Shindy – NWA [Review]
Es gibt diverse Wege, um ein Rap-Album in diesen Tagen zu promoten: Der Künstler sucht sich beispielsweise ein gutes Promoteam, das im besten Fall etwas von seinem Job versteht, verbringt eine Menge Zeit bei Foto- und Videoshootings, gibt eloquente Interviews für die unzähligen Hiphop-Portale im Netz bzw. in Print- und Videomagazinen und verballert Kohle in der Größenordnung eines attraktiven Mittelklassewagens – manchmal auch zwei. Sieht das Budget maximal einen ollen Traktor vor, dann kann der Eselsweg für einen bisher unbekannten Künstler mitunter auch eine chronisch gebückte Haltung und geschwollene Knie zur Folge haben, wenn er trotzdem überall stattfinden möchte – ganz anders allerdings laufen die Dinge im Paralleluniversum bei Ersguterjunge . Shindy , wohl den meisten als ehemaliger Sidekick von Kay One ein Begriff, welcher sich kürzlich erst selbst zum Prinzen geadelt hat, steht in diesen Tagen mit seinem Debut NWA ( Hörproben auf Amazon ) vor der Tür. Aber hier wird nicht kleinlaut um Gehör gebeten, besagte Tür wurde mit Berliner Hilfe aus den Angeln gerissen und samt guten Manieren medienwirksam vor den Augen der Republik pulverisiert: Auf Shindy s Stress ohne Grund ft. Bushido werden Politiker sowie eingangs genannter Ex-Kollege Kay One namentlich erwähnt. Und die Champions League der Medienwelt berichtet brav – besser kann Promo für einen Newcomer heute wirklich nicht laufen. Das Video selbst bekam über eine Million Views in weniger als 48 Stunden – ist mittlerweile allerdings auch gesperrt. Bleibt Shindy nur zu hoffen, dass er bei dem ganzen Trubel um seinen Labelboss nicht unter den Tisch fällt – über den aufstrebenden Griechen und sein Album wurde bisher nur nebenbei berichtet. Dabei ist der Longplayer mit dem Titel NWA , was u.a. für 'nie wieder arbeiten' steht, durchaus gelungen und in sich stimmig. Der Rapper zeigt sich in seinen Texten durchweg selbstironisch. Thematisch gilt: Arbeit ist out , und die Tage verbringt er in der Regel tiefenentspannt an der Seite seiner Mutter, die ihm allerlei Hausmannsköstlichkeiten zubereitet – hier wird ein scheinbar unspektakulärer Alltag derart relaxet und sympathisch als normaler Wahnsinn verkauft, dass man die Pfannkuchen förmlich riechen kann. Auf der anderen Seite scheint Shindy aber durchaus Erfahrungen mit dem Jet-Set gemacht zu haben: Der Titeltrack NWA fährt unterhaltsame Vergleiche (" Bin kein Liebesdichter, ich bin wie Keith Richards/ Rolling Stone und ficke Bitches bis die Knie zittern. /") wie auch ein hypnotisches Synthiebrett auf. Ähnlich überzogen, aber durchaus amüsant verhält es sich mit Titeln wie Ice-T oder Kein Fick . Ebenfalls mit viel Wortwitz und Charme kommen Tracks wie Immer immer mehr ft. Bushido und Sido um die Ecke, in dem er seine aufrichtige Liebe zur (größtenteils tatsächlich selbstkomponierten) Musik und seinen Werdegang am Mikrofon thematisiert. Bushido , als ebenfalls rappender Produzent – oder produzierender Rapper, kommt authentisch zur Hilfe und Sido zaubert wie gewohnt ein verschmitztes Grinsen ins Gesicht des geneigten Hörers. Als Rentner wägt sich der sympathische Halbgrieche mit einer rassigen Frau an seiner Seite in einer geräumigen Villa mit Blick auf den Rest der Welt – der angejazzte Beat macht Spaß, derart entspannt vergeht die Zukunftangst schneller als das Eis im Champagnerkühler in der strahlenden Sonne. Aber Shindy kann neben den Oberflächlichkeiten auch persönliche Inhalte transportieren, ohne dabei seltsam oder quotenwirksam zu wirken. Und darin liegt neben der kurzweiligen Unterhaltung auch die Stärke des gesamten Albums: Der Rapper schafft es, sämtliche Inhalte und Stimmungen authentisch darzubieten. Er lässt sich in keine Schublade drücken, wirkt aber auch nicht wahllos oder erzwungen facettenreich, um es jedem Recht machen zu wollen. So widmet er seiner Oma einen tiefgründigen Song, in dem er ihr seine Ehre erweist. Genauso ist er aber in der Lage, völlig frei von (jedenfalls nicht darauf angelegten) Peinlichkeiten ein Stück mit dem programmatischen Titel Highschool Musical ins Rennen zu schicken. Nur der Ironie völlig Fremde würde ihm hier ernsthafte Chartabsichten unterstellen. Das Einzige, was die Dauerrotation verhindern oder den Genuss trüben könnte, wäre der wirklich überirdisch lässige Flow, dem man zeitweise überzogene Arroganz, aber stellenweise auch einfach eine unangemessen gelangweilte Grundhaltung oder Arbeitsverweigerung unterstellen könnte. Ein bisschen variabler hätte Shindy sich hier zeigen können – aber darüber streiten sich die Gemüter. So schlägt er diesbezüglich wohl in die selbe Kerbe wie ein Fler oder ein Haftbefehl , für die ein Raptext über lowtempo Beats zur Königsdisziplin avanciert. Anderen schlafen dabei einfach die Füße ein, wenn es darauf ankommt. Der Diss Alkoholisierte Pädophile , welcher vorab via Youtube released wurde und sowohl Kay One als auch sein Umfeld durch den bitteren Kakao zieht, befindet sich nicht auf dem Album, dafür bietet Panamera Flow ft. Bushido hochkarätigen Ersatz (" Shindy Cool, Popikone, Toblerone in der Jogginghose ").

Fazit:

Wer keinen Spaß versteht und gern bitterernst durch seinen Alltag rennt, dem sei an dieser Stelle von NWA abgeraten. Für alle Freunde des doppeldeutigen Humors und anspruchsvoller Wortspiele hat Shindy ein Album zusammengebastelt, das auch musikalisch Spaß macht. Neben zahlreichem Synthiegefriemel lassen sich auch langlebige Loopferkeleien finden, die auf Dauer Freude bereiten können. Sollte sich der Sturm um Bushido s Worte gelegt haben, dann hätte dieses Debut auf jeden Fall ein bisschen aufrichtige Aufmerksamkeit verdient – hier scheint jemand mit Ironie und Herz bei der Sache zu sein.

Bewertung:

Beats: 7 von 10
Texte: 9 von 10
Features: 8 von 10
Flow: 6 von 10
Insgesamt : 7,5 von 10
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