Deutschraps Nachwuchs unter der Lupe: Nur Drogen & Schnulzen?

Falk Schacht hat für den #RapTags-Contest Songs von 523 Newcomern im Alter zwischen 18 und 28 Jahren gehört. Dabei sind ihm fünf interessante Punkte aufgefallen. Ein provokantes und stark vereinfachtes Fazit könnte lauten: nur Schnulzen und Drogen. Außerdem rappen nur Männer, keinen juckt Politik und die Skills sind so in Ordnung. Dass es dann doch nicht so schlimm ist, werden wir bald sehen, wenn die Top 24 gekürt sind.

523 Rapper representen natürlich nicht den kompletten deutschen Rap-Nachwuchs, aber Falks Beobachtungen sind auf jeden Fall interessant. Besteht die Realität der jungen Erwachsenen in Deutschland also nur aus Kiffen und Liebeskummer? Wohl kaum, aber "offensichtlich ist es schon seit langem nicht cool, aus seiner politischen Meinung Musik zu machen", stellt Falk leider ganz richtig fest. Straßenrap regiert halt aktuell und mit Liebesliedern hat man allem Anschein nach die besten Erfolgsaussichten – zwei Strömungen, die man auf die ein oder andere Art als "Mainstream-Rap" bezeichnen kann.

Was ist denn mit der Realness?

"Monkey see, monkey do" oder in diesem Zusammenhang "monkey hear, monkey rap" könnte hier die Devise sein. Wenn ein Typ, der im Schwammkostüm über organisierte Kriminalität, Drogen und Gewalt rappt, Platz 1 der Charts erreicht, brauch man sich die Frage nach der Realness gar nicht mehr stellen. Da kann sich ja auch der sonnenscheue Schreibtisch-Hustler hinsetzen und hinter verschlossenen Gardinen über Drogentickerei und Groupie-Eskapaden schreiben. Klingt oft genug sehr geil und die Zielgruppe ist riesig. Daher kann man davon ausgehen, dass nicht jeder, der über Drogen rappt, derart tief in der Materie steckt.

Andererseits werden Drogen wohl tatsächlich auch für einige alltäglich sein: "Gangsta-Rap ist nach wie vor sehr stark in Deutschland. Und solange sich an den sozialen Verhältnissen nicht viel ändert, dürfte das auch noch lange so bleiben."

523 Songs also: haufenweise Mucke über Otttickerei und "[g]efühlt die Hälfte [...] vor Trauer triefende Geigen und Klavier-Schmachtfetzen". Ok, wenn das deine Realität ist und du deinen Gefühlen freien Lauf lassen musst, nur zu! Aber zeig doch lieber, dass du etwas anderes kannst als die ganzen anderen Ottos. Den eigenen Charakter in der Musik zu realisieren, ist wohl eine der schwersten, aber auch der lohnenswertesten Herausforderungen.

Das klingt jetzt so, als wären unter allen #Raptags-Einsendungen kaum Lichtblicke. "Der Durchschnitt kann auf stabil gutem Niveau rappen und flowen", meint Falk auf der Suche nach demjenigen, der das "stabil gute Niveau" wegbombt und seinen eigenen Maßstab setzt. Genau dafür gibt es ja diesen Contest. Und genau dafür lieben wir Rap. Von irgendwo kommt immer wieder dieser Typ, der alle flasht.

Vielleicht kommt ja bald der politische Rap wieder größere Aufmerksamkeit oder Deutschland bekommt eine "Queen of Rap". Anhand von 523 Songs kann man Deutschraps Zukunft nicht vorhersagen, aber vielleicht steckt sie ja in einem davon. Um Nachwuchs brauchen wir uns jedenfalls keine Sorgen machen und können mit Spannung die Top 24 bei #Raptags erwarten.

Hier gibt es einige Einblicke und eine Diskussionsrunde mit Visa Vie, Kurdo, Hadi El-Dor, Falk und vielen mehr.

Lies hier nach, was Falk Schacht noch so aufgefallen ist!

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