Samy Deluxe - Männlich (Review)

Habt ihr mich vermisst?, fragt der alteingesessene Rapper Samy Deluxe gleich zu Beginn seines aktuellen Albums Männlich. Habt ihr ihn vermisst? Genauer sollte die Frage lauten: Weswegen sollte man Samy Deluxe vermisst haben? Nach Reggae-Ausflügen und dem Herr Sorge-Projekt fragen sich sicher einige, was von dem Deutschrap-Urgestein zu erwarten ist. Laut Pressetext kann das Album "als Blaupause für die perfekte Rap-LP" dienen. Wir werden sehen.

In Boom-Bap-Manier wird die LP eröffnet. Es geht verträumt weiter, um schließlich bedrohlich auszuklingen. Alles im ersten Track. Eine Vielseitigkeit, die sich auf das gesamte Album bezieht. Zunächst kommt klangtechnisch auf den nächsten Liedern (Offenes Herz und Blablabla) das Flair der Kunstwerkstatt auf. Ein Phänomen, das dem Hörer immer wieder auf dem Album begegnen wird. Musiker mit ihren Intrumenten sitzen zusammen und arbeiten gemeinsam am passenden Sound. Charakteristisch ist der Klang echter Instrumente. Ein angenehmer Hörgenuß. Rap-technisch flowt Samy souverän über die Tracks, aber mehr auch nicht. Irgendwie wirken die Texte bis dahin lieblos zusammengeschustert.

Der letzte König von Schrottland erinnert mit seiner Konsumkritik zumindest inhaltlich ein wenig an den Herrn Sorge mit seinen Verschwörungstheorien mit schönen Melodien. Auch die später folgenden Lieder Liebe in der Discotheque und Das Paradies gehen in diese Richtung. Nicht zuletzt wegen der elektronischen Beats. Wer auf tanzbare Elektro-Melancholie steht, dem wird’s gefallen. Es bleibt eindeutig Geschmackssache.

Wo die Blaupause der perfekten Rap-LP bleibt? Die hat sich in verschiedenen Liedern auf dem Album versteckt. Neben Probleme macht auch Fantasie Part 1 Rap-Hörern besonders Spaß. In Letzterem lädt Samy ein in eine Welt mit nahezu allen Helden von Kindern und junggebliebenen Erwachsenen. Die beiden werden auch jene Tracks sein, bei denen die Fans "diskutieren, welche Zeile ist die Beste" (Samy Deluxe auf Habt ihr mich vermisst?). Einer meiner Favoriten aus Fantasie Part 1:

"Plötzlich kommt Darth Vader an und sagt er ist mein Vater/ Ich denk nur 'Aha', da mein Vater nie da war, wie eine Fata Morgana/ Und Mama immer gesagt hat, er war ein Schwarzer und da er verdammt schwarz ist, sag ich einfach nur 'Papa'/“

Samy beweist, wie er routiniert Flows kombinieren, Geschwindigkeiten wechseln und nach Bedarf ganze Strophen auf einen Endreim schreiben kann. Auf Männlich zeigt er diese Qualitäten aber leider viel zu selten, als dass es tatsächlich als Rap-Blaupause dienen könnte. Vielmehr bietet das Album musikalisches Abwechslungsreichtum, beispielsweise gesunde Reggae-Einflüsse auf Klasse Klassiker. Ein Track mit stimmigem Basslauf und Off-Beat-Gitarre. Live-Präsenz wird Samsemilia mit Halt dich gut fest beweisen. Wahrscheinlich wird das Ding auf Tour direkt nach Let’s go (von dem Samy Deluxe-Album Let’s go) gespielt, um der Crowd die letzten Energiereserven zu nehmen. Fraglich dabei bleibt, warum die Fantastischen Vier als Feature-Gast für nur sechs Worte aufgeführt werden, während die weiche, ja, schöne, Gesangsperformance der Sängerin auf Traum hingegen nicht in der Tracklist erwähnt wird.

Inhaltlich fällt das Album vermehrt durchwachsen aus. Das Thema der Männlichkeit wird mehrfach aufgegriffen. Nicht im Maskulin-Style, wie bei den uns bekannten Berlinern. Es geht um die Schwierigkeiten des männlichen Geschlechts in Beziehungen, beziehungsweise deren Probleme bezüglich Treue und Untreue (Keine Liebe, Penis). Dass es zu dem Thema nichts weltbewegend Neues zu erzählen gibt, merkt der Hörer spätestens bei Verbotene Früchte. Da dehnt Samy einen alten Witz auf Liedlänge aus, den sicher die meisten schonmal gehört haben. Auf der anderen Seite zeigt er in anderen Liedern, dass nicht alles immer auch eine richtige Botschaft braucht um zu Gefallen. Eine gute Portion Humor begegnet dem aufmerksamen Zuhörer immer wieder. Manchmal reicht eben auch gereimter Nonsens um zu gefallen:

"Und die Leute sind derbe gespannt hier auf die Werbekampagne für Pferdelasagne" – Samy Deluxe auf Halt dich gut fest

Fazit: Schlussendlich fällt es schwer, Männlich irgendwo fest einzuordnen. Samy Deluxe beweist, dass Rappen und Raphören wirklich Spaß machen kann. Weiterhin wirkt das Album, als haben auch die Musiker Spaß, verschiedene Sachen auszuprobieren. Fraglich bleibt dabei, was der Hörer erwartet und ob seine Erwartung erfüllt werden kann. Fakt ist, das Album taugt nicht zum von vorne bis hinten Durchhören. Dafür sind die Lieder zu unterschiedlich. Einzeln genommen kann der Großteil aber durchaus überzeugen, sei es nun aus Rap-technischen oder musikalischen Aspekten.

Bewertung: 7 von 10

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