USDA - Ein kalter Sommer
Ein Haufen weißer Girls rennt in prall gefüllten Hotpants durch die Straßen und weist die Bevölkerung freundlich auf den anstehenden Schneesturm am 22. Mai hin. Nie passiert, es war den Jungs zu dumm. Statt dessen verzichtet man auf Gimmicks wie diese angeblich geplante Werbeaktion zur ersten Single White Girl und konzentriert sich aufs Wesentliche: Thug Motivation. Was uns das bringt? Unterhaltung und vor allem Musik mit Power, Hymnen die dir helfen im Alltag die Zähne zusammen zu beißen und den Arsch hoch zu bekommen wenn es drauf ankommt. Eins der Alben des Jahres.

Young Jeezy hat also ein halbes Jahr nach seinem zweiten Platin-Streich The Inspiration neuen Stuff auf der Straße und präsentiert die United Streets Dopeboyz of America. Namentlich sind das Slick Pulla aus Atlanta, Georgia und Bloodraw aus Florida. Beide mit einer ähnlichen es-ist-so-übertrieben-geil Betonung wie der 29-jährige Boss, aber eben doch abweichenden Styles und Stimmen. Während Young Jeezy auf dem dritten Album mit selbem Rap-Stil manchem vielleicht schon zu eintönig werden könnte und Bloodraw auf voller Länge vielleicht ein wenig anstrengend, schaffen die drei zusammen es, die Go Getta-Musik, die die letzten 2 Jahre Jahre so geprägt hat, noch einmal angenehm aufzuwärmen. 14 Tracks, fast ohne Features (Jadakiss, R.Kelly und Bun B helfen auf dem Go Getta-Remix, mit Roccett und 211 aus Kalifornien sind Jeezys aktuellste Signings dabei) und ohne große Neuerungen. Im Mittelteil wird es etwas R'n'B-ruhiger, insgesamt wird einfach ins Horn geblasen als gäbe es kein Morgen. Ein ungestreckter Ego Boost über 14 Tracks, das weiße Girl taugt da schon als Metapher.

Tatsächlich hat die gute Atlanta Trap Musik, die dieses Jahr mit T.I.s Album noch einen weiteren Höhepunkt erfahren soll, scheinbar einiges vom unheilvollen Yayo: den Swagger (lies: Prahlerei), die Energie und die Konsequenz, vielleicht. Das alles ohne die gefährlichen Nebenwirkungen, wie einem dauerhaft aufgeweichten Hirn, Herzstillständen und blutenden Nasenwänden. So können Drogen Spaß machen. Cold Summer hält sich an sämtliche Genre- und Jeezy-Konzepte, an die Koks-Wortspiele, Dealer/Strip Club/Mach-Money Thematiken und die Beat Hymnen. Sein letztes Werk The Inspiration, konnte den kommerziellen Platin-Erwartungen zwar gerecht werden, machte aber recht unspektakulär da weiter, wo der Klassiker Let's Get It: Thug Motivation 101 aufhörte. Genau das tut er nun auch mit USDA. Am Ende könnte dabei allerdings wirklich etwas noch besseres raus gekommen sein als auf dem letzten Solo-Streich, der immerhin zu den erfolgreichsten Releases des Jahres 06 gehörte. Nas Fans werden so kaum zu konvertieren sein, den Trapper aber machts glücklich. Young Jeezy selbst vergleicht das Ergebnis mit "Trap or Die on steroids", also mit seinem erfolgreichen Durchbruchs-Mixtape auf Steroiden. Pure Straßen Musik, wenn auch im sauberen High Tech Beat-Gewandt. Warum funktioniert etwas wie Young Jeezy? Ein Typ der gleich von vornherein klarstellt, dass er sich nicht als Rapper sieht, ein Mensch der rappt ohne beachtlichen Flow, mit dem gewohnten Drogen-Dealer Konzept? Es könnte die Unterhaltung sein, doch andere sind blutrünstiger in ihrem Output, warum also wurde gerade der Schneemann zum Typ der Stunde? Nur wegen der scheinbar bewiesenen Authentizität? Immerhin klappte das Konzept des ATL-Trappers so gut, dass Jay-Zs Def Jam mit Rick Ross gleich einen zweiten, Rap-technisch schlechteren und künstlicheren, "Rapper" dieser Kategorie verpflichtete. Also? Zum einen mag es an der schon beim Sprechen unglaublichen, rauhen und tiefen Stimme liegen, die zum Beispiel auch Young Jeezys oft kopierten Ad-Libs die Kraft zum Scheinen gibt. Zum anderen ist es vielleicht doch das was er selbst sagt: statt eines Rappers meint Jay Jenkins eine Art Motivations Trainer zu sein. Das hart rockende Konzept: er erzählt auf eindringlichste Weise über mitreißendste Beats aus seinem (ehemaligen) Drogendealer Leben, wir übertragen es auf unseren Büro-Alltag und lassen uns um 6 Uhr 30 von einem herzlichen Let's get It! wecken. Sowas nennt auch Weißbrot Paul Wall seinen Plan und genau das scheint es zu sein, dass neben den üblichen Erfolgsgründen des Gangsta-Genres und der einfach verdammt guten Musik den Erfolg des USDA Chefs erklärt.

