Chamillionaire - Kein Teil des Hypes
Die ganze Welt guckt auf Texas. Und sie kann einfach nicht genug kriegen von Mündern, die an Schatzkisten denken lassen, wenn sie sich öffnen. Autos, die die Farbe haben wie irgendwas aus deiner gemischten Tüte, und die von morgens bis abends den Kofferraum offen haben. Und jedes Album gibts völlig standartmässig einmal in normal, und einmal so runtergepitcht, dass selbst Opa ganz genüßlich dazu bouncen kann. Und mittendrin Chamillionaire, ein kleiner Mann mit Grillz, dei denen man Abends das Licht aus lassen kann und Hooks, die Wochen im Kopf rum schwirren wie Fliegen um die Scheisse, ob man sie nun liebt oder haßt. Ein perfektes Beispiel für ein echtes Stück Houston. Aber irgendwie auch wieder nicht. Wir sprachen mit ihm im Hilton in Köln.

So, erste Single Gold, zweite Single noch besser, das Album steht in den Läden... Wenn du nun zurückblickst, was denkst du über dein Album, Verkaufszahlen, Feedback?

Nun ja, eine Millionen Platte zu verkaufen ist eine große Herausforderung, jeder Rapper will eine Millionen Platten verkaufen, das ist 'ne beachtliche Zahl. Ich für meinen Teil werde jetzt auf jeden Fall noch keine Pause machen, ich erobere gerade internationale Märkte und will noch ein bischen was aus den Verkaufszahlen rausholen. Ich denke, da geht noch was.

Was hast du gedacht, als du das Album gedroppt hast? Warst du sicher dass du Platinum gehst?

Jeder Rapper will Platinum, aber alles was ich weiß ist, dass ich da raus gehe und hart arbeite. Ich hatte mir zwei Ziele gesetzt, das erste war ein gutes Album machen, und das zweite war, da raus zu gehen und hart zu arbeiten. Und das tue ich jetzt und das funktioniert ziemlich gut für mich.

Hast du deine Art zu arbeiten verändert, seit du bei einem Major-Label bist?

Natürlich hat sich meine Art zu Arbeiten geändert. Weißt du, wenn du Mixtapes machst, kannst du machen was du willst, aber bei einem Album geht es um mehr. Ein Album hat eine bestimmtes Konzept, nach dem es aufgebaut ist, es sind plötzlich viele verschiedene Leute involviert, die auch alle ihre Entscheidundskompetenzen haben und du mußt auch an das Publikum denken, weil die Leute dann ja hinterher die Platte kaufen sollen. Und ja, ich habe mir diese Gedanken gemacht.

Man nennt dich den Mixtape Messiah, welche Bedeutung haben die Mixtapes heute noch für dich, vor allem im Vergleich zur Arbeit an einem Album. Was ist dir lieber? Freestyles für Mixtapes zu kicken oder lieber die vergleichsweise ernstere Arbeit am Album?

Ich denke ich mag beides, beides hat was für sich. Mixtapes machen ist cool weil du so viele Freiheiten hast, du kannst quasi sagen was du willst, es gibt nicht dieses strenge Konzept, aber ich mag es halt auch richtige Tracks zu machen, weil es eine größere Herausforderung ist. Weisst du jeder kann kommen und ein bischen über dies und das rappen. Aber einen richtigen Track zu machen und durch sowas deine Karriere zu starten, zeigt halt erst richtig dass du ein Artist bist. Deswegen mag ich richtige Songs machen wahrscheinlich noch mehr.

Die erste Single ist nicht direkt so gut angelaufen, sie hat ein bischen Zeit gebraucht um einzuschlagen. Hat dich das nervös gemacht?

Nö, überhaupt nicht, weil ich ein optimistischer Mensch bin. Ich hab meine Single 500.000 mal verkauft. Heute haben die Leute ihre eigene Sicht, was gut ist und was nicht. Wenn du heute den Leuten "Gold" sagst, gucken sie dich an als wär das was Schlechtes, aber früher war es nicht schlecht eine Platte 500.000 mal zu verkaufen. Für mich sind 500.000 gut, wenn ich meine Kohle dafür in der Hand halte, dann ist das eine gute Zahl für mich. Und bei mir war das eh was anderes, ich bin kein Co-Signing, ich hab keinen großen Act vor mir, der es schon geschafft hat und der sagt: Hier, das ist Chamillionaire, der Mann den ihr buchen müsst. Ich bin auf meinen eigenen zwei Füßen in dieses Game gekommen, es war "ich-gegen-die-Welt" mit meiner Single, und ich denke, ich habs gut gemacht. Ridin' ist schneller in die Charts geschoßen als Turn it up, aber ich finde beide meine Singles sind sehr gut gelaufen.

Ist da ein bestimmter Song auf deinem Album, der dir persönlich am Meisten bedeutet? Wegen seinem Inhalt oder so?

