Sookee - Frage Antwort Interview
Mit ihrem Debutalbum "Kopf Herz Arsch" beweist Sookee dieser Tage, dass Rap aus weiblichem Munde nicht propagieren muss, dass er weiblich ist, sondern einfach für sich stehen kann. Das Album der Berlinerin klingt locker und erfrischend aus den Boxen, als hätte sie noch nie etwas anderes getan - ähnlich verlief auch das Interview, welches ich mit der Einundzwanzigjährigen führte. Überzeugt Euch hier selbst davon.

Was mir aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass viele Leute das Artwork Deiner CD eher mit einem R'n'B- oder 0815-Clubrap-Album verbinden. Ist diese Diskrepanz kalkuliert?


Grundsätzlich kann man sagen, dass ich Dinge mag, die nicht so vorhersehbar sind. Ich bin für Überraschungen. Es gefällt mir, wenn man Leuten nicht ansieht, was sie im Endeffekt leisten können. Und dass die Bilder, respektive das Artwork so wurde, wie es wurde, lag lediglich daran, dass ich die Farbe Lila auf jeden Fall drin haben wollte, da ich persönlich viel damit verbinde. Der "rote Faden" wurde also der "Lila Faden". Es sollte einfach möglichst professionell aussehen. Meine Schwester hat also die Fotos geschossen und Mad Maks hat das Artwork dann um die Bilder herum gebaut. Letzten Endes wurde es dann eben so "shiney". Man mag sich eventuell etwas anderes vorstellen, wenn man das Cover sieht aber vielleicht ist das dann letztlich zum Konzept geworden.

Dass Du gerade Gender Studies als Fach belegst, finde ich ein wenig ironisch, wenn ich mir überlege, dass Du Rap als Ausdrucksform gewählt hast. Das ist ja ein höchst maskulinorientiertes und weitgehend homophobes Medium. Gerade daher wäre es aber interessant eine Einschätzung Deinerseits zu haben, weshalb weiblicher Rap nur als Ausnahmeerscheinung eintritt, respektive akzeptiert wird.

Das ist wieder solch ein Fall, in dem zwei Dinge auseinander klaffen - das wiederholt sich in meinem Leben. Also prinzipiell muss ich sagen, dass das Interesse für Gender Studies schon immer gegeben war. Selbst zu Zeiten, in denen ich nicht wusste, dass es dieses Fach überhaupt zu studieren gibt. Dazu muss ich sagen: ich habe sehr viel mit Leuten über dieses Thema diskutiert - und irgendwann begonnen mich selbst damit zu nerven. Ich hatte irgendwann mal eine Hausarbeit zum Thema "Was ist ein Female MC - zur Position und Positierung rapaktiver Frauen in Deutschland" geschrieben und nach dreiundzwanzig Seiten hat mein Computer das Ding gefressen. Es war WEG. Das war dann für mich ein Zeichen, es endlich gut sein zu lassen. Erst letztens habe ich eine Mail von einer Studentin aus Köln bekommen, die etwas ähnliches schreiben möchte und wohl gelesen hat, dass ich dazu etwas in der Backspin gesagt hatte. Somit habe ich also nachträglich noch die Möglichkeit, meinen Käse dazu zu geben. Im Endeffekt muss ich aber sagen, dass ich - mit dem richtigen Maß an Distanz - sehr viel von der ganzen Sache lernen kann. Soll heissen: wenn ich das aus 'ner Gender-Perspektive und nicht meiner Sookee-Sichtweise heraus betrachte, kann ich davon sehr viel lernen und sehr viel verstehen. Klar, wenn ich auf der Bühne bin und irgendwelche Leute dumme Sachen bringen, dann muss ich mich halt damit abfinden - es ist halt die Realität. Ausserdem sind ja nicht unbedingt (nur) die Männer das Problem. In den Gender Studies ist man seit den Achtzigerjahren schon soweit, dass es eine weibliche Mittäterschaft gibt. Jede Frau, die die Sache mitspielt und die Clichés reproduziert, hat Mitschuld an dieser ganzen Geschichte. Das sind aber Dinge, die oft ausgeblendet werden. Wenn's in Interviews darum geht, sage ich oft "Rap hat Sexismus nicht erfunden - er macht es nur sehr deutlich". Für mich ist sogut wie jede Waschmittelwerbung (fast schon) sexistischer, da sie subtiler ist. Daher sollte die Öffentlichkeit dieses Medium viel stärker nutzen und nicht nur sagen "Öh, die sind alle voll doof und haben was gegen Schwule." Viel mehr sollten die sich fragen, WARUM das so ist. Und dass Frauen nur bedingten Anteil an der Sache haben, ist ja nur naheliegend. Alles was über Bitch, Lady, Sister oder Queen hinaus geht, muss erstmal gezeichnet werden und sich durchsetzen. Das gibt's bei mir auf dem Album nicht. Es gibt auch den typischen "Hallo, Leute - ich bin eine Frau und rappe"-Track nicht. Also...ich hab' sowas zwar schonmal geschrieben aber zum Glück nie aufgenommen und/oder veröffentlicht.

