Freitag, der 14. November: der am meisten diskutierte Tag des Deutschrap-Jahres. Welcher Rapper wird sich den Chart-Thron sichern? Die drei involvierten Künstler Kool Savas, Eko Fresh und Summer Cem betonen, dass sie nicht verbissen um die Pole Position kämpfen wollen. Toxik traf Kool Savas, um mit ihm über seine Erwartungen an Märtyrer zu sprechen. Wenn die Charts nicht so wichtig sind, worauf kommt es ihm dann an? Wie wichtig ist das Feedback der Szene? Wie geht er mit der Kritik an seinen Wie-Vergleichen um? Mit wem vergleicht er sich?
Dein gemeinsamer Releasetag mit Eko Fresh und Summer Cem war das bestimmende Thema der letzten Wochen. Kann es auch passieren, dass gar kein Rap-Album auf die Eins geht?
Kool Savas: Das kann natürlich sein. Jetzt sind auch noch Depeche Mode und Silbermond im Rennen. Heutzutage gehen viele Rapper auf die Eins. Deshalb sollte das für keinen von uns so ein Riesending sein, das alle unbedingt erreichen wollen. Der, der auf Eins landen wird, wird sich freuen. Bei Summer Cem wusste ich nicht, dass er an diesem Tag kommen wird. Ekos Release hatte sich ein paar Mal verschoben und ist dann unglücklicherweise auf diesem Datum gelandet. Ich hatte schon die Befürchtung, dass es eine Art Battle nach außen wird und bin jetzt froh, dass es das eben nicht ist.
Wenn es nicht die Charts sind: Woran misst du, ob du erfolgreich bist?
Kool Savas: Daran, ob mir das Album gefällt. Natürlich würde ich gerne Gold und Platin gehen. Aber wenn mir dabei das Album nicht gefallen würde, würde es sich nicht so gut anfühlen. Das mit einem Album wie Märtyrer, das für mich rougher, harter Rap ist, zu erreichen – das wäre für mich ein großer Sieg.
Das Album ist wieder eine Standortbestimmung, da du mehr denn je beweisen möchtest, dass du der beste Rapper des Landes bist. Wie wichtig ist dir in diesem Zusammenhang das Feedback?
Kool Savas: Ja, durch den Anspruch wird es theoretisch natürlich zu einem noch größeren Konkurrenzkampf. Ich weiß nicht, warum, das ist einfach ein Impuls, zu sagen, dass ich noch mehr am Zeiger drehen will. Noch mehr Flowpassagen, noch durchgehender rappen, noch mehr Styles switchen, es mir noch schwerer auf der Bühne machen. Ich habe unglaublichen Spaß daran gehabt. Für mich ist das Beste an dem Album, dass ich umsetzen konnte, was ich mir vorher vorgestellt habe.
Feedback ist diesmal schon sehr wichtig, da ich selbst einfach wahnsinnig Bock auf das Album habe. Ich habe schon relativ viel Feedback bekommen, da wir bereits eine Pre-Release-Party hatten. Im Apple Store haben wir auch ein paar neue Songs performt, bei Visa in der Radio-Show lief ein Song, der dann auch als Live-Version veröffentlicht wurde. Auch bei Märtyrer und Matrix war das Feedback insgesamt super. Ich glaube jetzt einschätzen zu können, dass das Album genau das ist, was sich die Hörer erhofft haben. Da sind auch auf jeden Fall noch ein paar flowtechnische Glanzparaden drauf.
Wie gehst du bei deinen hohen Ansprüchen denn mit Kritik um? Zum Beispiel der an deinen Wie-Vergleichen?
Kool Savas: Musikalische Kritik interessiert mich gar nicht. Was mich stört ist, wenn Leute glauben zu wissen, was ich für ein Mensch bin. "Das ist ja klar, dass er sich jetzt so verhält. Der ist berechnend, der ist ein Asi, der will Leute aus dem Weg räumen" – Dinge, die sie nicht beurteilen können. Lern mich erstmal kennen, dann kannst du mir das sagen. Musikalisch bin ich so sehr von meinen Fähigkeiten und meinem Album überzeugt, dass ich einfach selbstsicher bin.
Ein anderes Kriterium, an dem du deinen Erfolg misst: Du willst krasser sein, als die Rapper, die du selbst hörst. An wem misst du dich zurzeit?
Kool Savas: Technisch steht Loaded Lux bei mir ganz weit oben. Eminem ist natürlich auch gestört. Wer sind noch krasse Techniker?
Wir suchen US-Rapper?
Kool Savas: Ja, an deutschen Rappern messe ich mich nicht. Das ist keine Ignoranz, ich bin nur ehrlich. Technisch fand ich früher Aphroe, Curse und Tone krass. Ich höre gerne Leute, die schnell und hektisch rappen. Das ist mein Ding.
Was macht denn zum Beispiel Loaded Lux aus?
Kool Savas: Er ist ein Underground-Rapper aus Harlem und ein erfolgreicher Battlerapper. Letztes Jahr hat er so ein krasses Battle abgeliefert, dass ihn selbst Jay Z auf Twitter zitiert hat. Er hat sehr viele Reime und sagt krasse Sachen. Nicht unbedingt Vergleiche, es geht darum, wie er Texte aufbaut. Technisch sind zurzeit die Battlerapper ganz weit vorne. Charlie Clips, Daylyt oder T-Rex, die ganzen Jungs aus den Staaten, die man unter anderem auch bei Eminems Total Slaughter gesehen hat. Slaughterhouse sind auch krasse Techniker, die ich sehr feier. Ich kann mir nicht jedes Album von denen geben. Aber ich habe heute einen Song von Crooked I mit Snow gehört, wo er übertrieben rappt. Das ist zu hundert Prozent mein Geschmack. Genau so wie Royce da 5'9" oder Joell Ortiz.
Erinnerst du dich an eine konkrete Sache, bei der du erst überlegen musstest, wie das jetzt technisch funktioniert hat?
Kool Savas: Das meiste ist schon nachvollziehbar. Bei Lux mag ich, dass er technisch auf neustem Stand ist, aber klingt, als würde er aus der Beatnuts-Ära kommen. So kompakt und fresh wie damals Mad Skillz. Man muss es sich schon auch einfach angucken und merkt dann, ob man es fühlt oder nicht. Es wird auch viele geben, die den Unterschied zwischen Wiz Khalifa und krassen Battlerappern nicht sehen.
Gibt es technische Spielereien auf Märtyrer, die die meisten Hörer vielleicht gar nicht bemerken?
Kool Savas: Es gibt einen Song, der meiner Meinung nach genial ist, bei dem ich den Leuten überlassen wollte, ob sie es überhaupt raushören. Da geht es um den zweiten Verse. Der klingt wie ein normaler Text, ist aber ein Anagramm. Man muss ihn auch auf der zweiten Ebene sehen. Wenn man dann anfängt, den Part unter dem Aspekt noch mal zu hören, fällt einem auf, dass er einen neuen Sinn bekommt. Die letzte Silbe des einen Worts und die erste des folgenden... ich will, dass dieser Aha-Moment einsetzt, deshalb erkläre ich es nicht weiter. Aber das habe ich sehr gefeiert. Smoove hat das beim Recorden nicht bemerkt. Mein Manager hat das Album wochenlang gehört und ich musste ihn erst darauf hinweisen. Wenn die Leute es aber bemerken, feiern sie es. Ich denke, das ist etwas Einmaliges.
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Interview: Toxik Kargoll
Welche Bedeutung die Featuregäste auf Märtyrer für Savas haben, erfährst du hier: