"Niemand sagt mir, was ich zu tun habe": Evidence über persönliche Krisen, Vaterschaft & "Weather Or Not" (Interview)

Evidence besitzt die Fähigkeit, mit seinen Texten Menschen zu berühren, ohne uncool zu sein. Er rappt vielleicht nicht besonders schnell oder mit besonders komplexen Reimen, aber dafür aus Überzeugung und tiefstem Herzen. Offenheit, Intelligenz und ein unheimlich exaktes Sprachgefühl sprühen aus jeder Zeile. Dabei scheut das Dilated Peoples-Mitglied auch nicht vor düsteren Themen zurück. Wieso auch?

Wie soll ein Rapper über seine Großartigkeit rappen, wenn bei ihm gerade ganz andere, reale Sorgen im Vordergrund stehen? Evidence ist mittlerweile nämlich nicht nur stolzer Hausbesitzer und Vater eines zweijährigen Sohnes – leider kämpft er zur Zeit auch mit dessen Mutter gegen ihre schwere Krankheit. Trotz allem bleibt Evidence aber natürlich Rapper, Produzent (oder vielmehr absoluter Beat-Nerd) – und ist immer kreativ. Dadurch entsteht Musik, die niemanden kaltlässt, der sich einmal auf sie eingelassen hat.

Vor Kurzem ist "Weather Or Not" erschienen, das dritte Soloalbum von Evidence. Er läuft darauf zur Höchstformen auf und geht natürlich auch wieder dort hin, wo es richtig wehtut. Im Interview erklärt Evidence, wie das Album entstanden ist, was sich durch seine Vaterschaft verändert hat (auch im Bezug auf seinen Weedkonsum) und wieso er so offen mit persönlichen Krisen umgeht. Selbstverständlich fachsimpelt der Edel-Beatfrickler zwischendurch ausufernd über das Produzieren. Zu guter Letzt verrät er noch, wie die Chancen auf ein neues Dilated Peoples-Album stehen. Dass Evidence zusätzlich ein äußerst begnadeter Fotograf ist, der zu Ehren seiner verstorbenen Mutter fotografiert, wird natürlich ebenfalls besprochen.

Evidence. on Twitter

2017 was a big year for me creatively. Went through personal shit and worked through it. Can't wait to share the growth w the raps and beats

Du hast vor Album-Release getwittert, dass du es kaum abwarten kannst, den Leuten zu zeigen, wie sich deine Beats weiterentwickelt haben. Was würdest du als den größten Unterschied oder Fortschritt zu früher bezeichnen?

Evidence: Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass ich die Beats mache und nicht mehr die Beats mich. Ich setze mich hin und baue dir einen Beat, gib mir einfach irgendeine Platte – welche, ist egal. Ich fühle mich im Augenblick sehr offen, ich gehe also nicht den ganzen Tag nur Loops durch und versuche, den perfekten Loop zu finden, plus die passende Kick und Snare dazu. Ich ziehe es jetzt einfach durch. Ob es mein bester Beat ist oder nicht, mein Durchschnitt ist aktuell besser als je zuvor. Wenn ich mich hinsetze, stehen die Chancen gut, dass ich auch etwas zustande bringe. Es fühlt sich einfach gut an, zu wissen, dass dein nächstes Ding dein bestes werden könnte. Und du machst einfach weiter: Speichern, der nächste, speichern, der nächste. 

Auf "Weather Or Not" hast du die Beats zu "What I Need", "Moving too fast" und "Runners" selbst produziert. Welchen magst du am liebsten?

Auf meinen Soloalben stehen meine eigenen Produktionen eigentlich nie im Fokus. Ich bin zwar Produzent und denke, ich wäre auch in der Lage, ein ganzes Album für mich selbst zu produzieren, wenn ich das wollen würde. Aber das ist einfach wirklich schwierig, wenn du Alchemist als guten Freund hast und in deinem Telefon die Nummer von DJ Premier gespeichert ist! [lacht] Das fällt mir schwer und das ist mir schon immer schwer gefallen.

Ich investiere in letzter Zeit aber immer mehr in meine Produktion: Ich habe ein Album für Madchild prodziert, ich habe ein Album für Defari produziert, ich arbeite an einem Album mit Krondon und ein Instrumentalalbum soll auch kommen. Ich musste eine Weile zuhause bleiben, also habe ich jede Menge produziert. Irgendwann werde ich vielleicht auch nur meine eigenen Produktionen auf meinem Album haben.