In Deinem Info-Sheet steht, dass es Dein Anspruch ist, Rap zu einer Musik zu machen, für welche man sich - im postpubertären Lebensabschnitt - nicht mehr zu schämen braucht. Soll heissen: zu einem Genre, welches erwachsen klingt. Nun stellen sich mir zweierlei Fragen: a) denkst Du, dass ein älteres Publikum einer Einundzwanzigjährigen derlei überhaupt zugesteht? Was dies angeht, sind Menschen ja gerne mal igno- und arrogant. Und damit verbunden wäre b) die Frage danach, ob dieses Ziel einer Rap-Renaissance nicht ein wenig illusorisch ist.

Naja, ich meine: ich musste mich ja irgendwie positionieren. Ein Image auf zu bauen ist immer sauschwer. Insgesamt kann man auf jeden Fall beobachten, dass Rap so 'ne Kiddie-Sache geworden ist. Zum Beispiel merke ich, dass Leute aus meiner Uni Rap hören, sobald sie aber in die Uni kommen, ihren MP3-Player leiser machen, damit auch sicher niemand mitbekommt, dass man Rap hört. Von daher: die Arroganz von der Du sprachst, die besteht ohne Zweifel. Vielleicht ist dieser Anspruch illusorisch, doch es war mir einfach wichtig, dass ganze mal beim Namen zu nennen. Ich will Rap ja auch nicht neu erfinden, sondern lediglich beifügen, was - meiner Meinung nach - noch nicht Bestandteil dessen war. Ich hab' auch einige Resonanzen von Leuten jenseits der Zwanzig bekommen, die mit dem ersten Teil des Albums relativ wenig anfangen konnten, für Lieder wie "Synästhesookee" oder "Hallo"...naja, ich will jetzt nicht sagen "dankbar waren" aber eben sagten, dass sogar sie etwas daraus ziehen könnten.

Derzeit ist es ja sehr en vogue zu proklamieren, wie behindert akademische Bildung ist, dass Studenten sowieso "Opfer" sind und das wichtigste Street Appeal wäre. Du erwähnst auf Deinem Album mehrmals, dass Du Studentin bist und Dir Ausdruck, respektive Sprache allgemein, wie auch Bildung (sowohl schulisch, als auch sozial und politisch) wichtig sind. Würdest Du Dich als Studentenrapperin bezeichnen?

