Westkurve Inteview
Totgeglaubte leben bekanntlich länger und können, ohne ständig gestört zu werden, heimlich und vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen, an neuem Material arbeiten. So geschehen bei der Westkurve, die vor gut fünf Jahren noch mitten in der Szene stand und der dank den Releases von Nico Suave, MajuBiese oder auch DabruTack eine große Zukunft bescheinigt wurde. Dies war freilich vor der großen Industriepanik, bevor die Labels
 
  
alles droppten, was mit Rap zu tun hatte. Nachdem wir erst vor kurzem ein Interview anläßlich Nico Suaves Longplayer 'Mit Liebe gemacht' führten, kommt nun die restliche Westkurve zum Zug, die mit ihrem inzwischen dritten Westkurvesampler wieder auf sich aufmerksam macht.
Mit einem weiteren Westkurvesampler hätten sicherlich die wenigsten gerechnet - wann also ist der Gedanke gereift, mit Teil Drei an den Start zu gehen? MajuBiese : Nach dem Ersten!! Es geht bei den Tapes ja einfach nur, den Output der Leute auf ein Tape zu packen und zu sagen 'Wir sind die Westkurve, das ist unser Zeug'. Nach dem ersten Tape war schon klar das wir ein weiteres machen, und nach diesem Tape wird auch ein viertes kommen, nur wann... Viele der Kids werden Anno 2005 nicht mehr viel mit dem Begriff 'Westkurve' anfangen können - könnt Ihr kurz erklären was die Westkurve ist und wer alles dazugehört? MajuBiese: Mit dem Begriff 'Westkurve' haben wir nur einem Freundeskreis einen Namen gegeben, der zusammen abhing, Skateboard gefahren ist und irgendwann auch zusammen Mucke gemacht hat. Dabei ist die Westkurve aber kein eingeschworener Haufen wo man nur mit Mutprobe reinkommt. Einfach alle Leute mit denen wir gerne feiern und mit denen wir gerne Mucke machen sind Teil der Westkurve. Daher kommt es auch das eine Menge Leute nicht aus Menden kommen, wo die Geschichte ja losging. Wir haben ja Leute dabei aus Hamburg, Saarland, Mainz, Berlin und aus den umliegenden Städten Iserlohn, Hemer, Fröndenberg usw. Günna: Auf dem dritten Sampler speziell mit Tracks am Start sind MajuBiese, Dendemann, Nico Suave, Rid da Ruler, Dabru und Nilzen – um die 'alten Hasen' zu nennen. Die von Maju schon angesprochenen neuen Leute sind Lautcontakt aus Iserlohn, Phliptrik aus Hemer, Dix und Andy (Er und Ich) aus Dortmund, MCF und Baustein aus Menden. Bei der Westkurve denkt man ja v.a. an Dabru, Rid, Nico oder auch MajuBiese - also allesamt Rapper, denen die "Marktsituation" böse ans Schienbein gefahren hat. Ist der dritte Westkurvesampler also auch so etwas wie ein "Befreiungsschlag"? Maju: Ach, so eng soll man diese Geschichte ja nicht sehen. Ja, Business ist scheiße, gehört aber dazu. Aber Nico kommt ja jetzt mit seinem Album raus, Dabru arbeitet auch an neuem Material. Ich für meinen Teil hab mit der Business-Seite abgeschlossen weil ich in der glücklichen Lage bin keine Kohle machen zu müssen d.h. ich mach Musik weil ich darauf Bock habe. Und da Musik machen immer damit zu tun hat gehört zu werden kann ich meine Sachen ja ins Internet stellen, somit hab ich ein Forum gefunden. Was habt Ihr die letzte Zeit - also seit Euren letzten Releases – gemacht? Maju: Natürlich in meinem Beruf als Sozialpädagoge gearbeitet, hin und wieder mal aufgetreten mit meinem DJ Cybes und immer Texte geschrieben. Zwischendurch gab es noch eine kurze Episode als freischaffender A&R von DefJamGermany. Vor zwei Jahren hab ich Günna und die Jungs von Lautkontakt/Kellersound.com kennengelernt und hatte in Günna wieder einen Produzenten gefunden auf dessen