"Hier rappen 20 Jahre Straßenschlachten, Gold-und Platinplatten, das sind die harten Fakten."
So steigt Bushido in die dritte Videoauskopplung seines aktuellen Albums Black Friday ein. Tatsächlich übertreibt er mit dieser ersten Line kein bisschen. Immerhin zählt Bushido schon seit seinem ersten Album Vom Bordstein bis zur Skyline zum festen Bestandteil deutscher Rapgeschichte. Nun gut, im Jahr 2003 reichte es noch nicht für eine goldene Schallplatte. Das sollte sich allerdings schon im darauf folgenden Jahr ändern. Von 2004 bis 2010 holt sich Bushido mit jedem Album eine entsprechende Auszeichnung. Sieben von zwölf Alben gehen auf die Eins – so zuletzt auch Black Friday.
So stellt sich zurecht die Frage, wie Bushido als wohl einer der kontroversesten Künstler dieses Genres nach wie vor auch zu den erfolgreichsten seiner Art zählen kann – und das über Jahre?
Zunächst dürfte es wohl nicht geschadet haben, dass Anis Mohamed Youssef Ferchichi seine Karriere bei Aggro Berlin begann. Das Label wurde Anfang 2000 vermutlich von genau so vielen gehasst wie auch geliebt und vielleicht lag genau darin das Geheimrezept. Vor allem durch Aggro erreichte Gangsterrap in Deutschland den Mainstream und machte in scheinbar kürzester Zeit B-Tight, Sido, Fler und Bushido bundesweit berühmt. Die Faszination bestand bekanntlich in maßloser Provokation und der Index gehörte schon fast zum guten Ton. Das Erfolgsgeheimnis 2004: Je schlechter das Vorbild, desto mehr verkaufte Platten.
Die Trennung von Aggro Berlin schadete Bushido aber in keinster Weise. 2004 landet er nicht nur einen Major Deal, sondern gründet auch gleich sein eigenes Label ersguterjunge. Wie es zur Namensgebung kam und wie die Trennung von Aggro verlief, erzählt Bushido einprägsam in seiner eigenen Filmbiografie Zeiten ändern dich. So soll Arafat Abou-Chaker ihn aus seinen ehemaligen Verträgen befreit haben - mit allen Mitteln, die nötig gewesen seien. Der Kinofilm erscheint kurz nach der Veröffentlichung der Biografie Bushido im September 2008, die es gleich an die Spitze der Spiegel Bestseller-Liste schaffte. Trotz negativer Schlagzeilen und kontroverser TV-Auftritte scheint Bushido 2008 und 2009 endgültig zum Star geworden zu sein. Noch immer gilt das gleiche Prinzip: Je böser, desto besser.
Musikalisch bleibt Bushido auch mit den folgenden Alben erfolgreich. Besonders auf der Platte AMYF zeigt er sich aber nachdenklicher und weniger provokant als auf seinen vergangenen Alben. Erstmals scheint es so, als wolle Bushido auch von der breiten Öffentlichkeit angenommen werden wollen. Er besucht Schulen, macht ein Praktikum im Bundestag und veröffentlicht Tracks mit Peter Maffay oder Karel Gott.
Das Jahr 2011 dürfte als Wendepunkt in Bushidos Karriere bezeichnet werden. Als ihm der Bambi für Integration verliehen wird, kritisiert die Öffentlichkeit die Auszeichnung stark und Sänger Heino gibt seinen eigenen Preis aus Protest zurück. Trotz aller Mühen in der Vergangenheit, lässt sich Bushidos Image wohl nicht rein waschen und die Bambi-Verleihung erweist sich als Reinfall.
Zwei Jahre später landet Bushido auf dem Cover des Stern Magazins mit einer Titelstory, die seine Beziehung zur "organisierten Kriminaltät", darlegen soll. Sämtliche Medien stürzen sich auf die Verbindung zwischen dem Künstler und Arafat Abou-Chaker.
Während Bushido die letzten Jahre nach dem Prinzip des rebellischen Außenseiters verbracht hatte, versuchte er ab 2010 ein neues Image zu etablieren und scheitert. Seinen Verkaufszahlen schadet dies nur bedingt. AMYF zum Beispiel landet zwar auf der Eins, doch reicht es nicht für eine Goldene Schallplatte.