Och, wenn das jemand hören möchte: von mir aus. Ich bin Rapperin und studiere. Folglich bin ich - die Worte mal verbunden - eine Studentenrapperin [Sookee lacht; Anmerkung des Verfassers]. Vielleicht war's auch einfach so 'ne Antiidee meinerseits. Soll ich das ganze verleugnen?! Ich meine: aus diversen Rapkarrieren haben wir ja gelernt, dass es mitunter besser ist, die Dinge vor zu kehren, die im Nachhinein zum "Verhängnis" werden könnten. Deshalb finde ich fantastisch, wie Rhymin Simon das macht. Dass er seit ungefähr tausend Alben inhaltlich das gleiche bringt ist eine Sache, dass nebenher aber trotzdem das mit dem Doktortitel in Mathematik besteht und er immer wieder sagt "Leute, geht so lange wie möglich zu Schule", wenn auch natürlich immer beigefügt wird "seid besser als die Frauen", finde ich einfach hammer. Dafür ginge ich wirklich gerne mal zu ihm, um ihm dafür zu danken - ich wollte gar nicht mal weiter mit ihm reden - er hätte sicherlich auch kein Interesse daran - aber DAS finde ich wirklich gut! Aber sowas fehlt einfach. Verantwortung hin, Verantwortung her - Bushido meinte letztens im Fernsehen, dass er erst lernen müsse, mit seiner Verantwortung um zu gehen. Ich will jetzt keine Clichés bemühen...aber...mich interessiert wirklich, ob gewisse Leute in ihrem Kokswahn und dem Erfolg, den sie gerade haben, nicht sehen und oder verstehen (können), welch grossen Einfluss die auf die Menschen haben. Angesichts dessen finde ich es daneben zu sagen: "Ey, Alter - scheiss' auf Schule! Ich kann auch nur rappen und fick' trotzdem jeden Tag 'ne Andere. Ich bin der King." Wenn sie das nur dächten, hätte ich damit keinerlei Problem. Man sollte aber überlegen, wie populär man das ganze macht! Wenn die Kinder dann nämlich ein gewisses Alter erreicht haben und das und das Album nicht mehr hören, werden sie dasitzen und sich sagen "Scheisse Alter, ich hab' die letzten drei Jahre meines Lebens versemmelt." Daher sage ich immer, dass ich zur Uni gehe und meinetwegen auch Stundentenrapperin und all das - gleichermaßen bin ich aber auch verdammt dankbar dafür! Das klingt jetzt total moralisch und appellierend aber es ist doch so, dass am anderen Ende der Welt Leute DANKBAR dafür wären, auf die Schule gehen zu dürfen, ohne die Familie dafür verlassen zu müssen oder täglich dreissig Kilometer zu Fuß dort hin laufen zu müssen. Vielleicht ist das auch extrem naiv aber so sehe ich das einfach. Wir hatten eben die Möglichkeit mir ein Image zu basteln, wie es viele andere machen - nämlich eines, welches überhaupt nichts mit dem eigenen Leben zu tun hat oder es authentisch zu machen. Und das gehört einfach zu meinem Leben.

In die gleiche Kerbe schlägt "Sprich!", in welchem Du den Stellenwert der Sprache der heutigen Zeit ansprichst. Das Lied hat ja einen recht kritischen Ansatz. Nun interessiert mich, ob die alltägliche Verkrüppelung der Sprache für Dich einfach zu einem Faktum geworden ist, welches Du so hinnimmst oder es gerade mit fortschreitender Lebenserfahrung zum Stein des Anstosses wird.

Naja, es gibt ja auch schon populärwissenschaflich Dinge, die sich recht gut verkaufen - gerade dieser Zweiteiler "Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod", der war ja in diversen Bestsellerlisten ganz weit oben. Und sowas freut mich dann. Da fühle ich mich unterstützt, respektive bekräftigt. Vielleicht ist es auch zur "Berufskrankheit" geworden, jedes Komma in jedem Text an die richtige Stelle setzen zu wollen - ich studiere ja auch noch Linguistik. Man hat in der Vergangenheit ja immer wieder in den verschiedensten Epochen gemerkt, welche Macht Sprache hat - wie Sprache das Denken beeinflusst und wie das Denken die Sprache beeinflusst. Klar, durch Rap und die Uni habe ich zahlreiche Möglichkeiten mich diesbezüglich aus zu leben, wenn ich aber privat mit Leuten darüber reden kann - ohne ihnen dabei auf den Schlips zu treten - tu' ich das auch. Einfach um mich aus zu tauschen und zu wissen, wie die Menschen (darüber) denken. Letztendlich ist Sprache einfach das Non Plus Ultra - das ultimative und somit auch wichtigste Kommunikationsmedium. Ich lerne nebenbei zum Beispiel noch die deutsche Gebärdensprache und das ist einfach ein wahnsinniges Erlebnis. Zu spüren, wie Kommunikation - fern von Worten - noch funktionieren kann, ist einfach unglaublich. Somit kann man auf jeden Fall sagen, dass es keinen Moment gibt, an dem ich das ganze ausschalte und nicht mehr drauf achte - höchstens wenn man sehr betrunken ist und es nicht mehr rafft [Sookee lacht; Anmerkung des Verfassers].

