Shiml - das Interview
Im Internet erschienen bereits drei Alben, nun ist Shiml bei einem Label untergekommen. Nach Favorite und Kollegah verpflichtete Slick One mit dem 21-jährigen Bremer den dritten talentierten Newcomer, um Selfmade Records langfristig zu einer Größe in der deutschen Rap-Landschaft zu machen. Mit seinen düsteren Beats und persönlichen Raps ergänzt Shiml nicht nur das Repertoire des Labels, sondern auch das der deutschen Rap Szene, die sich momentan in Straßenrap und Gespitte aufzuteilen scheint. Was für ein Mensch ist der Junge mit der Lederjacke, wenn er nicht rappt? Was steht hinter den apokalyptischen Battle-Lines? Wir fanden es heraus...

Du kommst gerade von einem Video-Dreh in Bremen oder?


Ja, zu einem Split-Track Video mit zwei sehr unterschiedlichen Liedern [Bis ans Limit/Meine Geschichte, Anm.d.Verf.]. Das Erste ist einfach Battle, in Doubletime, sehr energiegeladen. Das zweite ist eher ruhig und persönlicher. Wir haben versucht die Gegensätze der Lieder auch im Video deutlich zu machen. Es war ein langer, kalter Tag...

Die Tracks stammen beide von deinem kommenden Album?

Ja genau, das Album kommt am 24. Februar raus und wird Hinterm Horizont heißen.

Von wem sind die Beats diesmal? Hast du selbst produziert?

Ich hab' alle Tracks auf eigenen Beats geschrieben, aber dann später auch auf anderen aufgenommen. Manche stammen von Rizbo, dem Selfmade-Producer, viele andere von MixChris, mit dem ich auch vorher schon zusammen gearbeitet habe. Der wird das Ganze auch mischen und mastern.

Du hast ja schon drei Alben veröffentlicht. Ist dieses anders, dadurch dass du jetzt bei Selfmade Records bist?

Auf jeden Fall. Ertsmal hab' ich mich sowieso weiterentwickelt. Als Slick mich angerufen hat und sich der Deal mit Selfmade ergeben hat, wollte ich mein Album gerade selbst rausbringen. Wir haben uns dann entschieden alles zu überarbeiten, noch mal besser zu machen und es direkt über Selfmade zu releasen. Also haben wir nochmal neu, mit professionellem Equipment, aufgenommen.

Wie kann man sich dein Leben vorstellen?


Ich bin 21 und habe gerade meinen Zivildienst fertig gemacht. Nach dem Zivildienst habe ich mich ein paar Monate sehr viel mit Musik beschäftigt, ich hatte viele Auftritte. Ansonsten führe ich ein normales Leben. Ich will jetzt vielleicht eine Ausbildung machen oder studieren.

Wie bist du bei Selfmade gelandet?


Marc, mit dem ich mein letztes Album gemacht hab' [Montana Max, Anm.d.Verf.] hat unsere CD rumgeschickt, wovon ich erstmal gar nichts wusste. Slick hat mich dann kontaktiert, ich bin nach Bochum gefahren und es hat alles gepasst. Wir waren Beide sofort begeistert voneinander.

Worum ging es dir denn bei deinen bisherigen Releases am meisten? Hattest du den Gedanken auf einem Label zu landen und mittelfristig Geld damit zu machen oder war Rap für dich ein Hobby?

In erster Linie war's ein Hobby. Ich hab' mich auch erstmal zurück gehalten und zwei, drei Jahre einfach für mich meine Musik gemacht. Ich konnte's noch nie ab, wenn Leute mal einen Track machen und sich dann sofort 'ne Homepage holen und dafür Respekt verlangen. Ich habe Musik immer für mich gemacht, bis mich ein Kumpel darauf brachte das Ganze ins Netz zu setzen. Das Internet war auch nicht meine Welt. Auf jeden Fall wurde meine Musik dann bekannter und ich musste mich zum ersten Mal damit auseinander setzen dass andere Menschen meine Musik hören. Für mich war klar, dass ich immer rappen werde, egal was passiert. Auch ohne Label. Ich würde vielleicht mein Leben anders planen, aber Rap brauche ich einfach. Vor allem als Ventil, sonst würd' ich überlaufen. Ich habe am Anfang viel alleine gerappt, dann kamen andere dazu und es wurde ein gemeinschaftliches Ding. Wir haben uns getroffen, was getrunken und ein paar Songs gemacht. Ich habe immer nur meine Lieder vor mir gesehen, ohne da eine dritte Person mit einzubeziehen. Ich hab' versucht mich selber weiterzuentwickeln und hab' nie daran gedacht damit mal Geld zu verdienen.

Viele kennen ja deine alten Alben schon. Wie sind die Sachen damals entstanden?


Ich hatte kein Geld und hab' mir mein Equipment erstmal mühsam zusammengekauft, über die Jahre. Wie auch bei diesem Album, habe ich mir Nachts viel Zeit genommen. Damals noch in den Schulferien. Tagsüber kann ich sowas nicht. Ich habe eigentlich bisher alles nachts geschrieben, was man wohl auch hört. Nach dem Zivildienst hatte ich eine krasse Zeit, da habe ich sowieso nur nachts gelebt.

Könntest du dir vorstellen mit deiner Musik auch mal in eine andere Richtung zu gehen? Also zum Beispiel einfach ins Studio zu steppen und 16 Bars vollzuklatschen statt düstere Tracks in der Nacht zu schreiben?


Klar kann ich mir das vorstellen. Diese düsteren Sachen sind einfach aus meiner Umgebung entstanden. Aber ich finde zum Beispiel auch Kollegah hammer, auch wenn der in eine komplett andere Richtung geht. Für mich wäre das was er macht nichts, aber ich könnte mir schon vorstellen neue Richtungen auszuprobieren. Im Moment passt nur nichts anderes zu mir.

Was versprichst du dir von der Zusammenarbeit mit deinem neuen Label?

Das bringt mich ein riesen Stück weiter. Ich bin von der Arbeit von Selfmade sehr beeindruckt und deshalb auch froh in diesem Camp zu sein. Ich habe viel mehr Möglichkeiten, besseres Equipment, ich komme mehr rum und lerne viel mehr Leute kennen. Zum Beispiel Flipstar, einen meiner Lieblings Rapper. Das erste Creutzfeld & Jakob Album [Gottes Werk und Creutzfelds Beitrag, Anm.d.Verf.) hab' ich rauf und runter gehört. Es ist schon krass dann mit ihm auf einem Track zu sein.

Der Track von dem du sprichst ist für dein Album? Wer wird sonst noch dabei sein?

Ja, Flipstar ist auf dem Album, genauso wie Slick One. Außerdem noch MontanaMax und Pxxpmatz aus Bremen. ich wollte auch Moe, einen anderen Kumpel von mir, mit drauf nehmen, aber der wohnt jetzt in Chile. Mit Kollegah und Favorite werde ich in Zukunft auf jeden Fall auch noch zusammen arbeiten.

Hattest du auf deinen älteren Alben auch Beats von anderen?

Nein, auf den Solo-Alben noch nicht. Da habe ich alles komplett selber gemacht. Auf dem mit MixChris hat er alle Beats gemacht. Dieses Mal hat MixChris vieles nachbearbeitet. Er kommt auch aus Bremen, ist ein sehr guter Freund und Producer. Wir können gut zusammen arbeiten.

In einem Track rappst du "Shiml gibt mir das was ich immer haben wollte". Was meinst du damit?


"Shiml" ist meine Musik und Musik ist für mich auch eine Rolle. Musik ist Entertainment und ein Ventil für mich. Ich kann da Sachen reinpacken, die ich im normalen Leben nicht loswerden kann. Da gibt's keine Grenzen und du kannst alles machen worauf du Bock hast. "Shiml" hilft mir loszuwerden was ich sonst nicht loswerden kann.

Eine andere Line die mir auffiel ist "halt mich für ein Straßenkind - komm, halt mich für einen aggressiven Menschen - glücklicherweise kennt Musik keine Grenzen". Was für Unterschiede gibt es zwischen Shiml und dir?

Mit der Line wollte ich ausdrücken das man nicht alles wörtlich nehmen sollte. Vielleicht nenne ich mich mal Straßenkind, was dann noch nicht heißt das ich eins bin. Musik ist auch eine Rolle, in der du Sachen ausleben kannst die du sonst nicht schaffst, die du sonst nicht machen kannst.

Könntest du "Shiml" und dich selbst vom Charakter her beschreiben?


Ich selber bin ein total normaler Typ. Ich hab Ziele wie jeder andere und bin auch kein besonders aufgedrehter Typ. "Shiml" ist eher so ein bisschen der Draufgänger. "Shiml" kann alles sein, weißt du? Alles was ich selber nicht haben will kann ich auf ihn schieben und mich darin verwirklichen.

Deine Storys sind aber nicht kilometerweit weg vom einem normalen Leben. Du hast weniger abgedrehte Lines als manche deiner Kollegen. Warum verzichtest du darauf, wenn du sagst du nutzt Rap um Sachen auszuleben, die du selber nicht hast?

Ich versuche in Rap nicht etwas zu erreichen, was ich sonst nicht erreichen kann, sondern versuche etwas auszudrücken, das ich sonst nicht loswerden kann. Also nichts was weit von mir weg ist, sondern Sachen von mir, auf die ich keinen bock hab.

Du beschreibst dich in deinen Texten als asozialen Typen, der auf andere scheißt. Zum Beispiel auf "Bis zum letzten Tag" [vom Album Nach Uns Der Rest]. Was steht dahinter?

