bei Common kann man sich da wohl nie so sicher sein. Da tut es doch gut, im Hiphop.de Interview zu hören, dass das titelseitig nach Abgang klingende neue Album erst der Anfang ist. Der Anfang einer neuen Concious-Ära. Oder vielleicht doch der Anfang vom Ende.

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