Racial Profiling ist ein bekanntes #Polizeiproblem. Darum ist es verboten, Menschen nur aufgrund ihres Aussehens zu kontrollieren. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) fordert, die rassistische Praxis eingehend zu untersuchen und die entsprechende Studie war bereits angekündigt. Aber Innenminister Horst Seehofer hat sie abgesagt und erntet seitdem nur Spott und Kritik. Ganz besonders für die abenteuerliche Begründung: Es sei ja sowieso verboten, darum finde Racial Profiling nicht statt und müsse dementsprechend gar nicht erst untersucht werden. Damit schadet er nicht nur den vielen Betroffenen, sondern auch der Polizei und dem gesamten Land.
Horst Seehofer sagt Racial Profiling-Studie ab, weil das sowieso verboten ist
Zielsicher steuert der CSU-Politiker von einem Fettnäpfchen ins nächste. Erst kürzlich hat sich der Innenminister bis auf die Knochen blamiert: Er wollte Strafanzeige stellen, weil ihm die satirische taz-Kolumne von Hengameh Yaghoobifarah nicht gefallen hat. Nach viel Kritik hat er dann aber doch noch eingesehen, wie schlecht die Idee war. Jetzt macht er sich schon wieder lächerlich.
Darum geht es: Das Thema bleibt dasselbe und Horst Seehofer versucht abzulenken. Die ganze Welt hat ein Rassismus-Problem, das sich besonders furchtbar in der Armee und der Polizei manifestiert. Diese Leute haben Waffen und damit das Gewaltmonopol, gleichzeitig kultivieren sie Patriotismus, Nationalstolz und blinden Gehorsam – eine brandgefährliche Mischung.
Um Probleme wie Rassismus und Polizeigewalt in den Griff zu kriegen, sollten sie genauer untersucht werden. Zum Beispiel mit Hilfe von groß angelegten Studien, die schlaue Menschen fordern, die sich damit auskennen. Ihr müsst also weder mir noch Herrn Seehofer Glauben schenken, vertraut lieber den Experten.
Dafür war Heimat-Horst Seehofer aber leider noch nie bekannt. Ganz im Gegenteil. Stattdessen prescht der CSU-Mann gern im Alleingang vor, um Dinge zu tun und zu sagen, die er sich vielleicht besser anders überlegt hätte. So jetzt auch wieder: Er lässt durch einen Sprecher verlauten, die eigentlich geplante Racial Profiling-Studie werde nicht kommen.
Mit der wahnwitzigen Begründung, dass das eh nicht passiere. Weil das sei sowieso verboten. Klarer Fall: Was verboten ist, tut natürlich auch niemand. Erst recht nicht in der Polizei oder beim Bund – wo vor kurzem angekündigt wurde, eine ganze Kompanie des KSK aufzulösen, weil die so hoffnungslos rechtsradikal ist.
As Neo-Nazis Seed Military Ranks, Germany Confronts 'an Enemy Within'
After plastic explosives and Nazi memorabilia were found at an elite soldier's home, Germany worries about a problem of far-right infiltration at the heart of its democracy. Shooting drills at the base of the KSK, the military special forces, in Calw, Germany. Credit...
Horst Seehofer erntet in erster Linie Spott
Gute Neuigkeiten: Nach dieser Logik können wir jetzt alle Haustüren, Schließfächer, Überwachungskameras, Steuerfahnder, Fahrrardschlösser, Drogenfahnder, Fahrkartenkontrolleure und dergleichen einfach komplett abschaffen. Brauchen wir nicht mehr, weil Diebstahl, Einbruch, Steuerhinterziehung, Drogenhandel und das sogenannte Schwarzfahren sind ja verboten.
Nach dem #CSU Hit "Cannabis ist verboten, weil es illegal ist" jetzt die neue #Seehofer Single "#RacialProfiling ist verbietet sich, also brauchen wir auch keine Studie durchführen, ob es sie gibt!!1
— Volksverpetzer (@Volksverpetzer) July 4, 2020
Was wirklich gut ist: Als nächstes muss Horst Seehofer konsequenterweise eigentlich auch die Polizei abschaffen. Verbrechen sind doch sowieso verboten und laut Heimat-Horst findet generell nirgendwo irgendetwas Verbotenes statt. Wofür brauchen wir dann noch Verbrechensbekämpfung?
