Das Splash! Festival ist vorbei. Im Normalfall ist das der Moment, in dem man wehmütig auf das vergangene Wochenende zurückschaut und sich schon auf das nächste Jahr freut. Dieses Jahr sieht das alles ein bisschen anders aus. Die Verantwortlichen resümieren auf Twitter:
"Wenn man das #splashfestival rückwärts abspielt, ist es ein Festival dass mittellose, schmutzige und kraftlose Jugendliche mit der Macht von Hip Hop, wieder gestärkt, sauber und motiviert zurück in die Gesellschaft integriert. [sic]"
Wenn man das #splashfestival rückwärts abspielt, ist es ein Festival dass mittellose, schmutzige und kraftlose Jugendliche mit der Macht von Hip Hop, wieder gestärkt, sauber und motiviert zurück in die Gesellschaft integriert.
— splash! Festival (@splashfestival) July 14, 2019
Die Besucher*innen scheinen jedoch ein anderes Fazit zu ziehen. Die Kritik am Einlassprinzip, Personal mit rechtsradikaler Gesinnung und an vielen weiteren Aspekten ist laut, wütend und vielfältig. Jetzt sehen sich die Veranstalter*innen des Festivals sogar gezwungen, ein Statement zu veröffentlichen. Zusätzlich haben wir beim Splash! um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten.
Tolle Konzerte, aber schlechte Organisation
Die Kritik bezieht sich hauptsächlich auf Aspekte organisatorischer Art. Auf Nachfrage bei einem der vielen Besucher*innen, die sich beschwerten, erhielten wir beispielsweise die Aussage:
"Das Splash an sich war super, die Partys gingen ab und die Auftritte waren legendär."
An dieses Lob reihte sich allerdings eine Liste an Problemen mit der Organisation, die die ersten Eindrücke unter den Social-Media-Posts bestätigte.
Schlechter Einlass und fehlendes Feuerwerk
Die ersten Schwierigkeiten hatten die Besucher*innen schon beim Einlass auf das Festivalgelände sowie auf den Zeltplatz. Dieser sei überfüllt gewesen. Des Weiteren habe es keine eigene Reihe für Besucher*innen gegeben, die bereits ein Band hatten. Das führte dazu, dass man sich immer wieder anstellen musste, um für den Aufbau etwas aus dem Auto zu holen.
Das Splash! erklärt in seinem Statement, dass das System dieses Jahr eigentlich zum Vorteil der Besucher*innen geändert werden sollte. Mit dem Ergebnis seien sie allerdings "alles andere als zufrieden". Nächstes Jahr soll das allerdings wieder besser klappen:
"Wir haben es versucht und verkackt, bitte entschuldigt die entstandenen Wartezeiten. Für nächstes Jahr ziehen wir daraus unsere Lehren und überlegen und etwas Besseres!"
Im persönlichen Gespräch wurde uns erklärt, dass "etwas Besseres" die Übernahme des Einlassprinzips aus den letzten Jahren sei.
Auch mit dem Shuttle-Service gab es Probleme. Die Festivalgäste berichten von einer Überforderung der Verantwortlichen und von leeren Shuttlebussen, die an ihnen vorbeigefahren seien.
Das traditionelle Feuerwerk ist ebenfalls ausgefallen. Das Splash! probierte es dieses Jahr mit regelmäßigen Lasershows über die drei Tage, was bei den Festivalgästen nicht gerade auf Begeisterung stieß. Die Anzahl der Kommentare bezüglich des fehlenden Feuerwerks zeigt, wie wichtig dieser Moment für die Besucher*innen jedes Jahr ist. Geplant ist ein Feuerwerk allerdings auch für die folgenden Jahre nicht, wie uns ein Verantwortlicher des Festivals mitteilte, der davon ausging, dass es einfach ein bisschen dauern würde, bis sich die Leute daran gewöhnen.
Timetable und Booking in der Kritik
Auch die Planung einiger Auftritte kritisieren die Fans.
"Künstler wie BHZ kann man nicht in den Playground packen."
Ein Besucher schildert uns Szenen, in denen Frauen in der Crowd umkippen und Panik ausbricht. Der Befragte habe sich gefühlt "wie auf der Loveparade". Die Halle sei schlichtweg überfüllt gewesen.
Auch die parallele Buchung einiger Acts fiel negativ auf. So spielten Young Thug und die $uicideBoy$ zur selben Uhrzeit, obwohl ein großer Teil des Publikums vermutlich gerne beide amerikanischen Acts gesehen hätte.
Kaum Platz und verdreckte Sanitäranlagen trotz VIP-Ticket
Die sanitären Einrichtungen werden ebenfalls kritisiert. Die wenigen Duschen und Toiletten seien schon morgens dreckig und mit Fäkalien beschmiert gewesen. Diesen Vorwurf kann man allerdings nicht nur den Festivalverantwortlichen machen. Rücksichtnahme sollte für die meisten Gäste kein völliges Fremdwort sein.
