"The Sexist Man Alive": Kollegah bekommt einen Negativpreis für Seximus

Manchmal kann ein Buchstabe aus einem besonders attraktiven Mann einen besonders sexistischen Mann machen. So ungefähr funktioniert die Auszeichnung der Zeitschrift EMMA, die von nun an jährlich den Preis "The Sexist Man Alive" vergeben möchte. In diesem Jahr nimmt Kollegah diesen Preis mit nach Hause. Laut der EMMA-Redaktion, der die wahrscheinlich bekannteste Feministin Alice Schwarzer vorsitzt, ragte er "klar aus der Menge heraus mit seinem enthemmten Sexismus".

Die EMMA begründet die Verleihung des Sexismus-Preises an Kollegah

In der "Laudation" für den Rapper spricht ihn die Redaktion direkt an. Dabei wird nicht nur auf Kollegahs sexistische Einstellung verwiesen:

"Keiner ist so sexistisch, so homophob und so antisemitisch wie du."

Die Art der Formulierung in dem Artikel der EMMA kann auf die ein oder andere Weise durchaus unangenehm wirken. Zum einen wird hier doch sehr krampfhaft versucht, auf eine jugendliche Sprache zurückzugreifen. Zum anderen sind auch inhaltlich durchaus Kritikpunkte auszumachen.

Alice Schwarzer steht schon seit einiger Zeit in der Kritik, einen rassistischen Feminismus zu betreiben. Einige Feminist*innen nutzen beispielsweise die mediale Aufmerksamkeit um Geflüchtete, um Stimmung gegen den Islam zu machen. Oft treffen hier zwei Generationen von Feminismus aufeinander. So beispielsweise in einem Gespräch von Alice Schwarzer mit der feministischen Autorin und Journalistin Margarete Stokowski für den Tagesspiegel. Die beiden Frauen sind sich vor allem bei der Thematik "Islam" uneinig. Margarete Stokowski erklärt beispielsweise:

"Ich glaube nur, dass der Feminismus nicht auch noch bei der Stimmungsmache gegen Musliminnen und Muslime mitmachen sollte."

Und weiter sagt sie auch in Bezug auf die Berichterstattung der EMMA:

"Viele konzentrieren sich darauf, gegen die Männer zu sprechen und nicht für Frauen. Man hört dann nur: Die haben eine komische Kultur, die wollen wir hier nicht haben. Für mich heißt das: Das Thema wird rassistisch instrumentalisiert."

Und genau diese Kritik an der EMMA und an dem Feminismus von Alice Schwarzer kann auch an die Begründung für die Preisverleihung angelegt werden.

"So mancher meint, das mit dem Antisemitismus wäre ein Ausrutscher. Von wegen, Alter! Das hat System. Denn nach deiner katholischen Kindheit im Hunsrück bist du mit 15 zum Islam konvertiert."

Dieser Absatz kann schnell so gelesen werden, dass die Redaktion der EMMA jedem Menschen muslimischen Glaubens unterstellt, antisemitisch zu sein.

Die EMMA zitiert homofeindliche & sexistische Lines

Auch der Echo-Skandal um Farid Bang und Kollegah wird in der EMMA aufgegriffen. Es werden Lines zitiert, um den Sexismus und auch die Homofeindlichkeit des Rappers nachzuweisen. Kollegah wird auch unterstellt, seine Rapkarriere nur für das schnelle Geld begonnen zu haben:

"Der Felix, der mit 17 einen Malwettbewerb in der Schule gewonnen und mit 25 ein Jura-Studium begonnen hat? Der aber dann schnell gerafft hat, wie leicht man als Zuhälter", "Imperator" und "Boss-der-Bosse" abkassieren kann."

Kollegah kann nicht abstreiten, dass er sexistischen und homofeindlichen Rap macht. Nicht nur in seinen Texten verbreitet er ein fragwürdiges Frauenbild. Auch in "Das ist Alpha!", seinem "selbstbewussten MÄNNER-Buch", macht das Frauenbild Kollegahs eine Zeitreise straight in die 50er-Jahre. Die Zielgruppe für seine Kunst ist da. Sein Ratgeber darf sich Spiegel-Bestseller nennen, der Echo wird an die Menschen vergeben, die die besten Verkaufszahlen vorweisen können, und seine Posts auf Instagram verfolgen 1,8 Millionen Follower.

