Das ist HARAM: Im Talk mit Deutschlands spannendster Upcyling-Designerin

Als ich vor einiger Zeit das Video zu Haiytis "Bevor es endet" sah, fielen mir die Outfits, die die Rapperin trug, sofort ins Auge. In dem Video zum Song sieht man die Berliner Musikerin mal perlenbedeckt und mal mit einem reworked Sneaker auf dem Kopf. Und wer sich ein wenig mit der Berliner-Modeszene beschäftigt hat, weiß auch schon, wer für die Skulptur-ähnlichen Looks von Haiyti verantwortlich war: All Amin, die Künstlerin hinter dem Label "HARAM".

All ist schon eine gute Weile in der Modeszene aktiv und hat sich in Berlin mit ihren kreativen Projekten und ihrer Kunst recht schnell einen Namen machen können. Als ich vor ein paar Jahren ihr Instagram-Profil entdeckte (auf der Plattform findet man sie unter anderem bei @haramwithsugar), hatte sie gerade begonnen, ihre Korsetts aus Sneakern mit der Welt zu teilen. Seitdem ist einiges passiert.

Wir haben uns mit der 'Hybrid Creative' für ein Interview zusammengesetzt und über ihre Arbeit, ihre Biografie und natürlich auch Hiphop gesprochen.

Von Styling bis hin zu Nageldesign: Das ist HARAM

Alina: Hi All, ich freue mich sehr, dass wir nun sprechen können. Erzähl uns doch erst mal: Was genau machst du eigentlich? Und wofür steht dein Marke Haramwithsugar? 

All: Freut mich auch sehr! Hauptsächlich arbeite ich rund um visuell aber nehme mir seit diesem Jahr endlich auch mehr Zeit mich musikalisch auszudrücken. Ich bezeichne mich selbst als All-rounder, passend zu meinem Namen (lacht). Ich mache nämlich eigentlich alles mögliche: Von Disziplinen wie Fotografie, Film, Schnitt, Direction, Set Design, Styling, Modedesign, Hair & Makeup bis hin zu Nail Design habe ich mich bereits schon kreativ ausprobiert. 

Haramwithsugar ist eigentlich nur mein Künstlername. 2019 habe ich das Modelabel HARAM ins Leben gerufen. Dabei habe ich mich auf Sneaker-Upcycling spezialisiert, um Nachhaltigkeit in der Fashion-Industrie zu pushen. "HARAM" steht für avantgardistische und futuristisch nachhaltige Mode.

Alina: Du hast mit Upcycling von Sneakern begonnen und aus ihnen beispielsweise Korsetts gemacht. Eins deiner Stücke trug Haiyti ja auch auf dem Shooting zum Song RBM mit Haftbefehl. Wie kamst du darauf, Schuhe so umzufunktionieren?

All: Alles begann ursprünglich aus einem Akt der Verzweiflung; Mein altes Ich als Konsumopfer dieser Gesellschaft hinter mir zu lassen und meiner eigenen Garderobe einen Neuwert zu geben. 

Und da ich endlos viele Sneaker aus meiner Footlocker Zeit angehäuft hatte, begann ich meine durchgetretenen Sneaker als Ausgangspunkt zu nehmen und diese weiterzuverarbeiten. Da ich Fashion nicht all zu ernst nehme, gehe ich eher spielerisch an die Arbeit ran. Dadurch entsteht Platz für Spontanität und daraus ist auch meine Arbeit entstanden. 

Foto: @florinelbel

Alina: Wie läuft das denn ab, wenn aus einem Sneaker ein Oberteil wird?

All: Ich kaufe gebrauchte Schuhe ein oder erhalte Schuhspenden. Dann zerschneide ich das Obermaterial von der Sohle und beginne die Sneaker gründlich zu waschen. Danach schneide ich intuitiv drauf los und drapiere an meinem Körper das Material. Sobald ich zufrieden mit dem Schnitt und der Zusammensetzung der einzelnen Teile bin, nähe ich alles zusammen. Und voilà, fertig ist das Piece! 

Alina: Gibt es eins deiner Korsette oder anderen Pieces, das dir besonders am Herzen liegt?

All: Für mich hat die Timberland Halskrause eine große Bedeutung, da ich durch dieses Piece die Aufmerksamkeit von Erykah Badu gewinnen konnte. Auf @theshaderoom und @balleraltert wurde mein Piece reposted und ich hab ziemlich viel Hate dafür abbekommen hauptsächlich aus NYC. Erykah war einer der wenigen, die Liebe gezeigt hat. Sie ist in meine DM‘s geslided und folgt mir seitdem. Unglaubliches Gefühl von einer Ikone wie Sie, Anerkennung zu kriegen! 

Foto: @marcusviniciusdq

Alina: Inzwischen machst du noch zahlreiche andere Dinge. Du stylst, stichst aber zum Beispiel auch Tattoos. Wie schaffst du es, stetig kreativ zu bleiben?

