Big Seans aktuelles Album I Decided. läuft bei uns seit Wochen auf Repeat. Er hat es geschafft, ein Konzeptalbum mit einem roten Faden zu versehen, das Ganze modern und interessant umzusetzen und dabei auch noch fresh zu klingen. Durch No Favors, dem Track mit einem raren Eminem-Feature, oder seinen kommerziell erfolgreichen Singles Bounce Back und Moves hat Sean für viel Aufmerksamkeit gesorgt und das spiegelt sich natürlich auch in den Verkaufszahlen seines Albums wider. Wie schon mit dem Vorgängeralbum Dark Sky Paradise hat er es straight auf Platz Eins der US Billboard 200-Charts geschafft. Mit guter, zeitloser Musik wohlgemerkt.
Big Sean stand uns für ein Interview zur Verfügung. Hier erfährst du, ob Sean an seinem Albumkonzept gezweifelt, was ihm Kanye beigebracht hat oder warum er so ein großes Vorbild ist. Nicht nur musikalisch hat er viel zu bieten, auch menschlich scheint Big Sean schwer in Ordnung zu sein. Er trat im Gespräch bescheiden, höflich und zuvorkommend auf.
Den ersten Teil des Interviews findest du hier, den zweiten gibt's in Kürze dann im SNIPES Mag, das kostenlos in allen Filialen ausliegt und auch online gelesen werden kann.
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Hiphop.de: Mit deinem neuen Album I Decided. hast du als Künstler einen großen Schritt nach vorne gemacht. Wie siehst du persönlich deinen Fortschritt seit deinem Debütalbum Finally Famous bis jetzt?
Big Sean: Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht! Alleine die Stimme oder auch der Content … Ich denke, ich bin älter und weiser geworden, als Mensch gereift. Das hat natürlich auch meine Musik beeinflusst. Ich bemerke eine Steigerung und das ist Segen. Manche Künstler starten ihre Karriere an ihrem Peak, das heißt, dass es danach nur noch abwärts für sie geht. Ich hingegen versuche, immer besser zu werden und bin dankbar, dass ich meinen Peak noch nicht erreicht habe. Ich sehe auf jeden Fall eine große Veränderung, nicht nur in meiner Musik, sondern auch in mir selbst. Ich bin als Person gewachsen. Auch physisch? Da bin ich mir nicht ganz sicher … (schmunzelt)
Im Leben geht es darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das ist dein Albummotiv und als du das Ganze Jimmy Fallon erklärt hast, ist die Crowd nahezu ausgeflippt. Die Zuschauer haben wohl nicht damit gerechnet, dass sich ein Rapper so reflektiert und rhetorisch gewandt zeigt. Ist das auch der Schlüssel zu deinem Erfolg, Stereotypen und Klischees zu brechen?
Ich bin mir nicht sicher, was der Schlüssel zu meinem Erfolg ist. Ich denke, das Wichtigste für mich ist, dass ich real und ich selbst bleibe. Stereotypen zu brechen, ist cool, aber das ist niemals meine Intention. Ich halte es einfach immer real und bleibe mir treu. Wenn das bedeutet, dass ich gewisse Klischees breche, dann ist das so, aber das ist nicht unbedingt mein Hauptaugenmerk. Ich arbeite eher daran, meine Ziele und künstlerischen Visionen umzusetzen und meine Fans zu inspirieren, damit sie sich nach dem Hören upgraded fühlen.
Heutzutage tendieren viele Musiker dazu, massentaugliche und simple Songs zu produzieren, statt sich auf deepe und aussagekräftige Themen zu fokussieren. Gab es einen Punkt in der Produktionsphase von I Decided., an dem du dein Konzept über das Erreichen von Weisheit im Alter verwerfen und dich auf unkompliziertere Themen beschränken wolltest?
Nein, aber es gab Zeiten, in denen ich einzelne Albumsongs vereinfachen wollte. Es ist aber manchmal sehr schwer, eine komplexe Idee leicht verständlich zu machen. Man benötigt auf jeden Fall viel Fingerspitzengefühl und die Begabung, etwas simpel darzustellen, was eigentlich sehr vielschichtig ist. Meine Aussagen und Ideen greifbar zu machen, das war etwas, an dem ich hart gearbeitet habe. Natürlich gab es auch Songs und Ideen, die nicht funktioniert haben oder die ich umarbeiten musste. Es war auf jeden Fall alles ein guter Prozess, durch den ich viel gelernt habe. Ich bin sehr froh und glücklich über das fertige Produkt und wie das Album heute klingt. Es macht mich stolz, das Album in meinen Künstlerkatalog einzuordnen.