Aber zu meinen Beats: 'Runners' – da bin ich stolz drauf. Ich habe den genau da und dort gemacht, Defari war direkt dabei und wir haben es sofort aufgenommen. Es gab keine Möglichkeit, nochmal darüber nachzudenken, wir haben es einfach gemacht. 

Die Beats hören sich allesamt sehr organisch an. Könntest du dir vorstellen, mit einer kompletten Band auf Tour zu gehen?

Ich würde das nur wollen, wenn ich ein Album mit einer Band gemacht hätte. Wegen der Drums! Wenn ich die Drums behalten könnte, vielleicht. Aber das ist doch das Ding an Hiphop, dass jeder Beat andere Drums hat, von einem anderen Break, von einer anderen Stelle. Aber du hast nur einen Drummer mit einem Kit. Er spielt dann zwar die Patterns richtig, es ist aber immer derselbe Drum-Sound, jedes Mal, bei jedem Song.

Der andere Punkt ist, dass ich es nicht mag, weil ich kein Musiker bin. Anders gesagt: Ich finde, Hiphop – mein Hiphop – ist gut, weil er Fehler hat. Ich weiß es manchmal einfach nicht besser und mache, was sich gut anfühlt. Das ist dann vielleicht nicht korrekt, es ist aber, was es ist. 

Du rappst in einer Zeile, dass dein Haus von der Polizei durchsucht wurde, "and all they found was a little pistol and some weed". Aber ist Weed nicht mittlerweile komplett legal in Kalifornien?

Das ist eine Story aus der Zeit, als ich zuhause ausgezogen bin. Ich habe über einer Garage gewohnt, die als eine Art Growhouse benutzt wurde. Aber das war vor einer Ewigkeit, vor fünfzehn Jahren oder zwanzig. Scheiße, ich weiß es nicht mal genau! [lacht] Naja, ich habe jedenfalls geschlafen, genau wie die Person, der das Haus gehörte. All diese Cops kamen herein und haben alles durchsucht. Sie hatten einen Tipp bekommen, dass andere Sachen dort wären, als wirklich da waren. Als sie kamen, war es dann nicht das, wonach sie gesucht hatten und so hat sich die Situation dann aufgelöst. 

Du bist jetzt Vater geworden.

Ja.

Wie hältst du es mit Weed rund um deinem Sohn?

Sehr gute Frage! Ich habe ein Haus und mein Studio ist separat vom Haus. Also bleibt mein Haus einfach clean – sehr, sehr clean! [lacht] Und hinten in meinem Studio kann ich machen, was auch immer ich machen will. Ich versuche, das voneinander zu trennen. Ich habe ihn aber schon auf Konzerte mitgenommen, ich habe ihn also in Umgebungen gebracht, wo ich sicher bin, dass es irgendwie in der Luft war. Ich will ihn nicht so erziehen, dass Weed irgendwie ein Tabu ist, so wie eine Generation oder zwei Generationen vor mir erzogen wurden. 

Erst recht, wenn es auch zum Privatgebrauch freigegeben ist.

Ja, genau. Ich denke, es wird irgendwann in der Zukunft  zu einem Gespräch kommen – hoffentlich! [lacht] Jetzt versuche ich einfach, das so gut voneinander zu trennen, wie es geht.

Dein Sohn ist jetzt zwei Jahre alt, oder?

Ja, an Weihnachten ist er zwei Jahre alt geworden.

Hat sich dadurch, dass du Vater geworden bist, dein Arbeitsprozess verändert? Das Touren?