Natürlich erwartet niemand eine 5-Sterne-Sanitäranlage auf einem Festival. Allerdings stand diesbezüglich vor allem der VIP-Platz in der Kritik. Eine Besucherin schilderte uns, dass man im VIP-Bereich für mehrere 100 Euro in einem kleinen VIP-Zelt ohne Blick auf die Bühne sitze. Wenigstens die sanitären Anlagen könnten dann entsprechend sauber gehalten werden.
Kein WLAN, keine Informationen
Ein weiterer Kritikpunkt war die Ankündigung von Änderungen auf der App. Während bei anderen Festivals die Veranstalter für Netz sorgten, fehlte auf dem Splash!-Gelände dafür einfach das W-LAN. Auf Instagram findet man unter anderem diesen Kommentar zu der Problematik:
"Ach ja am meisten hat Spaß gemacht wenn die stages geändert worden sind von Künstlern und man dank schlechtem Empfang nichts von der Änderung mitbekommen hat." [sic]
Die Idee eine Art Google Maps für das Festivalgelände mit der App zu verknüpfen, klingt auf dem Papier erstmal gut. Doch da für die Umsetzung Internet benötigt worden wäre und sich bei der Beschilderung des Geländes wohl auf die App verlassen wurde, fehlte viele Besuchern die notwendige Orientierung.
Schlechte Wahl der Security
Auch die "absolut respektlose Sicherheitsfirma" kritisieren einige Besucher*innen im Nachhinein.
Uns wird davon berichtet, dass vor allem Schwarze nachts immer wieder spontane Drogenkontrollen ertragen mussten.
Auf unsere Nachfrage haben die Besucher*innen die Firma "JaPo Security" als verantwortliches Personal ausmachen können. Diese Beobachtung überrascht wenig, denn diese Firma kümmerte sich auch im letzten Jahr um die Sicherheit der Fans und Künstler*innen auf dem Splash!. Die Schilderungen der Besucher*innen werfen allerdings ein schlechtes Licht auf die Angestellten der Firma. Auf ihren Anziehsachen habe man "Nazicodes" gesehen. Weiter hätten sie auch Kleidung der Marke "Thor Steinar" getragen, die sich bezüglich ihrer nationalistischen Aufdrucke in einer rechtlichen Grauzone bewegt und dennoch ganz klar der rechten Szene zugeordnet werden kann.
Die Erfahrungen überraschen kaum. Es bedarf nur weniger Klicks im Internet, um herauszufinden, wie oft die "JaPo Security" bereits mit rechtsradikalem Personal und gewalttätigen sowie von der rechten Ideologie motivierten Aktionen aufgefallen sind.
Nazis haben an keinem Platz dieser Welt etwas zu suchen. Aber nationalistisches Gedankengut ist vermutlich nirgendwo so schlecht aufgehoben wie auf einem Hiphop-Festival. Wer so denkt, hat unsere Kultur nicht verstanden.
Auch den Splash Guards werden im Internet schwerwiegende Vorwürfe von Diebstahl über Gewalt bis hin zu Erpressung gemacht.
Das Splash! Festival distanziert sich in seinem Statement deutlich von einer derartigen Gesinnung:
"Das geht überhaupt nicht klar! Für Rassismus, Sexismus, Homophobie, kriminelle Energie und alles, was damit zu tun, ist kein Platz auf dem splash! Weder für Besucher und noch viel weniger für Mitarbeiter!! [sic]
Den geschilderten Vorkommnissen werde nachgegangen, auch wenn die Verantwortung hauptsächlich bei den Dienstleistern liege, bei denen die Mitarbeiter*innen angestellt seien. Im Gespräch mit uns räumt der Befragte zumindest ein, von den vergangenen Vorkommnissen um die JaPo-Security und ihren Hang zu faschistischen Mitarbeiter*innen gewusst zu haben:
"Es mag sein, dass es in der Vergangenheit bei dem ein oder anderen Mitarbeiter rassistische Bewegungen gab. Gab es sicherlich. Diese Mitarbeiter sind aber unserer Kenntnis nach in den letzten Jahren nach und nach aussortiert worden, weil JaPo das natürlich auch nicht fördert."
Es wird weiter ausgeführt, dass ein Großteil des Personals von "JaPo" keinen deutschen Hintergrund habe. Aus diesem Grund sei es "komisch", ihnen Rassismus vorzuwerfen. Jedoch schützt eine Herkunftsgeschichte leider nicht vor einer rassistischen Einstellung. Die Verantwortlichen erklären auch, dass die Firma zudem Veranstaltungen gegen rechtsradikale Gesinnungen mit organisieren würden. Auch dieses Argument kann den faden Beigeschmack der Verpflichtung eines Security-Betriebs, von dem bekannt ist, dass er mit rechtsgesinnten Menschen zusammengearbeitet hat, nicht ganz vergessen machen.
Ausfall von ASAP Rocky
Für die Absage des amerikanischen Headliners des Festivals können die Verantwortlichen auf dem Splash! Festival natürlich nichts. Wir berichteten bereits über die Verhaftung des Rappers.