Morgen verkündet #Seehofer bestimmt, dass die #Polizei abgeschafft wird. Schließlich sind Straftaten ja per Gesetz verboten, also muss man sie auch nicht untersuchen.#RacialProfiling
— Niema Movassat (@NiemaMovassat) July 6, 2020
Es wird immer besser: Wenn verbotene Dinge sowieso nie getan werden, kann es eigentlich auch keine Straftäter mehr geben. Wir brauchen also auch endlich keine Gefängnisse und Gefangenen-Sammelstellen mehr, weil die dann immer nur leerstehen würden. Das führt allerdings zu dem Problem, was die ganzen Leute dann arbeiten sollen ... Aber damit hat sich Hengameh Yaghoobifarah schon ausführlich beschäftigt.
Weil, so schließt Horst messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.#Polizeiproblem #RacialProfiling
— Seebrücke Berlin (@SeebrueckeB) July 4, 2020
Wir sagen ja schon lange: #seehoferruecktritt https://t.co/DkreIorP2P
So witzig das alles klingt, so berechnend ist es wahrscheinlich auch. Horst Seehofer dürfte ziemlich klar sein, wie die Begründung für die Absage der Racial Profiling-Studie wirkt. Aber das ist ihm höchstwahrscheinlich sogar sehr recht, weil jetzt alle darüber reden und nur noch die Wenigsten über das eigentliche Problem sprechen.
Die Realität ist eine andere, berichten auch viele migrationspolitische Initativen. Auch das neue sächsische #Polizeigesetz begünstigt das #RacialProfiling, beispielsweise durch das ermöglichen von verdachtsunabhängigen Kontrollen. #Rassismus #Rassismusstudie #Sachsen #saxlt https://t.co/8aP9FDYqyG pic.twitter.com/Wnl6VMCgCc
— Linksfraktion Sachsen (@LINKE_LTSachsen) July 7, 2020
Horst Seehofer macht sich nicht einfach nur lächerlich
Der Innenminister blamiert sich nicht nur, er schadet auch der Institution, die er mit dieser Absage offensichtlich schützen will – der Polizei. Es liegt auf der Hand: Wenn die Polizei nichts zu befürchten hätte und es kein Racial Profiling geben würde, dürfte bei der Studie eigentlich nur Positives rauskommen. Wäre das nicht der Fall, könnte zumindest daran gearbeitet werden, dass sich etwas bessert.
Bei Debatte um #RacialProfiling (eigentlich rassistisches Profiling) muss man bedenken, dass #Seehofer um rechte Hetze nicht verlegen ist ("Sozialamt", "Mutter aller Probleme", "bis zur letzten Patrone)". Dass er nirgends strukturellen Rassismus sieht, ist Seehofer-immanent pic.twitter.com/tj3B6ZQvZ4
— Lorenz Gösta Beutin (@lgbeutin) July 6, 2020
Indem sich Horst Seehofer aber schon im Vorfeld vermeintlich schützend vor die arme Polizei stellt, leister er ihr einen Bärendienst. So hat sie weder die Chance, zu zeigen, wie sauber sie arbeitet (und dass es da angeblich kein Racial Profiling gibt), noch die Gelegenheit, an sich selbst zu arbeiten, sollte doch etwas im Argen liegen (wovon auszugehen ist).
die vertrauen #seehofer verständlicherweise nicht. er nimmt das problem ja auch nicht ernst. #racialprofiling #strukturellerrassismus #Polizeiproblem #rassismus #polizei #polizeigewalt pic.twitter.com/HQTJne5s5d
— cpt.ibiza (@grim303161) July 6, 2020
So erweckt Horst Seehofer nur noch einmal genau den Eindruck, den er eigentlich vermeiden will: Die CSU, die Polizei und der gesamte Staatsapparat haben offensichtlich etwas zu verbergen, und zwar ein (institutionelles) Rassismus-Problem. Das wirkt zum einen natürlich kindisch, stur und weltfremd, zum anderen aber auch konservativ im eigentlichen Wortsinn.
Einen Bundesinnenminister, der sich an seinem 69. Geburtstag über die Abschiebung von 69 Menschen nach Afghanistan freut und die Migration als die „Mutter aller Probleme“ bezeichnet!
— Bahar Aslan (@BaharAslan_) July 4, 2020
Horst Seehofer betreibt so wieder einmal seine ewiggestrige Politik, die nur darauf abzielt, den Status Quo zu erhalten. Er stellt sich erneut einer zukunftsgewandten, fortschrittlichen Politik entgegen und verhindert aktiv, dass Fehler erkannt, benannt werden und anschließend die Arbeit daran beginnen kann, etwas zum Besseren zu verändern.
