Temmyton - Schmufs First Lady
Weibliche MCs haben es in Good ol' Germany bisher noch nicht gerade auf einen grünen Zweig geschafft. Während in den USA Rapperinnen wie Lil' Kim, Eve oder Foxy Brown zu den größten Stars des Genres gehören, sieht es hierzulande noch eher bescheiden aus. Pyranja turnt in Internet-Videos mit dem Ostblokk um die Wette, Cora E. ist längst im Ruhestand und auf ein Comeback von 'Bon Voyage'-Girlie Nina warten, gelinde gesagt, auch nur die wenigsten. Doch in letzter Zeit brodelt es wieder. Meli aus Stuttgart und ihre Ischen Impossible, Kitty Kat aus dem Aggro-Umfeld und natürlich Jasmin Shakeri, die von den Beathoavenz als nächstes große Ding für 2007 ausgerufen wurde. Ein paar Bundesländer weiter nördlich macht sich Temmyton aus Hamburg mit ihrer Schmuf Hamburg-Crew im Moment einen Namen. Warum sie München den Rücken kehrte, wie Hamburg sie beeinflusste und noch einiges mehr verriet sie uns im Interview.

Du kommst ursprünglich aus München und bist mit 19 Jahren nach Hamburg gezogen. Was hat Dir in München gefehlt?

Mir haben die Perspektiven gefehlt. Die Perspektiven auf meine berufliche Zukunft genauso wie auf meine musikalische Zukunft. Ich hätte sicherlich auch in München etwas aufbauen können, aber dieser eine Urlaub in Hamburg hat mich einfach überzeugt. Als ich zurück in München war, lief nichts nach meinem Geschmack. Meine erste Wohnung war scheiße und teuer, meine Jungs kifften den ganzen Tag und kamen nicht voran und ich wurde mit meinem Alltag nicht glücklich. Nun ja, einfach nichts hat mir getaugt. Ich habe mich entschieden zu gehen und da gab es auch keine zwei Meinungen. Ich habe nur mein Geld gespart, nen 7.5 t LKW gemietet, habe wenigen Bescheid gesagt und war weg.. und ich hab es nicht eine Sekunde bereut.

Du schreibst "Hier kommt das Mischlingskind - ist für diesen Shit bestimmt". Ist deine Herkunft für Dich ein Thema oder ging es um den Reim?

Ich BIN ein Mischlingskind. Halb türkisch, halb deutsch und so ziemlich die einzige in meiner Familie mit ausgeprägterem, musikalischem Talent, das sie garantiert bis an Ihr Lebensende begleiten wird - Das meine ich mit "ist für diesen Shit bestimmt". Ich kenne meine Herkunft und diese ist in so fern ein Thema für mich, dass ich wenig mit meinem Vater zu tun habe und dadurch viele prägende Erfahrungen machen und mich damit auseinander setzen musste. So habe ich mich, wenn ich traurig war einfach mit der Musik auseinander gesetzt und meine Gedanken in eine bessere Richtung gelenkt. Manchmal vermisse ich den näheren Bezug zur Türkei und zu meiner zweiten Heimat. Ich würde gerne öfter in die Türkei fliegen und meine Familie besuchen, aber seit 1999 hat es sich nicht mehr ergeben. Schade - es würde mich sicherlich aufs Neue inspirieren.

In einer anderen Textzeile rappst du "sie quenglen und heucheln - die häßlichen Deutschen". Wie ist das gemeint?

Häßlich ist jeder, der so oft schlecht gelaunt und unzufrieden ist und an allem etwas auszusetzen hat. Ich finde, das ist typisch deutsch. Von Grund auf erstmal misstrauisch und abweisend sein. Die Deutschen sind auch ganz toll, aber ersteres meinte ich eigentlich als ich diese Lines schrieb.

Du hast eine klassische Musikausbildung. 10 Jahre Klavier, 4 Jahre Saxophon, ein Musical. Wie kommt man von diesem Background ausgerechntet zum HipHop?

