Vorreiter im Streaming-Zeitalter: Keine herkömmlichen Alben mehr bei Chimperator

Chimperator will sich als erstes Label in Deutschland von herkömmlichen Albumveröffentlichungen entfernen. Gegenüber der Stuttgarter Zeitung (hier lesen) erklärt Sebastian Schweizer, Chef bei den Chimps, wie und wieso er diesen Schritt in die Zukunft geht. Die Entscheidung hängt wenig überraschend mit der rasant steigenden Bedeutung von Streaming-Diensten zusammen, die die Musikwelt in den letzten Jahren auf den Kopf stellen.

"Der Markt verändert sich wegen der Streamingdienste, und das immer schneller. Damit müssen wir umgehen. Wir haben gemerkt, dass die Leute einzelne Tracks streamen und weniger ganze Alben am Stück - weil auf Spotify und anderen Diensten der nächste Song und der nächste Künstler immer nur einen Klick entfernt sind."

Ab sofort will Chimperator Songs einzeln releasen und nach und nach zu einem Werk zusammenfügen. Ganz aussterben werde das Format Album zwar nicht – bei Künstlern wie Tua oder Cro etwa sei es eben sinnvoller. Das Hörverhalten der Fans und die Strukturen bei Spotify und Co bringen Schweizer jedoch zum Umdenken. Teesy ist aktuell der erste Künstler, bei dem das neue Konzept konsequent angewandt wird. Das frischste Signing OG Keemo lieferte bislang auch zwei einzelne Singles nach der Debüt-EP "Neptun" im Oktober.

"[Als] Label sind wir soweit ich weiß die Ersten, die das bewusst so machen und auch darüber reden. Es ist natürlich blöd, das klassische Album als Format aufzugeben. Aber das Hörerverhalten ist nun mal, wie es ist – gerade in den Genres, wo Chimperator stark ist. Dagegen anzukämpfen, wäre sinnlos."

Seit einiger Zeit kann man schon beobachten, wie der Streaming-Siegeszug bewährte Muster erneuert und herausfordert. Kanye West machte Schlagzeilen, als er sein Album "The Life Of Pablo" (2016) nachträglich veränderte. Ahzumjot hat erst letzte Woche sein Projekt "Raum" fertiggestellt, zu dem bereits im letzten Juli der erste Track erschienen ist. Joshi Mizu aktualisiert monatlich seine Playlist "Kaviar & Toast" mit neuen Songs. Und EPs haben in den letzten Jahren wieder an Bedeutung gewonnen für viele Artists.

Dass Melodien und Mainstream-Tauglichkeit parallel zum Streaming eine immer größere Rolle im Rapgeschäft einnehmen, ist kein Zufall. Das dürfte den meisten ohnehin klar sein, es wird aber noch deutlicher, wenn man sich einen Vergleich von Schweizer auf der Zunge zergehen lässt.

Spotify ist heute, was früher MTV war. Du musst in die Playlists reinkommen, die wichtigsten bestückt Spotify selbst. Und da kommst du am ehesten mit Singles rein, zu denen es idealerweise auch ein Video gibt – weil das auch mehr Streaming-Abrufe generiert.

Auch der Bundesverband Musikindustrie hat kürzlich auf den sich verändernden Markt reagiert und seine Richtlinien für Gold- und Platinschallplatten angepasst:

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