"Ob" Racial Profiling in der deutschen Polizei betrieben wird, ist doch keine Frage, das ist offensichtlich. Das Ausmaß & federführende Autoritäten wären halt interessant. Wo genau sitzen Nazis? Das will Seehofen die Öffentlichkeit nicht wissen lassen, zu viele Parteigenossen.
— Aza hat jetzt Urlaub. (@JaneraTiciano) July 6, 2020
Schon wieder ein Ablenkungsmanöver: Wir haben es also erneut mit einem Derailing-Versuch zu tun. Horst Seehofer versucht schon wieder, vom eigentlichen Thema abzulenken. Während er davon spricht, gegen Rassismus vorgehen zu wollen, tut er genau das Gegenteil. Er verhindert sogar, dass etwas gegen Rassismus unternommen werden kann.
Natürlich WISSEN Seehofer und seine Leute, dass diese Begründung vollkommen absurd ist und natürlich WISSEN sie, dass wir ein #Polizeiproblem haben.
— René Engel (@Engel_Re) July 5, 2020
Sie zünden diese Nebelkerze, um (wieder einmal!) die Agenda - oder zumindest das Framing - zu bestimmen.
Denn:
Kritik an Seehofer & viele Forderungen, die Studie durchzuführen
#SeehoferRücktritt: Horst Seehofer, der in der Vergangenheit immer wieder durch rechte Aussagen aufgefallen ist, der sich schützend vor die Rechten im Verfassungsschutz, in der AfD und in der Polizei stellt, der aktiv verhindert, dass Rassismus untersucht werden kann und alles in allem also einfach ungeeignet für diesen Posten ist – wieso ist dieser Mann immer noch Innenminister?
ein Maßnahmenpaket, das dem selbstgesteckten Ziel der Bundesregierung gerecht wird: eine Rechtsextremismus und Rassismus freie und chancengerechte Einwanderungsgesellschaft zu schaffen. Zu viele Menschen haben bereits durch Rassismus ihr Leben verloren,
— Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (@dieBKMO) July 6, 2020
geben, wenn diese Missstände nicht behoben werden.
— Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (@dieBKMO) July 6, 2020
Im Vorfeld erwarten wir endlich eine Stellungnahme der Bundesregierung auf die Inhalte unseres offenen Briefs an Bundeskanzlerin Dr. Merkel vom 27.02.2020, um darauf Bezug zu nehmen. Der Kabinettausschuss muss jetzt liefern.
Wird der Minister wieder zurückgepfiffen? Es sieht aktuell ganz danach aus, als würde auch diese Ankündigung beziehungsweise das Einkassieren der Ankündigung wieder einkassiert. Das war schon bei der angeblichen Strafanzeige gegen Hengameh Yaghoobifarah so und könnte sich jetzt wiederholen. Es gibt sehr viele Stimmen, die Horst Seehofer scharf kritisieren und fordern, dass die Studie kommt.
#Seehofer schadet mit seiner Weigerung der Polizei: Wir brauchen eine klare Grundlage zu #RacialProfiling, damit wir wissen wovon wir reden und keine Pauschalurteile treffen. Die Studie macht Sinn – was keinen Sinn macht, ist dass der Innenminister sich weigert.
— S.L.-Schnarrenberger (@sls_fdp) July 6, 2020
Wir brauchen diese Studie: Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat gestern (via: Spiegel) erklärt, sie werde nochmal mit dem Innenminister darüber sprechen. Es sei sehr wichtig, diese Studie durchzuführen. Auch Thüringens Innenminister und gleichzeitig Vorsitzender der Innenministerkonferenz Georg Maier erklärt gegenüber der taz:
"Ich trete dafür ein, die Diskussion an dieser Stelle zu versachlichen. Wir dürfen uns dem öffentlichen Empfinden über diskriminierendes Fehlverhalten in der Polizei nicht verschließen. Dies ist wichtig für das Vertrauen in die Polizei."
"Als Trägerin des Gewaltmonopols muss sie aber auch in besonderer Weise Vorbild sein und sich auch Kritik stellen."
Was nicht anerkannt wird, kann nicht verändert werden.