Ich mag Rain mit Scarface, denn Scarface ist eine Legende und die ganzen Mixtape Tracks haben halt keinen wirklichen Inhalt, aber Rain hat einen richtigen Inhalt, da steckt etwas dahinter.

Deine Gefühle nach dem Album?


Ich bin glücklich so wie die Dinge gelaufen sind und alles passiert aus einem bestimmten Grund, selbst wenn ich ein bischen langsamer angefangen hab als andere. Und selbst wenn ich vorher da saß und dachte, warum krieg ich nicht die Kohle die andere kriegen, guck doch mal jetzt, wie es jetz läuft, ich verkaufe mehr als manch anderer. Ich würde nichts anders machen, wenn ich zurückgehen könnte und ich habe die Kontrolle über mein Projekt. Bist du glücklich mit deinem Label und der Arbeit, die es macht?

Yeah, ich bin definitiv glücklich mit meinem Label, ich kann mich nicht beschweren. Weißt du, alles was ich wollte, ist das meine Platten überall vertrieben werden. Manchmal hängst du so zwischen zwei Stühlen, weißt nicht genau was dein Label macht, ob sie dich gut promoten, und du bist im Stress... Also was ich gemacht habe, ist jeden Tag auf die Strasse gehen und selbst Promo für mich zu machen. Aber mein Label hat seinen Job schon gut gemacht.

Wieso glaubst du bist du so erfolgreich ohne den üblichen Drug-Sellin'- und Gun Clappin'-Kram?

Weil ich so bin, wie ich bin. Wenn ich so tun würde, als wäre ich einer von denen, würden viele Leute merken, dass es in Wirklichkeit nicht so ist. Und ich glaube, die Leute heute gucken eher nach Dingen die Real sind. Und du kannst deine Hörer nicht verarschen, wenn du real bist, und real zu dir selbst bist, dann wissen die Leute mehr zu schätzen was du machst.

Denkst du, es ist ein Problem dass heute im amerikanischen Main-Stream alle Gangster sind oder vorgeben, es zu sein?

Yeah, weil manche Leute das Gangsta Ding machen, weil es wirklich so ist, und weil ihr Leben wirklich so ist, aber der Rest von den Jungs sind nur Trittbrettfahrer. Als die Geto Boys damals ihre Gangsta-Musik gemacht haben, da ging es ihnen noch um das Rebellions-Ding, aber noch nicht um das Industrie-Ding, um die Kohle, weißt du? So viele Leute, die ich hab hören sagen, dass sie Gangsta sind, wissen nicht einmal was das bedeutet. Oder Beef. Leute schmeißen mit solchen Wörtern um sich, und haben überhaupt keinen Schimmer, was das eigentlich bedeutet. Also ich finde es sind definitiv zu viele Nachahmer am Start, aber its all good, weil das wird sich mit der Zeit wieder ändern.

Du bezeichnest dich nicht als Gangsta. Wie haben wir den Song No Snitchin' zu verstehen? Was meinst du mit snitchen wenn es nicht um illegale Dinge geht?

Jeder kann verraten werden, sogar deine Oma kann verraten werden, weißt du was ich meine? Das ist halt der Code of the streets. Die Tatsache, dass ich kein Gangsta bin, heißt nicht, dass ich nicht von Gangstern umgeben war und mit ihnen zu tun hatte. Aber weißt du, es geht nicht darum wer du bist. Stell dir vor: Sagen wir zwei Brüder, die sich streiten, und du bist bei ihnen. Du solltest dich lieber raushalten, kümmer dich um dein eigenes Business, sonst kann das, was du sagst, dich in Probleme bringen. Dich in andere Leute Probleme zu mischen, kann dich in Trouble bringen, und die Strasse hat defintiv etwas, was die Leute umbringt, und ich will niemanden sterben sehen, also sage ich den Leuten, es wird nicht gesnitcht, kümmer dich um dein eigenes Zeug.

Andere Rapper wie Lil Flip oder Paul Wall representen Houston sehr stark, als Teil ihres Images, du dagegen versuchst eher universell zu erscheinen. Ist das richtig?

Ahh, ich, weisst du, ich bin einfach ich. Natürlich wissen die Leute, ich bin aus Texas, auch durch verschiedene Aspekte in meiner Musik, aber ich versuche universell zu bleiben, universelle Musik zu machen, das ist das Beste, was man machen kann. Ich bin immer so gewesen, es ist nicht so, dass ich das mal so und so gemacht hab und mich dann geändert habe. Ne, hör dir mein allererstes Freestyle-Mixtape an, ich hab schon immer meine Hooks gesungen, und ich hab schon immer Sachen gemacht, zu denen die Leute hingezogen werden, das war schon immer mein Plan, aber natürlich mit einem bisschen Texas-Einfluss und -Style dabei. Das ist mein Ziel. Heute kannst du den Texas Stuff bringen und die Leute akzeptieren das, aber vorher ging das gar nicht.

