Yelawolf: "Danke für diesen Schrott, Eminem!" (Interview)

Eminems Plattenfirma Shady Records wird 15 Jahre alt. Zu diesem Anlass lässt der erfolgreichste "White Boy" der Rapgeschichte eine Compilation samt alter und neuer Songs auf die Welt los. Mit dabei sind Klassiker von 50 Cent und Obie Trice. Einer, der es trotz einer bisher vergleichsweise kurzen Shady-Karriere auf beide Seiten der Platte geschafft hat, ist Yelawolf. Seit der technisch unfassbar versierte Redneck aus Alabama seinen Hut in den Rap-Ring geworfen hat, wird Weltbewegendes von ihm erwartet. Immerhin ist er Eminems Auserwählter und diverse Parallelen zu diesem sind zu erkennen.

Verstummen lassen konnte er seine Kritiker aber bisher selten, deswegen geht Yela jetzt eine etwas andere Route. Warum sich sein Cypher-Part so außergewöhnlich anhört, ob Hiphop sich mit internem Rassismus beschäftigen muss und wie die neuen Tracks mit Eminem zustande gekommen sind, hat er uns im Interview erzählt...

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Fangen wir doch dort an, wo dein Weg sich zum ersten Mal mit dem Label gekreuzt hat. Inwiefern hat sich dein Leben seit der Unterschrift bei Shady verändert?

Yelawolf: Es hat mein Leben absolut auf den Kopf gestellt. Meine Erlösung war wirklich Marshall... er hat mich in allem inspiriert. Ich merke immer wieder, was für einen Einfluss er hat, wenn ich bei meinen Shows "Shady Records" ins Mikrofon rufe. Die Leute rasten aus. Wie sehr Marshall an mich geglaubt hat und was er in mir gesehen hat, ist nicht selbstverständlich. Ich werde das immer zu schätzen wissen.

Auf der historischen Seite des Albums bist du mit zwei Solo-Tracks vertreten. War es für dich schwierig, die richtigen Songs auszuwählen?

Yelawolf: Nein, ich hab die nicht ausgewählt... ich wusste nicht mal, dass sie da drauf sind. (lacht) Wahrscheinlich haben Marshall und die Geschäftstypen bei Shady entschieden, welche Tracks draufkommen. Diejenigen, die für Shady Records am prägendsten waren, denke ich mal. (lacht) Welche Songs sind es?

Okay, das habe ich schon fast befürchtet. Pop The Trunk und Let's Roll. Gute Auswahl? Was haben diese Songs für eine Bedeutung für dich?

Yelawolf: Ja, das ist in Ordnung! (lacht) Pop The Trunk war für mich der große Durchbruch. Als ich den Song aufgenommen hatte... nein, nach dem Video-Shooting wusste ich, dass es groß werden würde. Wir hatten Bilder eingefangen, die es bis dahin im Hiphop noch nicht in der Art und Weise gab. Ich glaube, das war der Grund für den Schneeballeffekt, den es dann hatte.

Drehen wir ein bisschen an der Uhr und sprechen wir über die unglaubliche Shady CXVPHER vor dem Album. Dein Part hat sich in seiner Machart sehr von den anderen hervorgehoben. Wo wurde das gefilmt? Bei dir zuhause in Alabama?

Yelawolf: Nein, das war in Tennessee.

Es gab da sehr unterschiedliche Kritiken für deinen Part. Wie hast du das wahrgenommen? Hast du das Gefühl, dich verteidigen zu müssen?

Yelawolf: Das war ein bisschen unglücklich für mich. Der Typ, der das Cypher-Video geschnitten hat, hat irgendwie ganz komische Pausen in meinen Part gebastelt. Er hat meinen Lap-Steel-Gitarristen komplett rausgelöscht. Mein Homie Bones Owens war hinter mir und hat eine Lap-Steel-Guitar gespielt. Sehen konnte man das ja noch. Dann hat er teilweise die Etiketten auf meiner Jacke zensiert. Am schlimmsten war es aber, dass er meine dritte Line einfach rausgeschnitten hat. Aber naja... was geschehen ist, ist geschehen. Fick die Cypher. Eminem hat das sowieso alles zerstört. Das war krank. Mit meinem Part habe ich stilistisch was ganz anderes versucht. Das kam jetzt natürlich nicht so rüber nach der Rumpfuscherei. Die Leute können nicht verstehen, wie mein Part eigentlich gemeint war.