Beats ich flashe. Daher bin ich dran mit seiner Hilfe mein Projekt 'Majorleague' zu machen und im Netz zu veröffentlichen. Apropos Dabru - wo ist das Tack geblieben? Dabru: Ach das 'Tack' gefiel mir irgendwie nicht mehr, deshalb hab ich es ganz einfach weggelassen. Ausserdem nennen mich die meisten eh nur Dabru. Hör zu und lerne - das gilt für dich und mich - siehst du dich also weniger in der Rolle des Pädagogen des Raps? Dabru: Ich denke schon, dass ich einigen Kids da draussen, die meine Songs hören, etwas mit auf den Weg geben kann. Ich selber habe in meinem Leben sehr viel Musik gehört und mich ständig inspirieren lassen, was mich letztendlich raptechnisch zudem gemacht hat was ich heute bin. Das soll aber nicht heissen, dass ich 'ausgelernt' habe, im Gegenteil: ich stelle immer wieder fest, dass ich mich weiter entwickelt habe! Wenn man gut oder besser sein will, dann muss man auch etwas dafür tun - egal in welchem Bereich. Ich will nicht einer von denen sein, die in zehn Jahren plötzlich aufwachen und sich fragen: 'Scheisse was habe ich aus meinem Leben gemacht?' Ich persönlich kann und will mich nicht auf das Musikmachen verlassen und aus diesem Grund besuche ich seit Anfang Februar 05 die Fachoberschule an der ich mein Fachabitur nachhole. Das ist lernen in seiner reinsten Form! In wie weit gilt trotzdem das 'Each One Teach One'-Prinzip innerhalb der Westkurve? MajuBiese: Ich hab kein Plan was dieser Satz überhaupt heißen soll J!! Die Westkurve inspiriert sich gegenseitig, hilft sich gegenseitig und featured sich gegenseitig. Ridde sagte mal das man immer ins Studio gefahren ist, die neuen Tracks gehört hat und sich selber gesagt hat das wieder die Meßlatte hochgesetzt wurde und man selbst wieder Gas geben muß. Frage beantwortet?? Gewissermaßen - wie seid Ihr bei der Produktion vorgegangen? Also nach welchen Kriterien sind die Tunes entstanden? Habt Ihr das gemeinsam ausgearbeitet oder hat jeder seine Tracks gemacht?
  
  
 
Günna: Also ein übergreifendes Konzept hat nie wirklich existiert. Wir haben uns einfach hingesetzt und Tracks gemacht. Sei es Solo, oder ein Feature mit jemandem anderen – oder halt Tracks mit der jeweiligen Band. Alles in allem war es aber eine sehr natürlich gewachsene Sache. Mit der Zeit kamen immer mehr Tracks zusammen, und schnell hat sich herauskristallisiert wer mit wem Bock hat einen Song zu machen und wo einfach die Chemie stimmt. Der Track 'Hit' von mir und Maju zum Beispiel war einer der ersten fertigen Songs für den Sampler und ist bis heute noch einer meiner Favoriten. Da stimmt einfach alles. Oft war es auch so, das jemand einen Song angefangen hat, oder ich einen Beat, und im Studio dann spontan weitere Strophen entstanden sind. 'Ohne Ende' wo letztendlich 5 MCs mit drauf sind, war genau so ein Track. Den Beat hatte ich in 10 Minuten gebaut als ich mal wieder im Studio auf Leute gewartet hab, wie so oft. Am selben Tag haben wir alle unsere Parts geschrieben und aufgenommen – fertig! Erst gegen Ende der Arbeit am Sampler wurde alles dann sehr stressig. Hier fehlte noch eine Strophe, da musste noch etwas aufgenommen werden. In dieser Phase wurde alles dann viel zielstrebiger und fokussierter. Es fällt aber auf, dass Kraans bei weitem nicht mehr so involviert ist wie früher - oder täuscht das? Günna: Kraans hat zwei Songs produziert, und mit Vicente 'Don' Celi die Platte gemastert – hat also noch einen großen Anteil am Endprodukt. Das er in den eigentlichen Entwicklungsprozess recht wenig involviert