"Neues Grausamkeits-Level": Visa Vie schockiert über aktuelle Sexismus-Debatte

Trigger Warnung: Der folgende Artikel beschäftigt sich mit szeneweiten Debatten, die seit Vorwürfen sexualisierter Gewalt geführt werden und sich zu Teilen auch um diese drehen.

Visa Vie hat gestern in ihrer Instagram Story zu Reaktionen Stellung bezogen, die ein wenige Wochen alter Beitrag von ihr nach sich gezogen hat. Sie zeigt sich schockiert über das "Grausamkeits-Level", das ihr seit etwa einer Woche in etlichen Direktnachrichten entgegenschlägt. Grund dafür ist offenbar, dass sie im mittlerweile gelöschten Post über ihre eigenen Erfahrungen und Beobachtungen aus rund zwölf Jahren im deutschsprachigen Rap berichtet hat.

In den letzten Tagen habe sie Nachrichten bekommen, die für sie so schlimm waren, dass sie sich vorerst "komplett von Instagram fernhalten musste". Nun fühle sie sich jedoch gezwungen, sich zu den Ereignissen zu äußern (diese Woche äußerte sich unter anderem LGoony solidarisch mit Opfern sexualisierter Gewalt und sieht sich seitdem mit Einschüchterungen und Gewaltandrohungen konfrontiert). Dabei betont sie, dass das Thematisieren von Missständen in der Szene nicht bedeute, man wolle jemandem etwas wegnehmen, es kaputtmachen oder verbieten.

Das gehört nämlich zu den Kritikpunkten der Gegenseite. Rapper, Produzent und Moderator B-Lash beispielsweise steht im derzeitigen Konflikt auf der Seite seines Podcast-Partners MC Bogy. Er betrachtet Deutschrapmetoo als "Kampfansage gegen Deutschrap", die beabsichtigt einen "verallgemeinernden Schatten" auf die Szene werfen würde, wie er gestern auf Instagram schrieb.

MC Bogy vs. LGoony: Berlin-Verbot & Beef wegen #deutschrapmetoo

Der Streit zwischen LGoony und MC Bogy zieht inzwischen weite Kreise bis über die Lager beider Seiten hinaus. Nachdem MC Bogy sich wiederholt öffentlich gegen die deutschrapmetoo-Bewegung ausgesprochen hatte, übte LGoony via Twitter Kritik an dessen Aussagen.

Visa Vie überlegte, Deutschrap den Rücken zu kehren

Nach ihrem Posting vor einigen Wochen forderte letzte Woche ein Rapper, den sie namentlich nicht nennt, öffentlich eine Entschuldigung von ihr. Dies hatte zur Folge, dass viele wütende Männer über ihre DMs hergefallen seien und ihr unter anderem Gewalt androhten. Diese Flut an Hassnachrichten habe sie sogar dazu veranlasst zu überlegen, ob sie sich endgültig aus der Deutschrap-Szene zurückziehen sollte.

"Ich habe Nachrichten bekommen, die selbst mir, obwohl ich seit über einem Jahrzehnt übe damit umzugehen, zu viel waren. Nachrichten, die dazu geführt haben, dass ich nach 12 Jahren teils bedingungsloser Liebe und Unterstützung für diese Kultur überlegt habe, ob ich mich komplett und für immer von Deutschrap verabschiede."

Ein Appell an einen normalen, menschenwürdigen und fairen Umgang miteinander

Die Erfahrungen, die sie in ihrem mittlerweile gelöschten Instagram-Post geteilt hatte, habe sie selbst erlebt oder von anderen Betroffenen mitbekommen. Sie stellt klar, dass sie mit der Veröffentlichung dieser Situationen niemanden an den Pranger stellen wollte und auch an keiner "Hetzjagd" beteiligt gewesen sei, weshalb sie auch keine Namen genannt habe. Sie ist weiterhin der Meinung es sei "wichtig und richtig", dass Frauen den Mut finden, ihre Erlebnisse zu teilen und sieht daher keinen Grund, sich für irgendetwas zu entschuldigen:

"Ich habe mich lediglich als Frau in dieser Welt zum 1. Mal nach all der Zeit getraut, offen auszusprechen, dass auch mir Dinge passiert sind, die nicht hätten passieren sollen und vielen anderen Betroffenen ebenso. Und das war wichtig und richtig so. Deshalb kann und werde ich mich von niemandem mit verbaler Gewalt zu einer Entschuldigung zwingen lassen, zu einer Sache die mit meinen Aussagen nicht mal im direkten Zusammenhang steht!"

Die Moderatorin und Autorin findet außerdem, dass es sich nicht ausschließt, Deutschrap zu schätzen und ihn gleichzeitig kritisieren zu können. Sie wünscht sich trotz der Tatsache, dass sie die Szene oft in Schutz genommen hat, bessere Umstände für nachfolgende Generationen:

"Egal wie sehr ich Deutschrap schätze und auch immer noch schütze, habe ich das Recht Kritik daran zu äußern und mir zu wünschen, dass sich die Umstände für nachfolgende Generationen bessern. denn es ist und bleibt Fakt, dass Frauen und Mädchen hinter und vor den Kulissen dieser Szene schon sehr lange systematisch sexualisiertem, übergriffigem und gewalttätigem verhalten ausgesetzt sind und ein ungesundes Machtgefüge das viel zu lange toleriert und unterstützt hat."

Die derzeitige Diskussion sei lediglich ein Appell an einen "ganz normalen, menschenwürdigen und fairen Umgang miteinander". Diesen fairen Umgang fordert sie auch für sich: Sie möchte die Gewaltdrohungen und Beleidigungen nicht ungestraft lassen. Bis zum Wochenende will sie den Verfassern solcher Nachrichten die Möglichkeit geben, ihre Aussagen zu reflektieren und zurückzuziehen. Alle Nachrichten, die bis dahin noch in ihrem Postfach zu finden seien, würden zur Anzeige gebracht.

Solidarität aus der Community

Nachdem sie ihre Gedanken und Erfahrungen in ihrer Story teilte, wurden ihre DMs wohl mit aufbauenden Worten und Support geflutet, was dazu führte, dass sie wieder in ihr Postfach schauen konnte, ohne von "Angst, Fassungslosigkeit und Ekel" begleitet zu werden. Sie teilte ihre Dankbarkeit für die Unterstützung in einer weiteren Instagram-Story, doch blieb weiterhin bei der Entscheidung, sich vorerst nicht mehr zu der Thematik zu äußern.

Dass Betroffene sich aus einer Diskussion ziehen, die für sie belastend sein und Traumata wieder hochholen kann, kommt sehr häufig vor. Viele sind nach einiger Zeit auch entmutigt, wenn nichts geschieht oder sie lediglich auf taube Ohren stoßen. Zahlreiche Menschen aus der Community - ob betroffen oder nicht - teilen ihre Gedanken:

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