Doch, es kam rüber, dass du was anderes versucht hast. Dein Part war sehr persönlich, fast schon erzählerisch. Warum hast du dich dafür entschieden, auf verrückte Flows und Wortspiele zu verzichten?

Yelawolf: Guck mal, ich muss meinen eigenen Mann stehen und mein eigener Künstler sein. Ich wusste, dass alle anderen es mit Punchlines und den technisch aufwendigsten Dingen versuchen würden. Und ich wollte nicht an diesem Wettbewerb teilnehmen, ich wollte lieber mich selbst herausfordern. Die Lines haben sich teilweise nichtmal gereimt. Es ging mehr um das, was ich gesagt habe. Nicht, wie ich es gesagt habe oder die Technik, die ich benutze. Wie du schon richtig erkannt hast. Ich wollte eigentlich eher in die Richtung eines Gedichts gehen. Ich entwickle mich ja als Person, also entwickle ich mich erst recht als Künstler. Und das wollte ich dort zeigen. Das ist nicht der Yelawolf, den du in der letzten Shady Cypher gesehen hast. Das ist der nächste Schritt. So geht es dann mit Love Story weiter... das kam noch dazu: Ich wollte den Leuten schon mal zeigen, in welche Richtung es mit dem Album gehen wird.

Ins Auge gesprungen ist natürlich auch die Line in Richtung Charlamagne Tha God und Lord Jamar, die sich in der Vergangenheit negativ über weiße Rapper geäußert hatten. Hattest du das Gefühl, diese Leute in einem Part konfrontieren zu müssen? Denkst du, Rassismus könnte tatsächlich ein schwerwiegendes Problem im Hiphop werden oder haben diese Personen nur Aufmerksamkeit gesucht?

Yelawolf: Ja, ich hab mich schon sehr in der Pflicht gefühlt, darauf zu antworten. Diese zwei Typen, und viele andere Leute auch, zeigen nur immer mit dem Finger auf mich, weil ich weiß bin. Punkt. Es gibt keinen anderen Grund. Dann wollte es der Zufall so, dass einer von denen sich Lord nennt, und der andere God. (lacht) Da kam der Lyricist in mir dann doch raus, so eine Line musste kommen. (Anm. d. Red.: Yelawolf rappt folgende Lines: "Building this house exactly the way Charlemagne the god and Lord Jamar thought it would be/ Wait a minute... the lord and the god hate me/ Jesus Christ, I am the white devil!") Ich weiß... eigentlich sollte ich darauf nicht antworten weil ich ihnen damit eine noch größere Plattform gebe. Aber mir ist das egal. Selbst wenn dich keiner kennt und du mir etwas sagst, was in irgendeiner Weise etwas in mir auslöst, werde ich es in einem Song verarbeiten. Ich gebe keinen Fick. Ich hab den Stress nicht angefangen. Du weißt das ja auch. Ich lief den Gang entlang, hab auf den Boden geguckt und dieser Wichser hat mir ins Gesicht geschlagen. Natürlich reagiere ich. Manchmal reagiere ich physisch, manchmal mit meinen Lyrics. Aber ich werde mich nicht zurückhalten. Da macht es keinen Unterschied, ob du berühmt bist oder nicht.

Auf der neuen Seite von Shady XV hast du neben den zwei Records mit Eminem und Slaughterhouse auch einen eigenen. Worum hat Eminem euch gebeten? Wollte er komplett neue Songs oder sind das Tracks, die ihr sowieso noch übrig hattet?

Yelawolf: Dieser neue Solosong Going Down... nein, Down Town heißt der jetzt. Der lag schon irgendwie rum. Auf mein Album hat er nicht mehr drauf gepasst, weil ich schon so einen ähnlichen dort habe. Also war ich glücklich, dass ich ihn jetzt auf dem Shady-Album unterbringen konnte. Der Song ist schon sehr neu, ich habe ihn neulich aufgenommen, aber wusste nicht, wohin damit. Ich bin froh, dass er noch einen Spot bekommen hat. Aber der Twisted-Track ist komplett neu, Marshall hatte mich gebeten, da mitzumachen. Ich sollte zwischen ihm und Skylar Grey in der Story vermitteln. Diese Hassliebe sollte ich mit meinem Verse quasi erklären. Als ich den Track dann hörte, dachte ich nur "what the fuck?" – er rappt nichtmal auf dem Track. "Danke für diesen Schrott...!" (lacht) Nein, ich mach nur Spaß, der Track ist toll. Und ich finde es immer wieder klasse, wenn mir Marshall solche Möglichkeiten bietet. Er mochte den Verse hinterher auch noch, das ist natürlich doppelt positiv. Psychopath Killer, der Track mit Slaughterhouse, ist auch neu. Da wurde ich gebeten, die Hook zu machen. Also hab ich's gemacht.