Stolz kannst du auch über einen Feature-Gast sein, der sonst wenig von sich hören lässt. Über Eminems Part auf dem Track No Favors scheiden sich die Geister. Die einen lieben seine Zeilen, die anderen kritisieren, dass Em nicht zeitgemäß klingt. Wie siehst du Eminems Standing in der Rap-Szene aktuell?
Ich finde, dass er der größte Rap-Artist auf dem ganzen Planeten ist! Seine Fanbase ist riesig und er hatte einen massiven Einfluss als Rapper auf die heutige Musik. Er hat die meisten Rap-Alben verkauft und wird in die Geschichte eingehen. Ich habe unendlich viel Liebe für ihn und es ist sehr inspirierend, dass jemand aus Detroit, meiner Stadt, der größte Rapper der Welt geworden ist.
Und was kannst du uns über No Favors erzählen? Wie ist euer gemeinsamer Song entstanden?
Ich finde, der Song ist on fire und Eminem hat definitiv einige Flammen hinzugefügt. Sein Style hat mich in Erinnerungen schwelgen lassen und mich in die Zeit zurückversetzt, als ich ihn das erste Mal so gehört habe. Das war sehr cool, dass er mich mit seinen Zeilen so abgeholt hat. Ich mochte auch seine Ideen auf dem Song, vor allem seine Flows. Vielleicht haben die einige Leute gar nicht gecheckt, ich weiß es nicht. Entstanden ist der Song so, dass ich den Beat gehört und gedacht habe, dass Em hier perfekt drauf passen würde. Aus irgendeinem Grund war er die einzige Person, die ich in meinem inneren Ohr darauf gehört habe. Ich habe anschließend mit Paul Rosenberg, Royce Da 5‘9“ und auch Eminem connectet und dann gehört, dass er wohl nicht die Zeit hat, mir seinen Part zu schicken. Natürlich ist er ständig busy und mit vielen Dingen beschäftigt, daher wusste auch ich nicht, ob er es schafft, aber das Ganze hat am Ende doch geklappt und meine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Ich bin ihm sehr dankbar.
Lass uns auch über die anderen Feature-Gäste sprechen. Wie hast du sie ausgewählt?
Jhené Aiko ist die bessere Hälfte unserer Crew Twenty88. Zwischen uns stimmt einfach die Chemie. Und The-Dream … Er ist einer meiner absoluten Lieblings-R&B-Sänger aller Zeiten. Er ist super tight. Auch Jeremih zählt zu meinen Lieblingskünstlern. Genau wie The-Dream ist er ein großartiger Songwriter und super talentiert. Er half mir beispielsweise beim Schreiben von Bounce Back. Er hatte ein paar Ideen, an denen wir zusammengearbeitet haben. Wir haben auch noch mehr gemeinsame Songs, eine großartige Single mit Chris Brown und mir zum Beispiel. Ich habe viel Respekt und Liebe für jeden Künstler, mit dem ich kollaboriere. Als ich gerade meine Großmutter in Atlanta besucht habe, habe ich zum Beispiel die Migos angerufen und wir hingen zusammen rum. Er ist mehr als nur eine musikalische Zusammenarbeit, wenn ich mit jemandem Musik mache. Da gibt es immer eine persönliche Beziehung.
Hast du einen Lieblingssong auf deinem Album I Decided.?
(nachdenklich) Weißt du, das ist in etwa so, als müsstest du dein Lieblingskind benennen. Selbst, wenn du eines deiner Kinder mehr magst als die anderen, würdest du es nicht sagen wollen. Welches Lied ich gerade am meisten feiere, ändert sich außerdem ständig. Ich mag Sunday Morning Jetpack und Bigger Than Me beispielsweise. (überlegt) Mir gefällt auch Owe Me und Jump Out The Window sehr, aber ich mag auch Sacrifices … oder Light! (lacht) Wie gesagt, mein Favorit ändert sich eigentlich täglich. Heute ist es Sacrifices, morgen würde ich dir einen anderen Titel nennen.
Du hast im Interview mit Zane Lowe erklärt, dass Kanye West eine große Inspirationsquelle für I Decided. war. Wie genau hat er dich beeinflusst?
Er hat mir sehr viel beigebracht – direkt und indirekt. Zum Beispiel, dass man mit sich sowie seinen Entscheidungen einfach leben und stolz zurückblicken soll. Man sollte immer das machen, wonach man sich fühlt, und keine Angst davor haben, aus der Reihe zu tanzen. Solche Sachen. Ansonsten ist Ye eine der stylishsten Personen aller Zeiten. Alleine, wenn du neben ihm stehst, beeinflusst er dich. Als Person und auch, was Mode und Musik angeht, hatte er einen großen Einfluss auf mich. Er ist definitiv eins meiner Vorbilder.