Hmm, nein. Ja und nein. Die Realität auf dieser Erde sieht nun mal so aus, dass wir alle einen Job haben, richtig? Ich bin in der vorteilhaften Lage, dass mein Job anders ist als ein klassischer 9-to 5-Job. Wenn du morgens zur Arbeit gehst, siehst du dein Kind morgens und abends. Wenn ich auf Tour bin, muss ich für Monate weg. Aber wenigstens sehe ich meinen Sohn an den Tagen, an denen ich hier bin, immer den gesamten Tag. Mein Studio ist hinten, er ist im Haus. Ich gehe den ganzen Tag da ein und aus, wir gehen zusammen in den Park, machen unser Ding und so. Wenn du es zusammenrechnest, denke ich, dass die Zeit ungefähr dieselbe sein dürfte wie bei einem Standard-mäßigeren Leben. Es hat meinen Workflow aber nicht groß beeinflusst: Ich will ja auch, dass er mitbekommt, was ich tue, weißt du? Die einzigen Komplikationen gibt es, wenn Leute da sind und Weed im Studio ist. Das war's. Ansonsten ist er in so ziemlich alles involviert, was ich tue, und ich will auch, dass er es ist. 

Du wohnst immer noch in Venice Beach?

Ja.

Du rappst: "My neighbourhood became a place for actors and athletes". Wie hat sich deine Gegend verändert? Gibt es noch Dinge, vor denen du deinen Sohn schützen willst?

Es hat sich sehr stark verändert. Die Gegend ist wirklich reich geworden. Aber du kannst natürlich trotzdem nicht einfach eine komplette Stadt ändern, nur dadurch, dass ein paar reiche Leute einziehen. So wird es ein bisschen kompliziert: Welche Straße ist was? Es gibt noch Elemente von Venice, aber es hat sich viel verändert. Natürlich ändert sich alles. 

Einerseits vermisse ich, wie es war. Aber andererseits ist es so wahrscheinlich sehr viel sicherer, um mein Kind hier großzuziehen. Und es war definitiv eine große Investition für mich, mein eigenes Grundstück. Plus und Minus, schätze ich mal. Nichts bleibt, wie es ist. Das war der letzte Strand, der wirklich noch nicht nett war, sozusagen. Der letzte, der noch nicht komplett hübsch gemacht war. Also war klar, dass das eines Tages passieren würde. Jetzt habe ich Snapchat als Nachbarn und Google die Straße runter, das ist verrückt! [lacht]

Du selbst bist auch in Venice Beach aufgewachsen?

Ja.

Was sollte dein Sohn anders machen als du?

Für mich war es ein bisschen anders, weil ich zuerst bei meinen Eltern in einer netten Gegend von Santa Monica gewohnt habe. Nachdem sie sich scheiden lassen haben, bin ich mit meiner Mutter nach Venice Beach gezogen. Was zu dieser Zeit noch ein sehr günstiger Wohnort war. Aber wir haben eine Fake-Adresse behalten und so konnte ich noch in Santa Monica zur Schule gehen. Tagsüber war ich also gar nicht in Venice, sondern kam erst abends zurück.

Für die Schule hast du wirklich eine Fake-Adresse gebraucht?

Na klar! Hier kommt es oft vor, dass die Leute eine gute Schule finden und deswegen extra in eine bestimmte Gegend ziehen, für ihre Kinder. Venice hatte damals keine besonders guten Schulen, es war also wichtig, dass ich auf der Schule bleiben konnte, auf die ich schon gegangen war. Sie haben es irgendwie mit den Leuten geregelt, die das Haus gekauft haben, dass wir die Adresse behalten konnten. 

Was wäre dein Ratschlag für alle, die kurz davor stehen, Eltern zu werden?

Die eine Sache, die ich bisher gelernt habe, ist, dass dein Kind genetisch bedingt wie du aussieht. Ihr habt vielleicht dieselbe Haarfarbe oder dieselben Gesichtszüge oder Augen oder was auch immer. Oder deine Frau, dein Partner, was auch immer. Aber sie ahmen nach – sie imitieren einfach alles, was sie sehen. Wenn du also nicht anwesend bist, um für sie da zu sein, werden sie einfach irgendjemand anderen imitieren. 

Sie sehen dann vielleicht aus wie du, haben ihr Verhalten aber von jemand anderem gelernt. Darum ist es wirklich wichtig, Zeit miteinander zu verbringen und sie dich imitieren zu lassen. Denn du bist alles für sie. Ich glaube einfach, dass Zeit sehr wichtig ist. Einfach so viel rausholen, wie geht: Ein kleines bisschen Zeit, ein großes bisschen. So führt dann eins zum anderen. Genau so, wie ich lerne. [lacht] Ich rede, als wäre ich ein Experte! [lacht] Mit meinem Zweijährigen. Die Leute lachen mich aus! Aber das ist cool, es ist einfach ein Teil davon.

