Rick Ross - Mastermind (Review)
mastermind

Das Gegenprogramm zum TDE-Release Oxymoron bringt Rick Ross schon eine Woche darauf: Gewissensloses Prahlen über Goldvorräte durch Drogengeschäfte und detaillierte Beschreibungen der bevorzugten Rezeptur für Hot Wings prägen Mastermind wie alle vorherigen Alben des Maybach-Fans. Dennoch wirkt Rozays Arbeit runder – nicht rundlicher – als zuvor.

"If you love Hiphop, bust them shots!" – Ein Rick Ross-Hater wird auf Mastermind nicht aufhören zu lachen. Rozay bietet auch diesmal thematisch genau das, was man von ihm erwartet, was er kann und was man ihm ankreiden kann. Ein Ex-Gefängniswärter mit dem Mindstate eines im Whirlpool-sitzenden Tony Montanas. Ob sein Rap authentisch ist und inwieweit das überhaupt für die Bewertung der Kunst relevant ist – darüber kann ein Felix Blume sicher Romane schreiben. An manchen Stellen gibt Rozay sogar kleine Andeutungen preis, ohne allerdings konkret zu werden: "They say it's hard to smile with a double life" und "My desire for fine things made me a liar" sind nur zwei von vielen. Aber im Großen und Ganzen bleibt der MMG-Boss seiner Linie treu und schlüpft in über 16 Tracks in die Rolle des steinreichen Drogenbarons.

Mastermind beginnt überdurschnittlich gut. Auf das smoothe Soulsample (Rich Is Gangsta) folgt der quasi gleiche Inhalt verpackt in Trap-Form (Drug Dealer’s Dream). Direkt danach gibt es dann zwei Anwärter auf den bisherigen Song des Jahres. Zuerst zeigt Ross, dass er zusammen mit dem Bad Boy-Duo Diddy und French Montana einen der legendärsten Biggie-Songs erfolgreich neu aufsetzen kann. Auch, wenn die Kombo nicht danach klingt: Nobody ist wahrscheinlich einer der größten Überraschungen seit langem. Warum French Montanas Hooks geil sind, hat Toxik schon erklärt. Rozay reißt den Track mit zwei gnadenlosen Verses runter und zwischendurch bringt Diddy einem noch bei, wie man zum Gott wird. Mit göttlichen Figuren kennt sich im Übrigen noch jemand aus – der kommt später…  

Bevor man Nobody noch verarbeiten kann – den Kopf vom Biggie-Sample freizukriegen um Rozays Strophen zu genießen, kann ein bisschen dauern – gibt es das nächste Brett: Nur wenige Monate nach Fuckwithmeyouknowigotit bringt Rick Ross niemand Geringeren als Jay Z auf sein Album – und wie! Die drei Strophen passen, der Beat knallt. 10 Punkte für Devil Is A Lie.

Den dritten Anwärter auf einen Klassiker schickt er dann Richtung Ende des Albums ins Rennen: Auf Sanctified mutiert Kanye weiter zu Yeezus wie Cassius Clay zu Muhammad Ali. Diesmal mündet ein Gospel-Intro in einer düsteren Striphymne. Hört sich wie eine ausgearbeitete Version des Yeezus-Konzepts an, das in dieser Form nun auch auf normalen Rap-Alben funktioniert. Übrigens: Beim Soulpart handelt es sich um kein Sample. Auf dem von Kanyes kongenialem Partner Mike Dean handgemachten Instrumental hat Betty Wright original im Studio eingesungen. 

Ebenfalls neu und original eingesungen – diesmal von Betty Idol – ist die Hook auf dem abschließenden Thug Cry, auf dem sich Lil Wayne flowtechnisch für die schnelle Variante entscheidet. Überraschend, wie vieles auf dem Album. Die wenig überraschende Konstante bleiben allerdings auch hier Ross’ Lyrics – kein Wunder also, dass er sein vielleicht bestes Album mit "still lemon pepper on my motherfucking wings" beendet. Diesmal mit Nachdruck. Damit man es nicht vergisst. Waaangs.

Fazit:

Man muss für Rick Ross’ Art empfänglich sein, denn er redefiniert hier kein Genre. Mastermind ist kein Klassiker, aber ein sehr gutes – wenn nicht Rick Ross’ bestes – Album. Wer nicht neidisch wird, wenn er dem MMG-Boss bei Erzählungen von deutschen Edelautos und seinem neu erworbenen 100-Zimmer-Anwesen in Atlanta zuhört, der wird Rick Ross’ glitzernde Gedankenwelt genießen können. 

Kopfnicken geht außerdem immer, weil Rozay fast nie einen Papierkorb-würdigen Beat pickt. Nachdem er mit Paukenschlägen die Tore zu Mastermind öffnet, lässt das Album in der zweiten Hälfte nach, hat allerdings unter anderem mit einem denkwürdigen Kanye West-Track noch mindestens einen Ass im Ärmel versteckt.

Schwächster Punkt des Albums ist das Reggae-mäßige Mafia Music III mit Sizzla, das musikalisch absolut nichts auf dem Album verloren hat und auch für das, was es sein soll, schlecht klingt. Das angebliche Detox-Nebenprodukt sagt so einiges über die Arbeit an Dr. Dres verschollenem Projekt aus.

So sehr man Rick Ross auch seine fehlende Authentizität und die redundante Themenwahl vorhält, keine andere Stimme der Rapwelt könnte diese Figur besser verkörpern als seine – also warum auch nicht aufs exzessivste nutzen? Er klingt mächtig, erfahren und weise zugleich. Er besitzt das seltsame Talent, vollkommen normalen Wörter ein großes Gewicht zu verleihen. Zudem gehört er zweifellos zu den besten Beat-Pickern der aktuellen Rapszene. Und wenn ein Rick Ross – unterlegt von pompösen Trompeten und Streichern – sagt, dass Hähnchenteile mit Zitronenpfeffer am besten schmecken, dann glaubt man ihm.

Bewertung: 8 von 10 

Aria Nejati

Autoreninfo

Aria Nejati ist seit 2013 Teil des Hiphop.de-Teams. Neben seinen Artikeln und Reviews interviewte er schon US-Rapstars von 50 Cent über Ryan Leslie bis hin zu ScHoolboy Q.
Kategorie
Artist
Genre

Groove Attack by Hiphop.de