J. Cole – Born Sinner (Review)
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Man muss schon ein wenig verrückt sein: In Tagen, wo Skandalnudel Kanye West nicht einmal eine handfeste Single braucht um die Schlagzeilen zu erobern, entscheidet sich J. Cole , sein Releasedate auf das von Kanye zu legen. " Mein Album wird nicht in Kanye s Schatten stehen. Ich will ein Kopf-an-Kopf-Rennen ", sagt der 28-Jährige. Ob er Kanye die Pole Position der Albumcharts strittig machen kann? Eher zweifelhaft. Musikalisch allerdings ist J. Cole ganz oben angekommen. Gesignt ist er bei Roc Nation , gelernt hat er – wie Kanye – beim Großmeister Jay-Z . Und das hört man: Fast wie eine Reinkarnation des alten Jay kommt Cole ins Intro , das klar und deutlich die Richtung der Platte vorgibt. Stilsicher schmeißt J. Cole mit Referenzen um sich, wo es nur geht. Die titelgebende Line " I'm a born sinner, the opposite of a winner " aus dem Biggie -Klassiker Juicy bläst einem auch gleich zu Beginn entgegen. Dass der junge Cole mit den Klängen von Nas und Tupac aufgewachsen ist, lässt er seine Zuhörer dank vieler Querverweise wissen, die sich im Übrigen durch das gesamte Album ziehen. Auf der ersten Hälfte des Albums legt J. Cole insbesondere mit Trouble , She Knows und der Single Power Trip seinen Maßstab enorm hoch – und hält ihn überraschenderweise bis zum Ende. Immer wieder geht es in seinen Texten um Krisen und Probleme mit Frauen. Cole nimmt seine Hörer mit auf die Reise durch eine fast schon außergewöhnlich normale Jugend für einen Rapper. Für den Sohn eines Afro-Amerikaners und einer weißen Amerikanerin spielten Gangs und Drogen keine große Rolle. Dafür viel eher Mädchen, Mädchen und Mädchen. Und Cole weiß damit umzugehen, denn er schafft es, das prekäre Thema auf einzigartige Art und Weise rappend umzusetzen. Das Album prägt sich mit guten Hooks und den sorgfältig geschriebenen, feinfühligen Strophen schnell ein. Dennoch erinnert nichts auf Born Sinner an Drake und gibt auch keinen Ansatzpunkt, um Cole für zu soft zu verurteilen. Einzige wirkliche Enttäuschung der Platte ist Forbidden Fruits . Das versprochene Kendrick Lamar -Feature findet leider nur auf der Hook statt – und auch ansonsten weiß der Track am allerwenigsten von allen zu überzeugen. Ein Kendrick Lamar -Feature wäre ohnehin nicht nötig gewesen, denn dieses Album ist Cole s Werk und macht auch genau diesen Eindruck. Da fast vollständig alle Beats aus Cole s eigener Feder kommen, hört sich Born Sinner wie aus einem Guss an. Kein Wunder, dass es kein MC mit einer Strophe aufs Album geschafft hat: Auf diesem Themengebiet und der atmosphärischen Untermalung hätte Cole wohl mit niemandem so gut connectet wie mit sich selbst. Auch zum Ende der Platte hin wird das Album nicht langweilig und kann mit dem gleichen Rezept unterhalten. Crooked Smile mit TLC auf der Hook markiert tatsächlich den ersten und einzigen Track mit einer aufmunternden Harmonie. Cole s Versprechen auf dem Intro , " It's way darker this time ", stellt sich als Tatsache heraus, obgleich man auf seinem Debüt Cole World: A Sideline Story auch nicht von Sommerhits erschlagen worden ist. Mit Let Nas Down adressiert Cole einen Kommentar seines Idols Nas , der einst seine Unzufriedenheit mit Cole s Single Workout kundgegeben hatte. Ausgestattet mit Nas -Samples und einem Flow, der mal wieder on-point ist, führt uns das zum letzten Song – Born Sinner . Der Titeltrack des Albums ist für mich persönlich der musikalische Höhepunkt des Albums, auf dem J. Cole mit James Fauntleroy erneut die goldrichtige Wahl für eine Hook getroffen hat. Der Song zeigt besser als alle anderen auf dem Album, worum es Cole geht: Gute Musik. Mehr bleibt nicht zu sagen.

Fazit:

Auf 16 Songs der Standard Edition hält das Album was es verspricht und zeigt kaum Schwächen. Die Beats, die ebenfalls von Cole kommen, wissen allesamt zu überzeugen. Sogar seine Featuregäste hat Cole perfekt gewählt. Dass Miguel und TLC wie gemacht sind für Born Sinner , wusste man von vornherein. Und auch James Fauntleroy macht auf dem Titelsong einen ganz großen Eindruck zum Ende des Albums. Mit einer guten Stunde Laufzeit kommt einem das Album fast zu kurz vor. Kritisieren kann man ihn eventuell für die fehlende Vielfältigkeit seiner Themenauswahl, doch was er tut, tut er unglaublich gut. J. Cole zeigt auf seinem zweiten Album vor allen Dingen, dass er sich in einem enorm schnellem Tempo weiterentwickelt. Melodische Klänge und einprägsame Refrains ohne die Wurzeln des Hiphops ansatzweise aus den Augen zu verlieren: Cole ist mit Born Sinner sicher nicht auf der Suche nach der perfekten Radiosingle, sondern möchte für seine alltäglichen Problemen ein Gehör finden. Wermutstropfen ist einzig und allein der Beitrag von TDE -Superstar Kendrick Lamar . Doch vielleicht bekommt man ja auch irgendwas das angekündigte Kollabo-Album der beiden. Festzuhalten ist, dass J. Cole ein musikalisch und textlich unfassbar gutes Album ins Rennen um die Nummer Eins mit Kanye West schickt. Jay-Z kann stolz sein. Bewertung: 7,5/10
Aria Nejati

Autoreninfo

Aria Nejati ist seit 2013 Teil des Hiphop.de-Teams. Neben seinen Artikeln und Reviews interviewte er schon US-Rapstars von 50 Cent über Ryan Leslie bis hin zu ScHoolboy Q.
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