Zurück zur Musik: Wie war der Aufnahmeprozess? Hast du viel hin- und hergeschickt oder warst du mit allen Gästen, die auf dem Album sind, auch im Studio?

Bei diesem Album war ich nicht daran interessiert, auf Fremde zuzugehen. Weil ich in meiner Karriere schon mehrfach mit Leuten gerappt habe, die ich gar nicht so gut kannte. Die ich noch nicht getroffen hatte, mit denen ich aber arbeiten wollte. Dieses Mal waren es alles Leute, die ich kenne, die auch bei mir waren. Rapsody war viel hier, 9th Wonder habe ich ein Air BnB hier um die Ecke gezeigt. Styles P. war bei Alchemist zuhause und ist dann am nächsten Tag auch bei mir vorbeigekommen. Okay, Mach Hommy hat seinen Vers irgendwo an einem unbekannten Ort auf dieser Erde aufgenommen, aber das ändert nichts daran, dass wir viel miteinander abhängen, auch mit Alchemist. Alle waren hier und haben mit meinem eigenen Mikrophon aufgenommen, also klingt es auch nicht nach zwanzig unterschiedlichen Sachen.

Ich habe gelesen, dass "Weather Or Not" der dritte und  letzte Teil deiner Wetter-Trilogie sein soll...

Eigentlich der Vierte! 'The Layover' war nur eine EP, das bringen die Leute durcheinander. Aber ja, ich habe 'The Weatherman', 'The Layover' und 'Cats & Dogs' gemacht, jetzt 'Weather Or Not'. 'Weather Or Not', das ist so wie 'Take it or leave it', ich bin mit diesem Scheiß durch, weißt du? [lacht] Du kannst es haben, was auch immer daraus wird. So oder so, egal. Es bedeutet all das für mich. Ich wollte einfach etwas schweres machen. Etwas, das ich performen kann. Etwas, das groß klingt, es ist wie schwerer Starkregen. Das war es dann. Auf dem nächsten Album will ich über diesen Scheiß nicht mehr reden. Fertig. Ich will von vorn anfangen.

Das wäre meine nächste Frage gewesen: Was kommt als nächstes, nach dem Wetter?

Ein riesiges, verf*cktes Fragezeichen! [lacht] Was aber tight ist, weil das das ist, wo ich hinwill: Ins Unbekannte. Ich will mein bestes oder schlechtestes Album machen, das kommt ganz drauf an. Darauf, wie du es siehst: Einfach frei von Einflüssen. Ich habe das Gefühl, dass ich mich immer noch an meinen Einflüssen festhalte. Ich imitiere sie vielleicht nicht, aber emuliere sie, weißt du? 

Ich denke immer noch ein bisschen an Premier oder ich denke immer noch an Alchemist, wenn ich einen Beat mache. Ich frage mich: Würde Rakaa das mögen, würde Planet Asia das mögen? Ich denke über diese Sachen immer noch nach. Und das will ich alles loswerden. Ich will keinen F*ck mehr geben! [lacht] 

Also muss ich mich zu etwas Neuem hinbewegen, dem Nächsten. Innovativer Scheiß. Ich meine, ich mache jetzt keinen Trip-Hop oder Garage oder so. Es bleibt natürlich dieselbe Sache, nur dass ich mir keinen Kopf mehr mache. Das ist es zumindest, wo ich hin will. Wir werden sehen. 

Was fasziniert dich so sehr am Wetter, dass es zu einem wiederkehrenden Motiv in deiner Musik wurde?

Naja, du siehst auf einem Filmposter einen Typen im Trenchcoat im Regen, magst du das? Natürlich tust du das, weil es dramatisch aussieht! Es ist einfach ikonisch. Wo ich herkomme, hier in Venice Beach, ist es den ganzen Tag wolkig. Es wird hier manchmal erst um vier Uhr mittags sonnig, und der ganze Rest von L.A. ist komplett in der Sonne. Es ist einfach anders.

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Du rappst, dass du als Ode an deine Mutter fotografierst. Deine Bilder wurden auch schon ausgestellt, oder?