war, liegt einfach daran, dass er inzwischen in Berlin wohnt und arbeitet und dort jede Menge zu tun hat. Beim dritten Sampler war es so, dass hier von Beats bis zum Studio wo man aufnehmen konnte alles direkt vorhanden war. So haben wir dann halt die kurzen Wege genutzt um spontaner und intuitiver arbeiten zu können. Wenn jemand dem Sampler seinen Stempel aufdrückt, dann bist das du Günna - stell dich doch mal etwas genauer vor! Günna: Gerne! Wie schon gesagt, ich bin Günna und komme aus Iserlohn. Beim Westkurve Sampler habe ich einen Großteil der Beats beisteuern dürfen. Auch habe ich in unserem DeepK Studio die Songs aufgenommen. Im Laufe der Arbeit am Sampler hat sich es dann auch so ergeben das ich ein wenig die Koordination des ganzen übernommen habe damit wir auch fertig werden und das ganze zu einer Einheit wird. Das war uns sehr wichtig um wirklich einen 'Sampler' zu schaffen, bei dem nichts willkürlich zusammengewürfelt klingt. So hatte ich den Überblick über den gesamten Entstehungsprozess und konnte den einen oder anderen noch mal dazu animieren hier und da noch etwas beizusteuern. Teilweise ein etwas undankbarer Job da man es keinem wirklich immer recht machen kann, jedoch glaube ich das das Gesamtprodukt für sich spricht und jeder damit glücklich ist. Dix XL - was genau ist ein Alltagszorro? Was hat dich zu diesem Track inspiriert? Dix: Inspiriert haben mich die Kiddie Punks mit Handys aus Menden. Das sind diejenigen Punks, die man am Bahnhof den ganzen Tag rumgammeln sieht die ein Handy in der Tasche haben um für Mama und Papa erreichbar zu bleiben. Alltagszorros sind die Menschen die das ganze Leiden der Welt um sich herum sehen und gar nicht mitkriegen das man selber so ein Wohlstandstyp ist, und sich noch nicht mal über seinen eigenen Alltag Gedanken machen muss weil einfach alles funktioniert. Das Leben dieser Menschen ist so langweilig, das sie nach aussen hin den Zorro spielen müssen, um gegen Leid in der Welt zu kämpfen. Gerade die Menschen die nicht reif genug sind sich überhaupt mit gewissen Dingen auseinander zusetzen, und einfach für eine Sache die Flagge hissen und ins gleiche Horn blasen wie Idealisten die es ihnen einfach vorleben. Zum Beispiel Leute die sich gerne ein Che Guevara T-Shirt anziehen und nicht wirklich etwas über ihn wissen, oder seine Ziele. Sie wissen nur, es war gegen etwas – also finde ich ihn gut. Das ist mein Ziel des Songs, deshalb beschreibe ich satirisch das Leben von zwei solchen Menschen. 'Jedermann wäre gerne an 'ner Karriere dran - kommt sich aber selbst in die Quere dann' - seht ihr darin das Problem in der heutigen Scene? Das die meisten zwanghaft versuchen zu charten etc.? Günna: Das Zitat stammt von meinem Lautcontakt Bandkollegen und coolstem Typen der Welt Geck der zur Zeit in Neuseeland ist und hier leider nicht am Start sein kann. Ich hoffe ich spreche auch für ihn wenn ich sage, dass es wirklich ein sehr großes Problem der aktuellen HipHop Szene ist, dass das eigene Ego oft zum größten Hindernis wird. Viele vergessen über ihre eigenen Erfolge ihre Wurzeln. Heutzutage ist der ursprüngliche HipHop Gedanke leider viel zu wenig präsent in den Medien. Keiner denkt mehr an den anderen – und an diesem Punkt ist die Gefahr sehr groß den Überblick zu verlieren und falsch zu handeln. Die Konsequenzen sehen immer anders aus, in jedem Fall sind sie aber oft fatal für den Künstler. So weit müsste es eigentlich nicht kommen. Maju: Ich finde die Entwicklung tragisch, das die Kiddies heute