Ich schätze, ihr habt euch nicht getroffen für die Aufnahmen, oder?

Yelawolf: Ah, ne, das war alles über's Internet. Ich hab alles in Nashville aufgenommen. Marshall und die Jungs hab ich nicht gesehen. Heute funktioniert leider alles nur noch über E-Mail. Ich wäre gerne mit allen im Studio gewesen. Wobei... auf der anderen Seite denke ich, dass es so alleine ganz gut ist. Da lässt man sich weniger von fremden Styles, Vibes und Ideen beeinflussen.

Das kann man natürlich auch so sehen. Momentan bist du auf Tour. Wie läuft es?

Yelawolf: Man, großartig. Ausverkaufte Shows, zwei Wochen am Stück. Was soll ich sagen? Es ist super. Rittz eröffnet die Show. Ich kann meinen Homie Big Henry das erste Mal den Fans präsentieren. Er schnuppert das erste Mal Tourerfahrung. Es ist wirklich toll, ich kann mich nicht beklagen. Die neue Musik gefällt den Leuten auch, ich kriege durchweg positive Reaktionen. Mein DJ Klever ist der beste DJ der Welt. (lacht) Ich hab ihm einen 1949 Chevrolet klargemacht, mit dem wir jetzt rumfahren. Mein Homie Bones Owens spielt Gitarre. Es ist 'ne geile Crew...

Du zeigst ihnen schon neue Musik? Wieviele Tracks kriegen die Fans zum ersten Mal auf die Ohren?

Yelawolf: Ich glaube, wir haben jetzt vier komplett neue Songs im Live-Set. Meine Show soll eigentlich 70 Minuten gehen. Der erste Abend ging zwei Stunden, aber das war viel zu lang. Wir mussten das runterschrauben. Das war schwierig, aber ich sehe das als ein Luxusproblem. Das Schwierigste ist es, auszusuchen, welche neuen Songs wir spielen möchten. Es sind so viele, die ich den Fans gerne zeigen würde. Auf der nächsten Tour ändere ich mein Set dann wahrscheinlich jeden Abend. (lacht) Das geht nicht anders.

Wie weit bist du mit dem Album, wenn du jetzt schon so viel Material hast?

Yelawolf: Wir gehen bei diesem Album sehr strategisch vor, was das Release angeht. Das Album liegt uns allen sehr am Herzen. Deswegen lassen wir uns Zeit, um den Fans die richtige Zeit und die richtigen Umstände zum Hören bieten zu können. Die Welt ist einfach so sehr daran gewöhnt, dass man ständig Musik veröffentlicht. Bei meinen Fans ist es sicher auch meine eigene Schuld, weil ich bisher unkontrolliert Musik gedroppt hab'. Aber dieses Mal ist es was Spezielles geworden. Das Album ist schon fertig. Ich werde noch vier weitere Videos zu Songs drehen und sie veröffentlichen. Und danach kommt das Album. Früh im nächsten Jahr wird es denke ich so weit sein. Ich bin momentan echt mehr damit beschäftigt, die Leute auf das Album vorzubereiten. Es geht mir nicht darum, ihnen Singles in den Hals zu stopfen, sondern sie musikalisch zum Album zu leiten. Die Reaktionen auf Till It's Gone waren aber wirklich außerordentlich gut, das hat mich sehr gefreut. Hoffentlich geht es so weiter mit den nächsten Videos. Die entsprechende Vorfreude auf ein Album herbeiführen zu können, ist schließlich die halbe Miete.

Korrekt, Till It's Gone ist auf jeden Fall ein grandioser Track. Wir warten dann gespannt auf Love Story und wünschen dir erstmal viel Erfolg mit dem Labelsampler!

Yelawolf: Ich danke dir, man! Es tut immer gut, bestätigende Worte zu hören. Das freut mich sehr. Wir sprechen uns dann zum Album wieder!

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Interview: Aria Nejati