Ich habe ein paar Sachen gemacht, die auch außerhalb von Instagram stattgefunden haben, Fotografie in der echten Welt. Aber es gibt für mich nichts Schlimmeres, als wenn jemand zu mir sagt: 'Yo, was geht, machst du noch Musik, ich liebe deine Fotografie!' [lacht] Ey, geh dich f*cken! [lacht]

Die Musik wird also immer die Hauptsache bleiben?

Ich weiß das zu schätzen, dass die Leute es so sehr mögen. Das ist Feuer, es ist so tight! [lacht] Du musst verstehen, dass das so tight für mich ist, weil es eine Erweiterung der Kunst ist und das ist etwas Schönes. Aber ich war vor allen anderen auf Instagram. Da war niemand auf der ver*ckten App! [lacht] Es war nur eine Fotografie-App. Da war [DJ] Babu, ich und ein paar Leute aus Istanbul und Japan und das war's! [lacht] 

Ich hatte diese App und sagte mir: Okay, meine Mutter ist gestorben und sie wollte immer, dass ich Fotograf werde. Ich wollte das nie werden, aber jetzt habe ich dieses iPhone und mache Fotos auf der Foto-App. Einfach nur so, ich habe noch nichtmal jemandem erzählt, dass ich rappe. Ich habe versucht, auf diese Art Respekt zu bekommen. Und dann ist die verf*ckte App komplett durch die Decke gegangen. [lacht] 

Ich wusste natürlich nicht, dass das passieren würde. Das ist einfach witzig, wie sich das alles ergeben hat. Ich liebe Fotografie und du kannst sehen, dass ich viel davon jetzt in meine Visuals übernehme.

Ich habe gelesen, dass du auch in einem Frühstücks-Restaurant Bilder ausgestellt hast?

Ja, das war meine erste Galerie-Show. Ich habe alle Bilder auf Film aufgenommen und wirklich beschissen gedruckt, in niedriger Auflösung. Genau die Art, wie ich es wollte. Fotos, die auf Instagram nicht gut wären. [lacht] Das ist der Kram, den ich wirklich mag! Ich bin da zwar kein Besitzer oder so, aber ein Teil davon. Der Egg-in-a-hole-Sandwich war meine Idee und sie haben ihn in die Speisekarte aufgenommen. Ich bin also Teil des Ladens, was eine schöne Sache ist.

Du rappst "met a lot of people I admired, inspired by their talent/I looked the other way if they was criminal or violent ". Bereust du es, weggeschaut zu haben?

Ha, ich habe mich schon gefragt, ob mich das jemand fragt! Aber nein. Das ist, was ein Kind macht. Du wirst einfach von allem möglichen inspiriert. Wenn du ein Skateboarder bist und ein Typ kann einen Trick, den du nicht kannst, inspiriert dich das. Du siehst dir ja nicht sein persönliches Leben an, du bist einfach nur von seinen Fähigkeiten beeindruckt. Manchmal, wenn man erwachsen wird, schaut man plötzlich zu einem Haufen Leute auf, die talentiert sind in dem, was sie tun, aber möglicherweise eben nicht die großartigsten Menschen aller Zeiten sind.

Natürlich. Womit wir bei der Frage wären, ob sich Kunst und Künstler voneinander trennen lassen.

Ja, sag du es mir! [lacht] Nach der Antwort auf diese Frage suche ich auch. Aber je älter ich werde: Ich würde lieber mit jemandem abhängen, der weniger talentiert ist, aber dafür eine bessere Person. Ein talentiertes Arschloch will ich lieber nicht kennen. Ich höre dann einfach nur deren Musik und finde lieber gar nicht raus, dass sie Arschlöcher sind. [lacht]

Darum sagt man ja, dass man nie seine Idole treffen soll. Sagt man das so?

Never meet your heroes! Es heißt glaube ich Helden, aber ja: Tu das nicht, oder du könntest dich darüber ärgern.

Was hat es mit den Skits auf "Weather Or Not" auf sich? Was sollst du da abholen?

Speakers. Die habe ich da gelassen, weil sie doch nicht so richtig großartig sind und nach einer Weile habe ich keinen F*ck mehr gegeben. Aber die haben mich einfach nicht in Ruhe gelassen, zwei Jahre lang! [lacht] Mann, jedes Mal hieß es: 'Das ist der letzte Anruf!' und dann eine Woche später wieder: 'Das ist der letzte Anruf!' Für zwei Jahre! [lacht] Irgendwann habe ich entschieden, das am besten einfach aufs Album zu packen.