— Aylin Karabulut (@_aylinkarabulut) July 6, 2020
Diese Studie ist mehr als überfällig. Wir brauchen in Deutschland endlich belastbare & wissenschaftlich erhobene Daten zu institutionellem Rassismus in der Polizei!https://t.co/maQ8er4CIk
Bernhard Franke, der Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, spricht sich genauso für eine Durchführung der Studie aus. Horst Seehofers Begründung für die Absage sei "wenig stichhaltig" und er vergebe "eine wichtige Chance, entsprechende Fälle in der Polizei auszuwerten und Grundlagenforschung zu betreiben".
„Der Bundespolizist, der die Kontrolle durchgeführt hatte, gab vor Gericht zu, dass er den Reisenden vor allem aufgrund seiner Hautfarbe kontrolliert hatte: Er spreche Leute an, "die ihm als Ausländer erschienen".#Polizeiproblem #RacialProfiling https://t.co/kKdbhB3niw
— BXNBXN (@BXNBXN2) July 6, 2020
Der ECRI-Bericht aus dem März schlägt natürlich in dieselbe Kerbe: "Auch wenn es starke Indizien für ein ausgeprägtes Racial Profiling gibt, sind sich viele Polizeidienststellen und -vertreter dessen nicht bewusst oder leugnen dessen Existenz." Bei einer entsprechenden Untersuchung gehe es auch "überhaupt nicht darum, irgendjemanden unter Generalverdacht zu stellen".
"Kein Bedarf" für Studie zu institutionellem Rassismus in der Polizei
Amnesty International zeigt sich enttäuscht von der Absage des Bundesinnenministeriums, eine Studie zu Racial Profiling in Auftrag zu geben, wie sie die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) vorgeschlagen hatte. "Die Studie hätte eine Chance sein können, sich mit dem Problem von Rassismus in Institutionen auseinanderzusetzen - so wie es die Bundesregierung im Nationalen Aktionsplan angekündigt hat", sagt Julia Duchrow, Stellvertreterin des Generalsekretärs bei Amnesty International in Deutschland.
Rap über Racial Profiling: Das Problem ist das System
Weil es ohne unabhängige Beschwerdestellen kaum belastbare Fakten geben kann, sind Untersuchungen und Studien wie diese so wichtig. Bis dahin können und sollten wir uns anschauen, was Betroffene berichten. Dafür müssen wir nicht einmal besonders lang suchen oder weit gehen. Hiphop und Rap sind voll davon.
US-Rap hat seit Anbeginn Protest-Songs wie "F*ck tha Police", "Sound of da Police", "Changes", "Police State", "Pigs" oder "Officer Down" hervorgebracht. Aber auch im deutschsprachigen Hiphop gibt es natürlich haufenweise Lines, die sich mit Polizeigewalt, Rassismus und dementsprechend mit Racial Profiling auseinandersetzen.
Ansu – Bomberjacken
"Schon wieder Kontrolle durch die Polizei, na klar hab ich nichts dabei/Verhalte mich nicht mal ein bisschen verdächtig, egal, die Hautfarbe reicht"
Ansu - Bomberjacken [Video]
Ansus Song dreht sich vor allem um Probleme mit der Polizei...
Haftbefehl – Generation K*nak
"Schwarze Haare heißt Stress mit den Bullen/Denkt ihr jeder K*nacke bunkert Crack in seinem Mund?"
OG Keemo – 216
"Was weißt du von Polizeikontrollen, wenn ein junger N*gga spät im Dunkeln unterwegs ist?/Und allein dein Hautton ist Grund genug nicht lang rumzureden/Und der Bulle tut so, als wäre es unpersönlich"
OG Keemo - 216 [Video]
Der Bass kriecht böse aus dem Subwoofer, Colonel Keemo salutiert in die Kamera, aber etwas ist anders als bei den bisherigen Mixtapes "Neptun" und "Skalp". Die erste Auskopplung aus dem kommenden Debütalbum "Geist" von OG Keemo und Funkvater Frank rückt ein gesellschaftliches Thema in den Mittelpunkt, das nur wenig mit Kleptomanie oder den feinen Dingen des Lebens zu tun hat.
Massiv – Ghettolied
"Das ist kein Fluch - Das ist Schicksal, wir K*nacken landen immer im Gerichtssaal!"
Natürlich gibt es davon noch viel mehr und auch außerhalb von Rap existieren genug Berichte von Betroffenen. Wir müssten ihnen nur endlich zuhören und anschließend die logischen Konsequenzen daraus ziehen.
Black Lives Matter
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