In den vergangenen Tagen und Wochen war viel los bei Kollegah und Farid Bang: "JBG3" wurde für den ECHO nominiert und die Nominierung wurde anschließend aufgrund einer vermeintlich antisemitischen Line geprüft. Nun steht fest, dass die ECHO-Nominierung der beiden Künstler bestehen bleibt. Das entschied der Ethik-Beirat des Musikpreises laut BILD-Zeitung soeben.
Nachdem insbesondere Kollegah sich in der Zwischenzeit weiteren Antisemitismusvorwürfen ausgesetzt sah und die Medien zu "objektiver" Berichterstattung über die Verschwörungstheorie Pizza-Gate aufforderte, ist nun zumindest die Diskussion um die Nominierung von "JBG3" beendet. Die Entscheidung des Beirats stößt allerdings nicht überall auf Verständnis. Dr. Josef Schuster ist Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland und kritisiert die Entscheidung scharf. Dabei bezieht er sich nicht nur auf eine Line:
Auf dem Album finden sich gewaltverherrlichende Texte, die sich auch auf das Attentat am Berliner Breitscheidplatz beziehen.
Während von Zuwanderern gefordert werde, die Werte unserer Gesellschaft zu akzeptieren, würden Kolle und Farid in ihren Liedern Gewalt und Intoleranz anpreisen, so Dr. Schuster weiter.
Das stimmt zwar, dennoch sollte die Diskussion im Blick halten, dass die Lines auf dem Album im Rahmen eines Battlerap-Kontextes stattfinden, das per Definition Grenzüberschreitung als künstlerische Ausdrucksform nutzt. Inwiefern eine solche Line, die zweifelsfrei hart an der Geschmacksgrenze ist, im Rahmen der künstlerischen Freiheit zu tolerieren ist, darüber lässt sich ausgiebig streiten.
Der Ethik-Beirat hat eben diesen Konflikt erkannt und ist zu dem Schluss gekommen, dass "JBG3" die Grenze der Kunstfreiheit "nicht so wesentlich übertrete", als das ein Ausschluss gerechtfertigt sei. Wolfgang Börnsen, Sprecher des Beirats, äußert sich dazu wie folgt:
Bei der Nominierung der Künstler Kollegah und Farid Bang mit dem Album "Jung Brutal Gutaussehend 3" für den ECHO handelt es sich um einen absoluten Grenzfall zwischen Meinungs- und Kunstfreiheit und anderen elementaren Grundrechten. Wir stellen fest, dass dieses Album nicht auf dem Index der Bundesprüfstelle steht, schließen aber nicht aus, dass es noch eine behördliche Befassung geben sollte. Die Wortwahl einiger Texte, wie bei dem Titel "0815" auf der Beilage-EP "§ 185", ist provozierend, respektlos und voller Gewalt. Sie als Stilmittel des Battle-Raps zu verharmlosen, lehnen wir ab und möchten an dieser Stelle unsere deutliche Missbilligung gegenüber der Sprache und den getroffenen Aussagen unterstreichen.
So weist der Beirat ausdrücklich daraufhin, dass dessen Mitglieder die Verharmlosung der Wortwahl mit Verweis auf den Battlerap-Kontext ablehnen. Mit ihrer Entscheidung erkennen sie allerdings an, dass der Kontext Battlerap zu berücksichtigen ist und möglicherweise doch andere Grenzen hat als andere Kunstformen. Kunst seid dazu da, zu provozieren und der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten.
Dass der Rat zu dem Ergebnis kommt, ein formaler Ausschluss sei nicht der richtige Weg, bedeutet allerdings nicht, dass er die Diskussion für beendet oder überflüssig hält. Im Gegenteil empfiehlt Dr. Florian Drücke, Bundesvorsitzender des Bundesverbandes der Musikindustrie, der den ECHO verleiht, eine gesellschaftliche Institution zu schaffen, die sich mit solchen Themen beschäftigt. Diesen Rat hatte der Ethik-Beirat des Echos in seiner Entscheidung über "JBG3" gegeben.
Dr. Drücke merkt an, dass der ECHO allein auf Verkaufszahlen basiere. Da das Album frei verkäuflich sei, könne es nicht Aufgabe eines Wirtschaftsverbandes sein, Kunst rückwirken zu "be- oder entwerten". Sein Statement in voller Länge:
Meinungs- und Kunstfreiheit sind zentrale gesellschaftliche Errungenschaften. Ihr Schutz ist deshalb von höchster Bedeutung. Es gibt jedoch Fälle, die nicht von diesen Freiheiten gedeckt sind. Um solche Fälle in einem kompetenten Gremium zu diskutieren, haben wir seinerzeit für den ECHO einen unabhängigen Beirat ins Leben gerufen. Mit Blick auf ‚JBG3‘ hat sich dieser nicht für einen Ausschluss von der Nominierung entschieden. Wir respektieren die Entscheidung, auch wenn die Sprache dieses Albums nicht unsere ist und wir Verständnis dafür haben, dass es viel Betroffenheit gibt. Es sollte dabei allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass der ECHO ein Preis ist, der auf Verkaufszahlen basiert. Die aktuelle Diskussion entzündet sich insofern am wirtschaftlichen Erfolg eines Produkts, also an der Wirkung und nicht an der Ursache. Es kann aber nicht Aufgabe eines Wirtschaftsverbandes sein, freiverkäufliche Produkte im Nachhinein zu be- oder entwerten. Wir folgen der Anregung des Beirats, uns an einer ernsthaften Debatte über den Wert und die Grenzen von Kunst- und Meinungsfreiheit zu beteiligen, damit dieses wichtige Thema nicht nur in einer zunehmend affektgetriebenen Medienwelt rund um den ECHO diskutiert wird.
Einige dieser Argumente sind natürlich schon gehört worden. Dennoch ist das Argument, das es eben nicht Aufgabe eines Wirtschaftsverbandes sei, Kunst zu bewerten, nicht von der Hand zu weisen. Der ECHO ist ein Preis, der auf Verkaufszahlen basierend verliehen wird. Insofern wäre ein Ausschluss von Farid Bang und Kollegah nur bei einer klaren Grenzüberschreitung vertretbar gewesen, die das Gremium offenbar nicht gegeben sah.
Die gesamte Erklärung des ECHOs findest du hier:
Zur Diskussion um das Album „JBG3" von Kollegah & Farid Bang sowie zum Beschluss des ECHO-Beirats
Verbale Provokationen sind ein Wesensmerkmal des Genres Battle-Rap und unterliegen, solange sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen, der künstlerischen Freiheit. Die jeweiligen Songs kann und soll man selbstverständlich kritisch hinterfragen. Denn dazu ist Kunst schließlich auch da: Gesellschaft zu provozieren und ihr einen Spiegel vorzuhalten.