Joe Young - Cash & Grams

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Pressetext / Beschreibung

Mein erster Gedanke als ich das Album in den Player warf: Hat AZ schon wieder neues Material am Start? Zum verwechseln ähnlich klingt der gute Joe Young auf "Cash and Grams", soweit zu gehen und zu sagen, dass er AZ teilweise imitiert wäre jedoch übertrieben. Dennoch zeigt Joe's Attitude, Flow und Beatwahl Parallelen zu 'A.W.O.L., AZ's letztem Album.

Dass Joe Young einige Zeit in New York verbrachte und dort den, für den Rotten Apple, typischen Sound aufgesogen hat, hört man dem Album stellenweise an.        
Momentan ist der Rapper in Deutschland wohnhaft, umso erstaunlicher, dass er den 90's Hiphop Sound so exakt einfangen konnte. Zusammen mit dem Hauptproduzenten der Platte, Reme, erfindet er zwar das Gesangs-Sampling nicht neu, haucht den Beats aber eine frische Brise Leben ein.

Gleich zu Beginn der Scheibe werden in "Innocent" hochgepitchte Samples aufgefahren, die leider mit zu dünnem Beat etwas lasch untermauert sind. Flowtechnisch ist Joe Young zwar on Point, kann aber zu diesem Zeitpunkt reimseitig noch nicht überzeugen, was sich aber spätestens bei "Hood Here" ändert. Nun kommt der vorher etwas verschlafen wirkende Joe Young richtig in die Gänge und rappt mit viel Energie über einen Beat, der an Kitsch kaum mehr zu überbieten ist. Alles in allem schon ein verrückter Track, nach dem zweiten Durchgang jedoch einer der besten Titel auf dem Album.

Allzu viel Abwechselung kann man allerdings nicht erwarten, auch wenn "Hold On" äußerst soulig, ja fast schon gospellastig rüberkommt und "Myself" eines der ehrlichsten Lieder auf "Cash & Grams" ist. Remes Beats sind einfach zu berechenbar und überwiegend kurz vor der Pop-Schmerzgrenze. Da das Album jedoch von vorne bis hinten sehr konzeptioniert wirkt, kann man davon ausgehen, dass hier genau diese relaxed-soulige Sample Stimmung von Anfang an geplant und somit auch wirklich gewollt war.

Bis die ersten Töne von "Move Unheard feat. Cappadonna & Inspectah Deck" erklingen hat man schon ansatzweise die Hoffnung auf einen Stimmungsumschwung aufgegeben. Zum Glück wird man mit gerade genanntem Hardcore-Battle Track eines besseren belehrt und so kommt es dann auch, dass man bei der Hook keine Sekunde lang das Kopfnicken aufgibt. Trotzdem hat der Track ein Manko. Von legendären Wu-Tang Mitgliedern wie Cappadonna und Inspectah Deck hätte ich deutlich bessere Parts erwartet, hier wirken die Beiden etwas lustlos und zum Rappen gezwungen. Und das obwohl gerade dieser Inspectah Deck "I Don't Wanna Go Back" mit seiner Strophe absolut killt, Joe Young aber jederzeit auf dem gleichen, hohen Niveau flowed. Highlightverdächtig ist der Joint allemal und die beiden Protagonisten stellen beiläufig fest, dass "money, power, respect the keys to this street shit" sind, dennoch lautet die Message am Ende: "I don't wanna go back to guns and crack". Äußerst vorbildhaft.

Unerwähnt darf natürlich auf keinen Fall die Masta Ace Collabo namens "N.Y. Report" bleiben. Wer den Altmeister Ace nochmal zum rappen bringt, der hat zu 99 %iger Sicherheit ein Hammer-Feature am Start. So auch hier, Masta Ace ist flowmäßig einfach schwer zu überbieten und selbst ein guter Joe Young kann es nicht schaffen, auf das selbe Level zu kommen. Der abermals von Reme produzierte, melancholische Streicher-Beat enttäuscht nicht und bringt die Straßen New Yorks für dreieinhalb Minuten in die häusliche Stereoanlage. An Melancholie und Schwerfälligkeit übertrifft nur der letzte Track des Albums, "Tearz", das auf "N.Y. Report" entstandene Ambiente. Wahrlich christlich geht es hier zu, denn zu Beginn wird das Vater Unser zitiert und gegen Ende gleicht das Stück einer traurigen, spirituellen spoken words Ballade.

Bewertung:    
4,5 von 6               
    
Fazit:
Letztendlich ist der zu Beginn der Review aufgestellte AZ-Vergleich nicht mehr viel wert. Man begreift erst in den letzten Zügen der Platte, wie eigenständig Joe Young's Stil und Interpretation von Rap ist. Er kreiert kein übertriebenes Gangsta-Image auf diesem Album. Das macht "Cash & Grams" zu einem Überraschungshit.