mit dem Berufswunsch 'Star' ankommen. Nicht mehr 'Musiker' oder 'Schauspieler'. Hauptsache Star der Rest ist Latte. Ich versuche die Leute zu motivieren Texte zu schreiben und das ist fast schwierig. Sag ich dann 'Wir machen einen Song für einen Wettbewerb, das wird veröffentlicht' sind die nicht mehr zu halten und freestylen mir die Ohren voll. Sehr seltsam... Lasst mich gleich mit einer weiteren Line fortfahren: 'Die Leute sind am jammern über schlechte Zeiten / sehen an unserem Land nur schlechte Seiten' - sollte man also die derzeitige v.a. wirtschaftliche Lage akzeptieren und sich damit abfinden? Ich meine es läuft ja auch vieles falsch in unserem Land oder nicht? Günna: Wieder ein Zitat vom Geckpacker. Es ist bestimmt nicht so, dass man sich einfach mit schlechten Dingen abfinden soll. Das macht   
  
 alles nur noch schlimmer. Es geht nur darum, nicht nur auf den schlechten Dingen herumzureiten, sondern positiv zu denken. Es gibt genug schöne Dinge die es wert sind drüber zu reden! Es läuft sehr sehr viel falsch in unserem Land, und da ist es sehr wichtig auch aktiv zu handeln. Jedoch darf man nicht aus den Augen verlieren, dass es uns hier vergleichsweise echt gut geht! MajuBiese: In einem Interview mit ausländischen Journalisten sagten die einstimmig das Deutschland doch eigentlich total toll ist aber die Menschen dort sind alle so weinerlich, pessimistisch und miesgelaunt. Deutschland ist ein 'Glas halb leer'-Land! Wird man von den "neuen Namen" innerhalb der Westkurve in Zukunft noch mehr hören? Gibt es schon konkrete Pläne oder Projekte? Günna: Natürlich, jede Menge sogar. Der Westkurve Sampler ist nur der Anfang! Jens Sensei, Zwolf, Geck und ich ('Lautcontakt') veröffentlichen im Juni unsere neue EP 'Musik zum Blumen giessen', Phliptrik folgt danach mit seinem ersten Soloprojekt: der EP 'Aufwärmphase'. Eine eher düstere Platte, mit der er seinen Stil eindrucksvoll auf eigenen Beats unter Beweis stellt. Auch der gebürtige Letmather Zwolf arbeitet noch an 'Halb Mensch, Halb Zwolf'. Und ich kann jetzt schon mal sagen, das Teil wird etwas ganz Großes! Wer Zwolf auf dem Sampler hört, weiß das mit ihm mehr als nur zu rechnen ist. Sobald die EP erscheint werden sich einige Leute in Deutschland noch gehörig umgucken! Auch Tokin'One arbeitet an seinem Album 'Ernst Haft und Raimund Style' das auch wieder zeigt, das die Westkurve ihren ganz eigenen Style fährt. All diese Releases gibt es auf www.kellersound.com als kostenlosen Download. So können sich Leute die durch den Sampler auf den Geschmack gekommen sind gleich für lau Nachschub holen. Auch MCF und Baustein arbeiten an ihren EP’s und Demos, genauso wie Querbeat. Man kann sich also auf jede Menge frisches Zeug aus der Westkurve einstellen. Ende Juni erscheint auf NoNameCity Records auch die 'Biddeschön EP' von Rid da Ruler, Nico Suave und Dabru mit Beats von Kraans de Lutin, Shuko und mir. Rid da Ruler arbeitet auch an seinem Soloalbum das im Herbst oder Winter erscheint. Die Platte wird auch was ganz freshes! MajuBiese: Und Günna vergisst schon wieder das ich noch an der Majorleague arbeite. Erste Sachen davon wird man dieses Jahr mit Sicherheit noch hören! Noch Schlussworte? Günna: Kauft euch den Sampler! Supportet mal wieder gute Musik! Und schaut dringend auf www.kellersound.com vorbei – da kriegt ihr alle neuen Infos, kostenlose Tracks und Specials und sowieso alles! Danke an hiphop.de für das Interview und den Support!
 


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