Sierra Kidd - Kopfvilla (Review)

Herzlich Willkommen im Hause des Sierra Kidd. Mit dieser EP lädt der gerade 17-Jährige ein in seine Gedankenwelt. Das Überraschungs-Hype-Talent 2013 mit seinem ersten Release Kopfvilla. Wird er dem Medienrummel gerecht? Finden wir es raus. Vorab sollte gesagt sein, dass seitens des Labels zwar die fünf Lieder der EP zum Pre-Listening zur Verfügung stehen, die vier Interludes aber, welche immerhin knapp die Hälfte an Anspielstationen bieten, nicht. Inwiefern die Interludes das Gesamtbild von Sierra Kidds Erstling beeinflussen, muss hier folglich außen vor bleiben.

Auf dem ersten richtigen Track der EP, XO, legt Sierra Kidd schon gut vor. In den zwei Strophen zeigt er, wie sich verschiedene Reimschemata miteinander kombinieren lassen. Egal, ob er längere Zeilen einrappt, bei denen der Endreim gefühlt ewig auf sich warten lässt, um endlich die Erlösung zu bringen, oder sich nahezu jedes aufeinanderfolgende Wort auf das Nächste reimt. Erfrischendes Abwechslungsreichtum.

Das folgende Problem (in einer gewohnt düster-schönen Klangkulisse von Tua und RAF) geht das jüngste Independenzia-Mitglied technisch ebenso souverän an. Der inhaltlich rote (oder in diesem Fall rosa-lila-pinke) Faden der Einsamkeit und ein wenig Lethargie wird auch in diesem Track deutlich:

"Obwohl wir doch ein Mensch sind, kein Stück von Menschlichkeit/ Alles was wir sehen und fühlen, das lässt uns kalt"

So geht es auch weiter in Alleinsam, bis dann auf Signal die Unsicherheit in der Liebe nochmal (nach XO) im Mittelpunkt steht. Man könnte dem jungen Künstler fast für einen durch und durch depressiven Jungen halten, würde sein selbstsicherer Umgang mit seiner Vergangenheit einen nicht vom Gegenteil überzeugen. So offen gehen die wenigsten mit Ihrer Zeit als Mobbing-Opfer um. Der Vorteil für diesen Künstler liegt in seinem Ventil, den Frust darüber rauszulassen, ohne es wie eine Mitleidsnummer aussehen zu lassen. Dafür ist das Ganze zu kreativ umgesetzt.

"Ich hasse Konflikte in meiner Kopfvilla, sie wirbeln den Hausstaub auf/ Im Grunde genommen sind alle Leute, die reden wollen, nur Putzen dafür, die was aus meinem Traumhaus klau'n" (Kopfvilla)

Nicht jedem werden die Inhalte und die Stimmung gefallen. Fakt ist aber: An der lyrischen Fähigkeit und dem musikalischem Unterbau gibt es technisch gesehen wenig bis gar nichts zu bemängeln.

Die Klangkulisse scheint aus den dunklen, einsamen Tiefen eines Ozeans zu stammen und nicht aus dem Studio, in dem Sierra Kidd mit seinem Mentor RAF daran gearbeitet hat. Egal ob Akustik- oder E-Gitarrenmelodien – dank verstärktem, jedoch nicht überzogenem Hall scheint jedes Lied direkt in die Ohren des Hörers zu fließen. Es entsteht eine wabernde, dennoch angenehme Hintergrundkulisse. Die meist klaren (Kopfvilla) und manchmal auch nahezu minimalistischen (Problem) Drums bilden dazu zwar einen Gegensatz, halten das musikalische Gefüge aber zusammen. So verliert sich der Hörer nicht in diesen dunklen Weiten, denen er ansonsten hilflos ausgeliefert wäre. Vorteilhaft ist an dieser Stelle die Gesamtspieldauer: So wirkt der durchgehend ähnliche Sound der Lieder langfristig nicht langweilig oder allzu monoton.

Fazit:

Das Gesamtbild liefert einen sehr persönlichen Blick in die Räumlichkeiten von Sierra Kidds Kopfvilla. Das Konzept ist stimmig, mal ein wenig hoffnungslos, aber sicherlich gerade deshalb so passend für viele Hörer. Die EP scheint für einsame, nächtliche Bahnfahrten durch verregnete Städte geschaffen worden zu sein. In solchen Augenblicken wünscht man sich solche Musik, um in Gedanken zu versinken. Genau das bietet Kopfvilla.

Sierra Kidd hat ein homogenes Stück Kunst geschaffen. Eine EP, die man sicherlich nicht immer, aber dafür immer wieder hören kann. Wenn im nächsten Jahr das Album kommen soll, stellt sich mir persönlich nur die Frage, ob diese Stimmung, die er durchaus gut einzufangen weiß, auch auf Albumlänge funktionieren kann, ohne dann eintönig zu wirken. Das sollte aber eine andere Geschichte sein. Wer weiß, vielleicht hat Sierra Kidd nicht nur sein Erscheinungsbild, sondern auch musikalisch noch ein weiteres Ass im Ärmel?

Bewertung:

Beats: 8 von 10
Texte: 7 von 10
Features: -
Flow: 8 von 10
Insgesamt: 7,66

Kategorie

Groove Attack by Hiphop.de