Dazu kommt man, wenn man ein bisschen rebellischer wird und keinen Bock mehr auf Klavierunterricht und die 30te Sonate hat.. Mit 18 endete mein gesamter Instrumentenspaß. Ich bin dankbar für jeden Unterricht, da sich mein Gehör und Taktgefühl stark ausgebildet haben, aber ich hatte schlicht weg keine Lust auf Klavier. Der Saxophonunterricht endete bei mir nach dem Schulabschluss.. es war mein Pflichtinstrument auf der musischen Schule und danach nicht mehr so interessant. Big Band ist uncool. Rappen, tanzen, freestylesingen und/oder kiffen war einfach der viel geilere Lifestyle.. Ganz ehrlich. Klingt dumm, ist aber so. Ich habe viel mehr Spaß dabei, Musik selbst zu erfinden. Den HipHop hatte ich einfach um mich rum, er passte so gut in mein Leben und war da, ohne, dass ich mich für ihn entscheiden musste. HipHop und Reggae-Sound hat mich in vielerlei Hinsicht befreit und zu einem lockererem Menschen gemacht. Hat dir die Tour mit den "Lords of the Underground" einen Motivationsschub gegeben?

Oh - wenn ich zurückblicke - ja!! Ich bin am 1. Juni 2001 nach Hamburg gezogen und schon drei, vier Monate später bin ich auf der Mega Tour mit Lords of the Underground, DJ Cutkiller, Black Tiger, Cronite etc.. Das war schon der Hammer. Klar, wenn ich zurückschau, ging es dann erst richtig für mich los.. Meine Freundin Selma MC und ich rappten zusammen als "SOUNDSTA", haben zusammen Partys veranstaltet, Freestylesessions organisiert, jedes Wochenende Auftritte gehabt und sind richtig abgegangen. Wir hatten eine supergeile Zeit. Und das ging direkt nach der Tour los, weil wir dann wussten, wie gut wir uns als Team ergänzen und was wir bewegen können. Wir haben uns und alle um uns rum motiviert. Ja!

Du singst viel in deinen Liedern und rappst sehr melodisch. Ist dir rappen und singen gleichwichtig?

Ja, schon. Also wie es eben besser passt. Wenn ich wütend oder verletzt bin, dann singe ich einfach nicht, dann rappe ich. Aber wenn ich verliebt oder einfach nur so glücklich bin und schreibe, dann ist der Text schon auf Gesang ausgerichtet. Zumindest der Refrain. Ich mag wirklich Beides gleich gerne.

In deiner Musik hört man viele Reggae-und Dancehalleinflüsse. Ist das die Musik, die du auch privat hörst?          
    
Ich bin mehr Fan von deutschem HipHop, wenn ich auf einem Konzert bin und das bin ich sehr, sehr oft. Da gehe ich ab auf die Acts und bin geflasht. Aber es laufen auf jeden Fall auch die guten alten Hip Hop Scheiben von Freundeskreis, Blumentopf, Main Concept, Beginner, Dende und Co. bei mir, aber auch sehr viele Alben von Freunden und Bekannten findet man in meiner Playlist.
Privat stehe ich aber in der Tat eher mehr auf Soul, Reggae und melodischen Sound, der durchaus auch deutsch sein kann. Dank meiner Mama bin ich aber auch mit Reggae und afrikanischer Musik groß geworden. Sie hat viele Freunde aus Afrika und meinen beiden Schwestern (8 und 17j.) sind halb Afrikanerinnen. So kam die supergeile Musik, wie ich finde, einfach in mein Haus und blieb hängen. Von Bob Marley über Fela Kuti bis hin zu Harry Belafonte und afrikanische Volksmusik war so ziemlich alles da. Im Augenblick höre ich ein Livekonzert von Lauren Hill..

Das Album ist sehr abwechslungsreich. War das den Plan bei den Aufnahmen oder hat sich das so ergeben?

Da ich über vier Jahre an dem Album gearbeitet habe und ich es schon tausend mal releasen wollte, habe ich aufgegeben, über ein Konzept nachzudenken. Es hatte hier und da mal gute Ansätze, aber jetzt ist es ganz einfach Musik aus einer großen musikalischen Zeitspanne meines Lebens, was das Album eben so abwechslungsreich macht. Lieder von 2001 und von 2007 sind da drauf. Ich könnte ja hinter jeden Song, das Entstehungsdatum schreiben. Hehe.

Man hört, dass Du viel Wert auf gute Reime legst. War das schon immer so oder ist das der Hamburger Schule zuzuschreiben?

Ganz ehrlich!?! Hamburg ist schuld. Auf jeden Fall. Jeder um mich herum hat gerappt. Da reichte einfach nur rappen lange nicht mehr. Als ich 2001 in Hamburg zu freestylen anfing, war auch klar, du kannst nur mit flüssigem Flow und anständigen Reimen in einer Runde mithalten. Dann kamen die freshen Reime mit der Zeit einfach rausgesprudelt und dank der Freestyles entstanden auch viele gute Textideen.

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