Step Brothers - Lay Some Treats On Us [Audio]

Evidence und Alchemist sind zusammen die Step Brothers.

"Sell me this Pen" ist eine "Wolf of Wall Street"-Referenz, richtig? Auch beim Step Brothers-Album "Lord Steppington" gab es sowas oft. Würdest du dich als Film-Fan bezeichnen?

Der Track sollte eigentlich ganz anders heißen! Bis zur letzten Minute sollte er anders heißen und dann habe ich es doch noch geändert. Ah, ich rappe das auch in meinem Reim: 'The only person in the building that can sell me this pen'. Ich dachte, dass das dope ist, weil ich gerade den Film gesehen hatte. Ich habe sogar Leos Stimme draufgepackt! [lacht] Ich glaube, es sollte '22 Ply Lumber' heißen.

22...?

Ja, Step Brothers ist einfach weirder Scheiß, unsere Freiheits-Zone. [lacht] Ich liebe das Ding! Ich weiß, es ist kein richtiger Song, es gibt keinen Chorus oder so, aber der Scheiß ist hart. Der Beat, die drei Parts. Yeah, du kannst den Scheiß auf jeden Fall laut spielen!

Interessierst du dich für Zahlen, Charts und solche Sachen?

Ja schon, auch wenn mir klar ist, dass die Zahlen, die für mich wichtig sind, für andere Leute vielleicht nicht einmal relevant wären. Wenn ich sage, ich will in der ersten Woche 10.000 knacken, lächeln andere müde: 'Das ist alles? Wirklich?' [lacht] Also ist mein persönlicher Erfolg vielleicht etwas ganz anderes als bei anderen. Wenn du ein Geschäft gründest, und darüber redest, Geld zu machen, basiert das darauf, was du da reinsteckst. Wenn du da also nicht so viel Geld hinein versenkt hast, wirst du es schneller wieder reinholen. Wenn du viel reingibst, musst du mehr verkaufen, um es reinzuholen. 

Ich würde mich auf jeden Fall gern verbessern, im Vergleich zu meinem letzten Album. Aber bei meinem Album, da wird sich doch niemand die Mühe machen und nachschauen, wie viel ich in der ersten Woche verkaufe. Ich glaube einfach nicht, dass das diese Art von Gig ist. Ich denke, es ist eher so: Ich kann dir sagen, dass "Cats & Dogs" 40.000 verkauft hat und dass das für ein Independent-Album wirklich gut ist. Weißt du, was ich meine? [lacht] So oder so ähnlich. Was mir wichtig ist, interessiert andere vielleicht gar nicht.

Du bist generell sehr offen und sprichst auf deinen Alben über Dinge, über die andere Rapper nicht sprechen würden. Wie finanzielle Sorgen, der Tod deiner Mutter oder ähnlich schwierige, harte Themen. Du teilst also sehr persönliche Dinge in deinen Songs...

Ich habe Freunde, die wirklich offene Bücher sind. Die erzählen mir, dass sie letzte Nacht fünf mal gew*chst und sechs V*agra gefressen haben. Also so ganz übertrieben offen! [lacht] Das bewundere ich auch, aber für mich ist es so, dass ich es im Moment lieber unangenehm werden lasse, als zu lügen. Das passiert bei mir einfach, wenn es passiert.

Unglücklicherweise passiert das meistens eben um Mühsal herum, oder? Zumindest bei mir. Ansonsten würde ich natürlich über gute Sachen sprechen. Es ist aber einfach schwierig, darüber zu rappen, dass du großartig bist, wenn du mehrere Hypotheken-Zahlungen im Rückstand bist und es ist schwierig, über deine Großartigkeit zu rappen, wenn die Mutter deines Kindes eine schwere Krankheit hat. 

Es gibt viele Sachen, bei denen ich mich fragen muss: Okay, ich bin independent und nicht auf einem Major-Label. Niemand sagt mir, was ich tun kann und was nicht. Will ich also wirklich lieber nicht darüber reden und einfach nur nach Worten suchen, die sich reimen? Und dann was? Dann wird das zu einer Sache, die du einfach machen musst. Du kannst dich entscheiden, das zu tun.

Es macht dich vielleicht nah- und greifbarer, deine Hörer können sich mit solchen Dingen identifizieren...