Du hast mir erzählt, dass du gerade viel Jazz, aber auch aktuelle Releases von Future, den Migos, The Weeknd, John Legend etc. hörst. Läufst du dabei nicht Gefahr, zu sehr von jemandem beeinflusst zu werden und am Ende zu ähnlich zu klingen?
Ich bin einfach Fan der Musik! Ich checke nicht unbedingt die Konkurrenz ab, sondern liebe Rap. Ich höre Alben auch nicht unbedingt lange, aber Culture zum Beispiel gefällt mir immer noch.
Welche Musiker haben deine Jugend begleitet?
Die Hiphop-Kultur war immer Teil meines Lebens. Auch durch meine Brüder. Durch sie habe ich viele verschiedene Rap-Facetten kennengelernt, unter anderem E-40, DMX, Bone Thugs-N-Harmony, Bad Boy Records, Death Row, Master P und No Limit oder auch diverse Underground Rapper aus Detroit. Ansonsten liefen bei uns auch noch The Isley Brothers, Smokey Robinson, The Supremes und sowas. Mir wurde echt ein gutes musikalisches Fundament mitgegeben.
Was vermisst du am meisten, wenn du an deine Kindheit zurückdenkst?
Ich vermisse nichts. Ich hatte keine schlimme Kindheit oder so, aber ich vermisse echt nichts. Klar, als Kind hat man zum Beispiel keine große Verantwortung, die man tragen muss, aber ich bin auch nicht in einem reichen Elternhaus aufgewachsen. Wir hatten nicht viel damals. Ich denke, am ehesten würde ich noch die kindliche Unbekümmertheit nennen und den Spaß, den man am Leben hat. Mit dem Alter verschwindet das nämlich, wenn man mehr Pflichten aufgedrückt bekommt. Aber ich versuche gerade, wieder unbekümmerter durchs Leben zu gehen.
Da du ja eben Death Row Records angesprochen hast, nicht aber The Notorious B.I.G.: Wer war der größere Artist in deinen Augen, 2Pac oder Biggie?
Ich finde, 2Pac und Biggie kann man nicht wirklich vergleichen. Wenn es um das Rappen geht, war Biggies Flow eine Blaupause für andere. Er hat Rapper wie Eminem oder Jay Z beeinflusst. Oder mich. Kanye auch, viele Rapper einfach. 2Pac war auch ein lyrisches Biest, aber seine Aussagen hatten mehr Tiefe. Ich finde, beide Rapper hatten verschiedene Perspektiven, daher kann man sie nicht vergleichen. Das ist, als ob man Äpfel mit Orangen vergleichen würde. Ich würde sagen, dass ich bei den beiden eher Biggie meinen Lieblingsrapper nennen würde, aber 2Pac war ein unglaublicher Artist, den ich auf jeden Fall auch zu meinen absoluten Lieblingsrappern zähle. Ich kann das nicht bestimmen, beide waren unfassbar gut.
Du weißt ja, dass wir ein deutsches Magazin sind, daher muss ich dich fragen: Kennst du deutsche Rapper?
Nein, nicht wirklich, aber ich würde deutschen Rap gerne kennen lernen und mich auch davon inspirieren lassen.
Was hat dir an Deutschland gefallen, als du hier warst?
Eigentlich würde man meinen, dass die Sprachbarriere sehr groß ist und mich von den deutschen Fans trennt, aber es hat mich umgehauen, dass so viele Besucher meiner Shows meine Lyrics auswendig konnten. Ich kann auch etwas Deutsch. Wenn ich auf meinen Konzerten Deutsch spreche, flippen alle aus. (lacht)
Hattest du ein Lieblingsgetränk oder -essen, als du hier warst?
Ja, ihr habt echt gute Würstchen. (grinst) Ich kann mich aber nicht mehr an den Namen erinnern …
Currywurst vielleicht?
Ja, genau! Ich hatte so viele davon … (lacht) Gutes Bier hattet ihr auch immer.
Bei so viel Positivität, die du ausstrahlst muss ich dich noch eine Sache fragen: Wer sind die wichtigsten Menschen in deinem Leben?
Meine Familie, ganz sicher. Alle, die Liebe für mich haben. Meine Freunde. Die, die mich umgeben und die sich um mich kümmern.
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Interview: Erich Unrau
Wenn du mehr von Big Sean sehen und hören möchtest, können wir dir I Decided. ans Herz legen und dir ansonsten auch Arias Videointerview empfehlen, das der vor Kurzem in Köln mit dem Rapper geführt hat:
I Decided.
Amazon.de/musik: Big Sean - I Decided. jetzt kaufen. Bewertung 4.8, . Pop, Rap & Hip-Hop, Dance, Hiphop/Rap