Welches Lied mich vom Ansatz her sehr beeindruckt hat, war "Synästhesookee". Wie kamst Du gerade darauf, die Synästhesie, welche ja oft als Geisteskrankheit deklariert wird, als Thema zu berappen?

Also, das Ding ist eigentlich schon sehr alt - so um die zwei Jahre - wir haben lediglich den Beat geboostet und das ganze neu aufgenommen. Im Endeffekt war das 'ne vollkommen spontane Sache. Der Phonogam saß da an seinem Rechner und hat das Ding gebastelt. Ich hab' das jedenfalls gehört, mich daneben gesetzt und dann dieses Teil geschrieben. Zur Thematik: meiner Meinung nach ist es eine Bereicherung dies zu können. Es läge und liegt mir vollkommen fern, das ganze als Krankheit zu bezeichnen! Ich denke mal, dass das für Leute, die dies nicht kennen, durchaus überfordernd wirken kann - durch die Einnahme gewisser Drogen kann man ja ähnliches erleben - dennoch finde ich, dass das ein gewisser Mehrwert ist. Dadurch erlebt man das Leben ja um einiges umfassender. Der Wahrnehumg sind keine Grenzen gesetzt und eine Normalität ist nicht gegeben. Natürlich werden jetzt Leute mit dem definitorischen Ansatz kommen: Dinge die mehrheitlich funktioniern sind normal aber das ist ja auch 'ne Frage der Perspektiven. Im Endeffekt war das Lied eine weitere Möglichkeit mich sprachlich aus zu toben. Es war nicht ohne, diese fünf Sinne immer wieder auf andere Art und Weise mit einander zu verknüpfen.

Wo möchtest Du - realistisch und differenziert betrachtet - mit diesem Album hin? Worauf spekulierst Du an Erfolg, Relevanz und/oder Einfluss des ganzen?

Je mehr man erwartet, desto stärker wird man enttäuscht. 'Ne Chartplatzierung wäre der Hammer aber damit kann man nicht rechnen, da es zu viele gibt, die ihr Ding gut machen. Natürlich will ich, dass wir die Kosten reinkriegen und der Nächste sein Album machen kann - überhaupt, dass Springstoff ein wenig mehr Aufmerksamkeit bekommt und ich dafür - zwischenzeitlich - ein bisschen das Zugpferd bin, bis der Nächste kommt. Die Konkurrenz ist einfach riesig und in diesem Rahmen ist es ungemein schwer bemerkt zu werden - das merken wir vor allem in Berlin, wenn es um Auftritte geht. Wenn wir in Berlin auftreten, sind da eine Hand voll Leute, gehen wir irgendwo anders hin, ist es sauvoll - einfach weil Berlin an Quantität recht übersättigt ist. Jedenfalls kann ich letztlich nicht sagen, was ich "will" - ich hab' mir kein Ziel gesetzt. Was kommt, das nehm' ich einfach mit. Im Endeffekt hab' ich's für die Crew gemacht und nicht für mich.

Somit wäre ich mit meinen Fragen durch, bedankte mich für das Interview und überliesse Dir das Schlusswort.

Wer anderen eine Bratwurst brät, der braucht ein Bratwurstbratgerät - keine Ahnung [Sookee lacht; Anmerkung des Verfassers]. Ich bedanke mich bei Dir und wünsche allen alles gute.
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