Aus diesem Grund ist eine laute Kritik so wichtig. Die Redaktion der EMMA vergibt nicht alleine solche Negativpreise für das Generieren von Aufmerksamkeit für Sexismus. Seit 2017 wird beispielsweise der "Goldene Zaunpfahl" für besonders auffälliges Marketing nach Geschlecht ("Gendermarketing") verliehen. Ähnlich funktioniert der "Zornige Kaktus" für besonders frauenfeindliche Werbung. Die Organisation PinkStinks hat sich hingegen für einen Positivpreis entschieden und möchte mit dem "Pinken Pudel" Klischees um die Geschlechter brechen.

EMMA-Redaktion möchte Preis persönlich übergeben

Die EMMA würde sich freuen, Kollegah den Preis persönlich zu übergeben. Am liebsten wäre es der Redaktion aber, den Preis an seine Partnerin zu verleihen.

"Wie sie wohl aussieht, deine Verlobte? Ist sie verschleiert? Darfst etwa nur du sie sehen? Entschuldige, wir wollen dir nicht zu nahe treten. Das sind nur Fragen, die uns so durch den Kopf gehen. Am liebsten würden wir deinen Sexist-Man-Alive-Award deiner Verlobten übergeben, denn die trägt ja alles mit."

Antisemitismus ist nicht mit Islamfeindlichkeit zu bekämpfen

Die Kritik am Antisemitismus Kollegahs, die den Großteil des Artikels einnimmt, trieft leider von Islamfeindlichkeit. Damit ist niemandem geholfen. Es ist wichtig, Sexismus, Homofeindlichkeit und antisemitische Aussagen anzuprangern. Aber es ist definitiv der falsche Weg, dabei eine eigene islamfeindliche Agenda zu verfolgen.

Was in den Worten der EMMA-Redaktion außerdem keinen Platz findet, ist der Besuch der Gedenkstätte Auschwitz von Kollegah als Reaktion auf die Kritik um die Echo-Verleihung gemeinsam mit Farid Bang, dessen antisemitische Line auf "JBG3" die Diskussion richtig entfachte. Im Anschluss dieses Besuchs zeigte der Rapper Reue und distanzierte sich von den kontroversen Lines. Der Skandal bestimmt bis heute das öffentliche Bild von Kollegah. Gerade erst wurde ein Konzert von ihm in Rastatt abgesagt, da es für den neunten November geplant war. In der Nacht vom neunten auf den zehnten November fand 1938 die Reichspogromnacht statt, in der auf Befehl der NSDAP Morde an der jüdischen Bevölkerung stattfanden, Synagogen angezündet sowie jüdische Geschäfte geplündert und zerstört wurden und es zu der Verschleppung von etwa 30.000 Jüdinnen und Juden in Konzentrationslagern kam.

In diesen Zeiten ist es wichtiger als je zuvor, Antisemitismus zu verurteilen. Gerade konnte eine Studie zeigen, dass jede*r vierte Deutsche antisemitische Ansichten hat. Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr Dinge, die früher undenkbar waren, zum "Sagbaren" werden. Am Sonntag machte fast ein Viertel der Wahlberechtigten in Thüringen das Kreuz bei einer rechtsextremen Partei. Auch Sexismus und Homofeindlichkeit haben immer noch einen Platz in unserer Gesellschaft.

Aus diesem Grund ist die Debatte wichtig. Aber sie muss um die Sache geführt werden.

Wenn ihr zu Sexismus im Rap weiterlesen möchtet, könnt ihr das hier tun:

Endgame: Wie Rapperinnen Deutschraps Sexismus therapieren

Captain Marvel, Black Widow, Nebula, Scarlet Witch und Gamora. Man könnte meinen, im Marvel-Universum werden Filme aktuell frei nach dem Motto „The future is female" produziert. Dieser Eindruck entsteht beim Betrachten des aktuellen Deutschrapgeschehens leider nicht.Sexismus ist ein ProblemNein, dieser Artikel ist keine Sammlung gewaltverherrlichender Lines von Rappern, um die sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen weiter zu reproduzieren.

Groove Attack by Hiphop.de