All: Ich denke, dass mein ADHS gute Arbeit dabei leistet, mich ständig auf neue Projekte einzulassen und am liebsten pausenlos weiterzumachen (lacht). Ich habe ehrlich gesagt viel zu viele Ideen – alles umzusetzen schaffe ich zeitlich gar nicht. 

Alina: Nachhaltigkeit ist ja auch ein wichtiges Thema für dich. In den letzten Jahren hat die Modeindustrie sich offen für nachhaltigere Kleidung gezeigt – trotzdem betreiben große Marken und Konzerne weite Greenwashing. Was für Dinge kannst du empfehlen, für Leute die wirklich nachhaltig konsumieren wollen?

All: Lasst grundsätzlich die Finger von bekannten Fast-Fashion Ketten. Egal wie sehr sie versuchen sich durch einzelne "nachhaltige Linien oder Kollektionen" reinzuwaschen, macht das in den meisten Fällen nur einen lächerlich kleinen Prozentsatz ihrer gesamtheitlichen Produktion aus.

Auch Luxusmarken, haben Dreck am Stecken. Wichtig ist daher immer zu checken: Aus was besteht das Material? Baumwolle ist z.B. nicht gleich nachhaltig. An Gütesiegeln orientieren kann helfen. Oder sich zu fragen, wo und unter welchen Bedienungen das Material hergestellt wurde. Kauft am Besten bei kleineren Labels ein, die transparent sind bei Ihrer Produktion. Oder eben Flohmärkte und Secondhand-Shops. Aber vergesst auch beim Secondhand shoppen nicht den Grundsatz von Nachhaltigkeit: nicht mehr zu konsumieren als man eigentlich braucht. 

Alina: Ähnlich wie viele Rapper, hast du deine Brand auch sehr "DIY"-mäßig gestartet. Wie waren deine Anfänge in der Modebranche?

All: Angefangen habe ich mit einem Modedesign Studium, woraufhin mein Dropout im 6. Semester folgte. Mir war der akademische Weg zu festgefahren und ich persönlich habe mich eingeengt gefühlt. 

Durch Instagram hatte ich die Möglichkeit, meine Arbeit zu vermarkten und mich selbstständig zu machen. Durch Interviews und Features von verschiedenen Magazinen habe ich mehr Reichweite gewinnen und in kurzer Zeit meine Marke in Berlin etablieren können. International wurden durch verschiedene Stylisten, bekannte Künstler in HARAM eingekleidet. Das hat auch noch mal einen guten Boost gegeben. Und dann folgten auch schon die ersten Anfragen von Concept Stores, die meine Pieces bei sich vertreiben wollten. 

Alina: Wie vorhin schon erwähnt, stylst du da unter anderem Haiyti. Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?

All: Der Stylist Amore hat verschiedene Pieces von HARAM für das Musikvideo von Haiyti "GABBA" ausgeliehen und dadurch wurde Sie zum ersten Mal auf mich aufmerksam. Danach hat sie mich kurz vor Ihrem nächsten Dreh zu "Bevor es endet" dafür angefragt, das Styling zu übernehmen. 

Alina: Und wie lief das dann ab, als ihr endlich gemeinsam auf dem Set wart?

All: Ich war ehrlich gesagt ziemlich übermüdet am Set, weil ich drei Tage vor Dreh gemeinsam mit meinem Partner das gesamte Styling fertiggestellt habe und das weiße Perlenoutfit komplett am Tag vorher mit ner langen Nachtschicht genäht habe. Habe mir aber nichts anmerken lassen (lacht) um professionell zu wirken. Haiyti war anfangs skeptisch, weil sie nicht zu feminin erscheinen wollte. Sie hat sich auf die Outfits trotzdem eingelassen und sich am Ende dann aber auch wohl gefühlt. Wir waren beide ziemlich zufrieden nach dem langen Drehtag mit dem Endergebnis.

Alina: Wenn wir mal beim Thema Hiphop bleiben: Was bedeutet Rap & Hiphop für dich? Inwiefern inspiriert es dich bei deiner Arbeit?

All: Für mich ist es eine der wertvollsten Quellen der Selbstfindung und gleichzeitig ein Opener dafür, die Welt besser zu verstehen. Die immer voranschreitenden Laute und die aggressive Art des Raps spiegelt sich in meiner Ästhetik wieder, denke ich.

Foto: @frechegoere1

Nicht nur ist All Fan vom Rap, auch der Rap scheint sie zu lieben; So trug nach Haiyti auch Badmómzjay kürzlich ein Korsett-Piece von ihr auf der Bühne. Ich denke wir sind uns alles einig, wenn ich sage: Wer sich für Mode interessiert sollte HARAM auf dem Schirm haben.