Noch für das Modelabel Eighty Seven Thirty Two (8732) war die Namensgebung schief gelaufen: USDA bezeichnet in erster Linie das United States Department of Agriculture und wenig landwirtschaftliche Produkte wie Jeezys Schneemann-Hoodys mussten sich ein anderes Logo suchen (in diesem Fall die entsprechende Tastenkombination auf dem Telefon). Musikalisch ist die Freiheit des amerikanischen Markenrechts da scheinbar größer und so bekommt Jeezy die Möglichkeit, den großen Schritt sich selbst direkt neu zu erfinden, noch einmal zu verschieben. Dank der neuen Mitstreiter, die beide ebenfalls auf Jeezys Label CTE (Corporate Thugz Entertainment) gesingt sind. Das Young Jeezy einst als Label Chef erste Schritte im Business machte, scheint sich bei der Wahl seiner Corporate Thugz bezahlt zu machen. Neben den beiden USDA Partnern, gehören auch die erwähnten Kalifornien-Features Roccett und 211 zum CTE-Team, ebenso wie Ex-Dungeon Family Member Lil Will. Allesamt potentiell mehr als Sidekicks (no Handy), da könnte noch einiges gehen. Auch so lässt sich also das Problem lösen, mit simplen Rap Techniken irgendwann an die Grenzen zu stoßen. Wobei Jeezy mittlerweile auch auf dem Old School Gebiet komplexerer Reim Schemata durchaus Entwicklung aufweist. Noch wichtiger scheint allgemein zu sein, dass er zwar im Großen und Ganzen auf die Qualitäten des Neunziger Jahre MCs verzichtet (abgesehen von der Authentizität) aber eben genau die Talente der neuen Dirty South Version des Raps personifiziert: stimmliche Qualitäten, Betonungen, Ad-Libs und musikalische Gesamtwerke. Nicht zufällig war es Young Jeezy, der nach einer Radio Diskussion mit Moderatorin/Rapperin Monie Love plötzlich als Inbegriff der neuen Oberflächlichkeit und Gegner des Nas-schen "Hiphop is dead"-Weltbilds dastand. Am Ende verkaufte Jeezy nicht nur mehr als Label-Kollege Nas, auf einen Beef wollte man sich auch nicht einlassen. In weltoffenen Experten Kreisen wagt es heute dann auch kaum noch jemand, Young Jeezys Musik als Müll abzutun. Nicht zuletzt deshalb, weil "anders" eben nicht unbedingt "schlechter" heißt. Stimme, Betonung und Ad-Libs müssen eben nicht nur ablenkende Effekte sein, auch sie gehören irgendwie zu einem... Rapper.

Neben zwei neuen Stimmen und Styles (Bloodraw und Slick Pulla) und leicht komplexeren Reim Schemata weist Cold Storm letztendlich also die erwartbaren Thematiken auf, mit einem höheren R'n'B-Anteil als auf den Solo-Nummern des Romantik-unverdächtigen Team-Chefs. Cold Summer soll so das Album sein, das uns "durch den gesamten Sommer bringt" (gegenüber MTV.com). Klappen könnte das definitiv. Ob das hier große Kunst ist, soll Nas entscheiden, auf jeden Fall hat Rap in den letzten Jahren wenig mitreißenderes zu bieten gehabt. Atmosphäre sticht einmal mehr kalte, pure Technik aus und auch ein simpler Inhalt kann scheinbar ein guter sein. Motivation tut uns ja allen gut. Let's get it.
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