Also wie wichtig ist die aktuelle Dirty South Bewegung für dich? Glaubst du, das hat deiner Karriere geholfen oder hättest du es sowieso geschafft?


Yeah, ich denke ich hätte es sowieso geschafft, aber es ist wichtig für mich, Teil des Movements zu sein, weil es das einfacher für die Leute gemacht hat. Einfacher es zu akzeptieren. Und die Leute haben ihr Auge halt auf Houston, sie warten auf das nächste Ding, das aus Houston kommt, und das hat es natürlich einfacher für mich gemacht, zu tun, was ich tue.

Warum glaubst du wirst du dich länger halten, als der Hype um Houston?

Weil ich mich darauf konzentriere, ein Karriere-Artist zu sein, weißt du. Ich konzentriere mich nicht nur darauf, über bestimmte Dinge in Houston zu sprechen, weil wenn das vorbei ist, wenn das ausstirbt, stirbst du mit aus. Das ist wie als wenn ich sagen würde, ich bin der König der throwback-Jerseys und alles was ich mache, ist, von throwback-Jerseys zu quatschen. Wenn die Leute aufhören, throwback-Jerseys zu tragen, dann bin ich nicht mehr relevant, also versuche ich über möglichst viele verschiedene Dinge zu rappen.

Glaubst du, es wird eine neue Generation geben, von Rappern, die mehr so sind wie du? Ohne den gewohnten Image-Gangster-Kram?


Ja, mit Sicherheit. Ich hoffe, dass da noch mehr MCs wie ich kommen werden, also ich meine nicht genau wie ich, ich meine Menschen, die keine Angst haben, ein Risiko einzugehen und über ihren Tellerrand hinaus zu schauen. Jetzt ist es noch etwas früh, weil die Leute immer noch denken, ich bin ein ganz neuer Artist, aber später werden die Leute schon sehen und dann werden eine Menge neuer Artists kommen, vor allem aus Houston, Texas.


Die Einstellung von Chamillionaire, sein Ding selbst in die Hand zu nehmen, ist ein zentraler Punkt in seiner Rap-Karriere. Er wuchs auf mit Paul Wall und die beiden begannen zusammen zu rappen. Sie veröffentlichten zusammen diverse Mixtapes, die übrigens nicht von Gangsta-Attitudes und Houston-Klischees gespickt waren. Während Chamillionaire diesem Weg auch immer treu geblieben ist, beschloß Paul dann später, inhaltlich eher in eine andere Richtung zu gehen. Dies geschah aber erst nach ihrem Bruch.

Beide fanden damals ihr Rap-Zuhause bei Swisha-House, die Mixtape Flut von Chamillionaire riss niemals ab und seine Verkaufszahlen in Houston waren die ganze Zeit über beachtlich. Leider war das noch nicht die blühende Zeit des Labels, da der dreckige Süden derzeit noch nicht ins Ohr und Herz der restlichen Welt vorgedrungen war, was Chamillionaire dazu bewegte, Solo seine eigenen Wege zu beschreiten. Denn die Bezahlung war nicht das, was er sich vorstellte. Eine Familie zu ernähren war, was er zu erfüllen hatte, eine Bürde, die Freund Paul wohl nicht oblag. So trennten sich die Wege von Chamillionaire und Swisha-House und somit auch von Paul. Im Endeffekt war der einsame, steile Pfad ein etwas längerer zur Bank, dafür ist sich Chamillionaire aber die ganze Zeit über treu geblieben, und das zahlt sich jetzt doppelt aus.

Cham ist mit Sicherheit ein ungewönlicher MC, nicht nur wegen seiner freundlichen und ruhigen Art. Die Tatsache, dass er mit niemandem Beef haben will, seine Worte mit Bedacht wählt und das gesamte Interview ohne Fäkalsprache und das N-Wort ausgekommen ist, sind sicher ungewöhnliche Eigenschaften für einen Rapper. Aus vergangenen Interviews hat sich mir im Vorfeld das Gefühl aufgedrängt, Camillionaire eher als Geschäftsmann, als als Rapper zu sehen. Die Einstellung gegenüber seinem Album und der Promo-Arbeit an sich haben diesen Eindruck noch bestätigt. Von künstlerischem Ausdruck und spontanen Kreativitätsausbrüchen war nicht gerade die Rede, aber schlecht muss das trotzdem nicht sein. Sicher ist, dass es ihm nicht an Professionalität und Ehrgeiz fehlt. Und ehrlich zu sich selbst und zu seinen Fans zu sein, ist sicher eine der wichtigsten Eigenschaften für einen Rapper, der auch langfristig das Hiphop-Business in der Hand halten will.

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