Nach dem zweifachen Shitstorm blieb Bushido wohl nur eine Entscheidung. Dem AMYF-Trend nachzugehen und vermehrt die Musik zu liefern, die seinem allgemein eher negativen Image entgegenwirken würde oder eben genau das Gegenteil.
Wofür er sich entschied, dürfte den meisten wohl bekannt sein. Im Februar 2014 erschien Sonny Black und Bushido kehrte mit voller Wucht zu seinem Alter Ego zurück. Höhepunkt dessen bildet nicht zuletzt auch der Kay One-Diss Leben und Tod des Kenneth Glöckler. Bushido griff in dieser Zeit auf altbewährte Aggro-Mittel zurück. Nicht zuletzt die Kollabo Stress ohne Grund mit dem neuen Singning Shindy unterstreicht: der alte Bushido ist zurück. Beweisen kann dies letztlich auch das Album CCN3, das Bushido im Gegensatz zu allen Vorgängern 2015 im Alleingang veröffentlichte. Das Erfolgsgeheimnis 2014 (also genau 10 Jahre später): Je schlechter das Vorbild, desto mehr verkaufte Platten.
Nun scheint Bushido an einem Punkt angekommen zu sein, an dem erneut ein Wandel stattfinden musste. Während seine letzten Alben als aggressive Antwort auf die Vorkomnisse 2011/2013 interpretiert werden konnten, konnte Bushido mit Black Friday die authentischste Version seiner selbst zeigen.
So zeigt er sich hier zwar so gut situiert wie auf Classic an der Seite von Shindy, doch bleibt er seinem eigenen Sound gleichzeitig treu. Dass beides funktioniert, zeigen bereits die Singleauskopplungen aus der Platte. Neben Sodom und Gomorrha wirkt Papa nicht mehr oder weniger überzeugend und beide können gleichzeitig bestens bestehen. Mit den neuen Signings, Laas Unltd. und M.O.030 wird außerdem klar, dass Bushido und Ersguterjunge einen vollkommen neuen Karriere-Abschnitt beginnen.
Nach dieser möglichst kurzen Zusammenfassung ist wohl Zeit für ein Fazit: Was macht die Faszination Bushido aus?
Zunächst spielt wohl sein langjähriges Bestehen in der Szene eine entscheidene Rolle. Als Rapper, der Teil der Aggro-Ära war, kann ihm ein besonderer "Legendenstatus" zugesprochen werden. Immerhin zählt er zu den ersten deutschen Gangster-Rappern und bezeichnet seine Nachfolger daher lediglich als "kleine Bushidos". Außerdem überzeugt Bushidos Image seit Beginn seiner Karriere und die Skandale, die in der breiten Öffentlichkeit für Aufruhr sorgten, machten ihn als Gangster-Rapper für seine Zuhörerschaft umso faszinierender.
Besonders das Cover "Bushido und die Mafia" dürfte hier als Höhepunkt bezeichnet werden. Immerhin ist es kein Geheimnis, dass besonders Jugendliche eher vom Anti-Helden angezogen werden. Das Prinzip "Bad Boy" zieht nicht nur im Rap, sondern zum Beispiel auch im Punk (Sid Vicious) oder im klassischen Rock'n'Roll (Elvis). Wer rebellisch ist, wirkt gleichzeitig selbstbewusst, unabhängig und interessant und kann so zum Jugendidol werden. Das funktionierte bereits bei Aggro und es funktioniert bis heute. Wie bereits erwähnt lautet das Geheimrezept von Anfang an: Je schlechter das Vorbild, desto mehr verkaufte Platten.
Nicht zu vergessen ist aber auch, dass Bushido mit seinem eigenen Sound, dem Inhalt seiner Texte und seinen Punchlines sein Image perfekt ergänzt. Er bleibt bewusst der Außenseiter, der nichts für den Rest der Szene übrig hat und unterstreicht dies auch selbst auf Black Friday: "Es ist egj-Gang, f*ck die Szene, Top-Ten." Berücksichtigen wir jetzt noch Bushidos Stimme, für die er schon vielfach gelobt wurde und die letztlich für die Atmosphäre seiner Tracks verantwortlich ist, dann entsteht wohl die Formel, die Bushido zu einem der erfolgreichsten Rappern Deutschlands macht.