18 türkische Musiker verbünden sich mit Posse-Track gegen Erdogan

Häufig wird Rappern vorgeworfen, ihre Kunst sei unpolitisch und es gehe in den Songs nur um Drogen, Gewalt und Bling Bling. Der türkische Sänger Şanışer und 17 Rapper*innen und Sänger*innen beweisen mit dem Song „Susamam“ („Ich kann nicht schweigen“) das Gegenteil. Die Künstler*innen schießen mutig auf einem am 5. September veröffentlichten 15-Minuten-Track gegen das Establishment des türkischen Präsidenten Erdogan – ohne dabei seinen Namen zu nennen. 

Jeder der 18 Artists hat sich eines Thema angenommen, unter dem die türkische Bevölkerung leidet. Dabei werden unter anderem Korruption, Zensur, Gewalt gegen Frauen, Polizeigewalt, Tierquälerei und Umweltzerstörung besprochen. Şanışer hat anschließend die einzelnen Videos zu einem der größten politischen Posse-Tracks der Geschichte zusammengestellt. 

18 Türkische Musiker*innen verbünden sich gegen Erdogan

  • Şanışer
  • Fuat
  • Ados
  • Hayki
  • Server Uraz
  • Beta
  • Tahribad-ı İsyan
  • Sokrat St
  • Ozbi
  • Deniz Tekin
  • Sehabe
  • Yeis Sensura
  • Aspova
  • Defkhan
  • Aga B
  • Mirac
  • Mert Şenel
  • Kamufle

So kritisiert Şanışer zum Beispiel die extrem eingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei:

"Die Gerechtigkeit ist tot, doch ich habe lange geschwiegen, weil ich nicht betroffen war. Jetzt lasse ich sogar von Twitter die Finger und habe Angst vor der Polizei meines Landes“ 

Weiter heißt es in seinem Text:

"Wenn sie eines Nachts kommen und dich holen, dann wirst du keinen Journalisten finden, der darüber schreibt, denn sie sitzen alle im Knast“

Die türkischen Bürger*innen scheinen sich in dem Video bestätigt zu sehen: Nach nur fünf Tagen hat der Clip über 17 Millionen Aufrufe auf YouTube, 190.000 Kommentare und geht weiterhin viral. Die Sängerin Şebnem Ferah kommentierte: 

"Ich bin voller Hoffnung, ich bin stolz und fühle mich wie innerlich gereinigt.“

Auch Superstar Ezhel protestiert gegen Erdogan

Die 18 Künster*innen waren aber nicht die Einzigen, die an diesem Tag einen Song veröffentlichen, in dem mit der Politik der Türkei abgerechnet wird. Der Rapper Ezhel lud den Song „Olay“ („Ereignis“) auf YouTube hoch. In dem Video wird die Schreckenspolitik Erdogans gezeigt und kritisiert. Diese konkretisiert sich in der brutalen Polizeigewalt gegen Demonstranten in den Straßen der Türkei. Immer wieder ist auch der türkische Präsident selbst zu sehen. Schon im letzten Jahr wurde Ezhel zum Symbol der bedrohten Kunstfreiheit in der Türkei.

Die türkische Regierung rund um Erdogan und die Anhänger*innen der Regierungspartei AKP reagierten sofort auf die Musikvideos. Auf Twitter werfen sie den Künstlern unter dem Hashtag „Sustunuz“ („Ihr habt geschwiegen“) vor, sie würden die Putschversuche aus 2016 und die Opfer der kurdischen Arbeiterpartei PKK unkommentiert lassen, die unter anderem von den USA sowie Deutschland als Terrororganisation eingestuft wird.

Die Istanbuler Oppositionschefin Canan Kaftancioglu wurde am Tag der Veröffentlichungen zu knapp zehn Jahren Haft verurteilt. Grund der Gefängnisstrafe sind 35 Tweets der türkischen Politikerin und ein von ihr zitiertes Gedicht. Ihr wird Präsidentenbeleidigung, Erniedrigung der Türkischen Republik und Terrorpropaganda vorgeworfen. Das zeigt wie hochaktuell die Videos sind und wie wichtig es ist, dass bekannte Persönlichkeit sich für die Freiheit in der Türkei stark machen. 

So frustrierend und erschreckend die politische Entwicklung der Türkei in den letzten Jahren auch gewesen sein mag, so zeigt diese Story doch eindrucksvoll eines: Rap hat auch dreißig Jahre nach dem N.W.A-Klassiker "F*ck Tha Police" nichts seines subversiven Potentials verloren und kämpft 2019 noch für die Rechte der Unterdrückten.

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