Nach Festnahme in Schweden: US-Stars solidarisieren sich mit ASAP Rocky
Die Verhaftung von ASAP Rocky in Stockholm hat das #FreeRocky-Movement losgetreten. Einige US-Stars haben zudem bereits ihre Konsequenzen aus dem Umgang mit Rocky gezogen: Tyler, The Creator, Lil Yachty und ScHoolboy Q werden wohl demnächst keine Reise ins skandinavische Land antreten.
Leider sagte auch Chance the Rapper das Festival sehr kurzfristig ab. Mit dem Ersatz für ASAP Rocky und der Kommunikation waren die meisten Besucher*innen nicht zufrieden. Alleine die Verwirrung der Fans in den sozialen Medien sagt einiges über den Erfolg der Verständigung mit den Festivalgästen aus. Wer war denn nun Ersatz für die beiden amerikanischen Rapper? Und wo und wann hat der Ersatz gespielt?
Als Ersatz für Chance the Rapper kamen Skepta und Schoolboy Q auf die Bühne. Für ASAP Rocky hat das Splash! Action Bronson verpflichten können. Hier kann man dem Festival keinen Vorwurf machen. So spontan einen gleichwertigen Ersatz zu bekommen, ist kaum möglich. Jedoch müssen die Festivalbesucher*innen auch dementsprechend benachrichtigt und informiert werden.
Die Meinungen über Shindy als Secretact sind geteilt. Während einige ihre Enttäuschung über das Booking kundtun, konnten wiederum andere den Auftritt dennoch genießen. Der Rapper passt nicht unbedingt zum restlichen Lineup. Gerade das machte jedoch auch die Überraschung aus. Nicht umsonst wird das Splash! als das größte "Hiphop-Klassentreffen" in Deutschland bezeichnet. Jahr für Jahr treffen sich hier größtenteils die gleichen Künstler*innen. Ein Shindy stellt dann tatsächlich eine ziemliche Abwechslung dar.
Auch hier bekamen einige den Secret Act jedoch nicht mit und bereuen im Nachhinein, Shindy verpasst zu haben. Die Antwort des Festivals auf die Aussage, dass es schwierig sei, den Rapper auf einem Gelände ohne W-LAN nur bei Instagram anzusagen, erscheint im Angesicht der Menge an Kritik frech:
Als wir die Verantwortlichen im Gespräch auf das Problem ansprachen, wiederholte sich die Aussage mit einer ähnlichen Wirkung:
"Also wenn du Glück hast, bist du da. Wenn nicht, dann nicht."
Es lief nicht alles schlecht
Wenn man sich die erläuterten Kritikpunkte so anguckt, kann man jetzt eigentlich nur noch zu dem Fazit "Sie haben sich stets bemüht" kommen. Und ja, die Verantwortlichen bemühen sich tatsächlich, Krisenmanagement zu betreiben. Das Splash! ist in den Kommentaren sehr aktiv, bittet um Entschuldigung und fragt nach weiterem Feedback. Nach dem Organisationsakt, den ein solches Festival bedeutet, ist ihnen die Enttäuschung über die Kritik durchaus anzumerken:
Danke für die positive Bewertung. Tut gut in diesen unruhigen Zeiten. https://t.co/SkM1Q1WZiX
— splash! Festival (@splashfestival) July 13, 2019
Auch der Versuch, das Festival ein wenig umweltfreundlicher zu gestalten, sollte positiv herausgehoben werden. Im Green Camp wurden unter anderem Komposttoiletten angeboten sowie Diskussionsrunden geführt. Das Splash! rief auch eine Challenge rund um den Hashtag #cleancamp ins Leben, bei der es um die Dokumentation eines möglichst müllfreien und sauberen Campings ging. Während dieser Hashtag international und bei anderen Festivals erfolgversprechend ist, nutzte das Splash!-Publikum ihn mehr zum Trollen als zum Anlass, tatsächlich ein bisschen Rücksicht auf die Umwelt zu nehmen.
Die Kritik ist lauter als die positiven Stimmen
Das Gesamtbild ist nicht so furchtbar, wie es die kritischen Kommentare zunächst vermuten lassen. Dennoch stellt sich die Frage, wie lange ein gutes Lineup und eine langjährige Tradition die Fans noch vom Splash! überzeugen können. Andere Festivals konnten dieses Jahr zeigen, wie ein überzeugendes Lineup mit einer erfolgreichen Organisation kombiniert werden kann.
Im Gespräch erklärte man, sich über die Kritik, die man seinem eigenen Publikum neben den gewohnten "einsilbigen Sätzen" der "Splash! Kids" gar nicht zugetraut hat, sogar zu freuen. Der Dialog würde aktuell aktiv gesucht, um aus den Erfahrungen dieses Jahres lernen zu können.
Sicher wünschen sich einige Verantwortliche aktuell trotzdem, das Festival rückwärts abspielen zu können und noch einmal von vorne zu planen. Denn wenn man das Splash! 19 vorwärts abspielt, ist es ein Festival, das saubere, gestärkte und motivierte Jugendliche trotz der Macht von Hiphop teils genervt und demotiviert zurück in die Gesellschaft integriert und ihren Ticketkauf nächstes Jahr vielleicht zweimal überdenken lässt.