Ja, auf jeden Fall. Ich versuche aber auch, das auszubalancieren. Ich rappe das über den härtesten Beat, den ich finden konnte. [lacht]

Du rappst auf "Jim Dean" die Line "but I'm holding on tight for a few of my fans"...

Da hat mich vor Kurzem schonmal jemand drauf angesprochen und mich gefragt wieso ich nicht 'a lot of my fans' rappe. Das reimt sich perfekt auf 'not in my hands'! Ich habe gesagt: Weil f*ck it! [lacht] Weil Kanye West sagt: 'What's a black Beatle anyway? A f*cking roach. Something something, I guess that's why they got me sitting up in f*cking coach.' Er sitzt aber nicht im verf*ckten Coach-Bereich, als er das geschrieben hat! Und da hat er auch schon seit Jahren nicht mehr gesessen! Er sagt das, weil er die Underdog-Perspektive benutzt, die immer funktioniert. Für mich war das wichtig, dass ich nur ein paar meiner Fans sage, weil ich nicht alles habe. Weil ich gar nicht weiß, was ich wirklich habe. 

Hast du schonmal überlegt, Rap aufzugeben und dir einen 'normalen' Job zu suchen? Aufgrund von Notlagen oder finanziellen Schwierigkeiten?

Vielleicht. Aber dann merkst du, dass du nichts anderes kannst. Das ist es, worin du gut bist. Willst du irgendwo hingehen, wo schon ein Typ wartet, der das seit zwanzig Jahren macht und von vorne anfangen? Alle sagen: ich werde nicht für immer rappen, ich mache dies und jenes. Naja, ich mache Rap, ich produziere Beats, ich mache Fotografie, ich performe und mache noch ein paar andere Sachen. Mir geht es darum, kreativ zu bleiben. Und ich habe das Gefühl, dass ich immer in die richtige Richtung gezogen werde. Aber ich habe auch das Gefühl, dass ich noch ein paar Jahre vor mir habe. Ein paar Jahre Rap. So drei bis fünf Jahre, vielleicht länger.

Na, hoffentlich länger!

Ich meine, drei bis fünf Jahre lang kann ich noch da rausgehen und das auch so meinen, was ich rappe. Mein Kind ist noch jung, also habe ich noch ein bisschen Zeit, bis ich anfange, Baseball-Spiele zu verpassen und so, weißt du? [lacht] Für mich ist es so: Ich habe noch ein bisschen Zeit, um da rauszugehen, zu killen und Geld zu machen. Nicht aus dem Grund, Geld machen zu wollen, aber einfach, weil es kommt. Und in drei bis fünf Jahren habe ich dann vielleicht die Option, nicht mehr diesem Scheck am anderen Ende der Welt hinterherjagen zu müssen. Oder es eben eher zu einer Möglichkeit zu machen, statt einer Notwendigkeit. Ich kann mir auch vorstellen, mich noch mehr der Produktion zuzuwenden, immer noch kreativ zu sein und so wirklich zu killen. Aber ich müsste dann nicht mehr so viel auf Tour gehen, wenn ich das nicht will. Das ist das Ziel! 

Zum Abschluss: Wie sieht es mit einem neuen Dilated Peoples-Album aus?

Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich habe in letzter Zeit nicht so viel mit Rakaa und Babu abgehangen. Ich arbeite momentan auch spontaner, jemand kommt vorbei und wir basteln direkt einen Song von Grund auf neu, nehmen ihn auf und sind fertig. Ich weiß nicht, ob Dilated dafür bereit ist. [lacht] Aber andererseits: Wenn ich Rakaa frage, ob er einen Song für mein Album aufnehmen will – er sitzt dann auf meiner Couch und wir harmonieren perfekt. Es ist also wahrscheinlich eher ein Gedanken-Trick als alles andere: Wie schaffen wir es, ein Album aufzunehmen, ohne zu merken, dass wir ein Album aufnehmen? [lacht] Wenn das passiert, wäre es natürlich cool, aber ich kann es mir im Moment nicht vorstellen. Aber ich habe definitiv nichts dagegen. All things are Dilated! Alles, was ich tue.

Evidence - Weather Or Not

Evidence veröffentlicht sein drittes Soloalbum "Weather Or Not".

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