Naja. Ich scheiße nicht generell auf andere. Ich bin eigentlich ein ziemlich loyaler Mensch, solange ich jemanden kenne und schätze. Ist das allerdings nicht der Fall, scheiße ich natürlich auf ihn. Wieso auch nicht? Ich kann es nicht ab wenn sich irgendwer, den ich nicht mal kenne und dem ich immer egal war, an mir bereichern will. Und ist das der Fall lernt er halt meine "asoziale" Seite kennen, die durchaus existiert.

Ist dein Rap eher ein Kampf gegen Teile von dir selbst oder gegen den Rest der Welt?

Ich denke mal das hängt beides zusammen. Konflikte in einem selbst haben immer ihre Gründe und die liegen oft außerhalb. Ich denke mal meine Musik ist eher der verarbeitete oder auch unverarbeitete Output von dem was ich so erlebe.

Vorhin hattest du erwähnt dass du das erste Creutzfeld & Jakob Album sehr gefeiert hast. Hörst du allgemein viel deutschen Rap?


Ich bin überhaupt kein HipHopper, würde ich sagen. Ich habe nie Ami-Rap gehört. Als ich anfing zu rappen habe ich auch selbst überhaupt keinen Rap gehört. Ich habe mit meinen Kumpels aus einer Laune heraus angefangen zu freestylen. Ich habe das dann weiter gemacht und bin so auch darauf gekommen, zum Beispiel Creutzfeld & Jakob zu hören. Trotzdem bin ich kein Rap-Hörer. Ich höre mir alles was rauskommt an, aber es gibt mir nichts. Ich finde die Sachen zu oberflächlich, außerdem machen alle das selbe.

Was unterscheidet deine Musik davon? Was ist das Besondere?

Die meisten gucken viel zu sehr auf andere anstatt auf sich selbst. Es gibt ja auch immer bestimmte Wellen. Dieses ganze Image-Gepose im Moment kann ich nicht ab. Ich würde sagen das ich immer noch original und ehrlich bleibe. Ich vermisse es oft, in der Musik mal den Künstler zu finden. Die meisten in Deutschland kann ich gar nicht unterscheiden, der Eine hätte auch den Text vom anderen schreiben können. Das ist bei mir nicht so, denke ich. Ich unterscheide mich natürlich nicht von allen, nicht alle sind scheiße. Aber die meisten Rapper hier in Deutschland haben meiner Meinung nach große Probleme etwas Eigenständiges zu entwickeln und orientieren sich an Maßstäben, die irgendwelche Idioten gesetzt haben und im Trend sind, ohne in Wirklichkeit ihnen zu gehören.

Was den zweiten Teil deiner Musik angeht, die Beats: Wie arbeitest du beim Produzieren?

Ich hab' nach wie vor nur digitale Sachen. Heute benutze ich Cubase, damals habe ich mit Fruity Loops angefangen. Noch davor mit dem Hiphop Ejay. Ich hab' mit 14 ein Mikrophon für zwanzig Euro und einen Hiphop Ejay von meinen Eltern geschenkt bekommen, weil die gesehen haben dass ich heimlich in meinem Zimmer Mucke gemacht habe. Ansonsten habe ich früher viel gesamplet, heute spiele ich alles selber ein. Ich kannte keine Produzenten, Ami Beats haben mich nie gereizt, also habe ich mir selber Beats gemacht. Ich steh auch bei Beats auf Sachen die was ausdrücken und einen fesseln. Party und Club Sachen reizen mich nicht unbedingt.

In welchem Verhältnis stehen Rappen und Produzieren für dich zueinander? Sind das zwei Teile der gleichen Sache?

In meiner Musik gehört das auf jeden Fall zusammen. Selbst die Lieder, deren Beats andere gemacht haben, wurden vorher auf einem Beat von mir geschrieben oder zumindest davon beeinflusst. Ich muss mich in ein Gefühl hinein versetzen um einen Text zu schreiben. Durch das Selbst-Produzieren kann man Lieder einfach perfekter machen.

Gibt es andere Producer die dich inspirieren oder die du cool findest?

Rizbo fand ich auch vor meinem Vertrag bei Selfmade schon sehr gut. Außerdem MixChris, der durch die Musik ein sehr guter Freund geworden ist. Flipstar auf jeden Fall auch. Ansonsten kommen ja in Deutschland nur noch Mixtapes raus.

Wo siehst du Parallelen zwischen dir und den andere Selfmade MCs, also Flipstar, Kollegah, Favorite und Slick One?


Ich war von dem Label sofort begeistert, weil die Leute alle etwas eigenes machen. Wenn man die Leute kennt, erkennt man sie auch in ihrer Musik wieder. Die meisten Rapper die ich kennen gelernt habe, haben nichts besonderes in ihrer Persönlichkeit gehabt. Bei Selfmade ist das anders. Meiner Meinung nach hat Deutschland vieles davon noch nicht gesehen und deshalb bin ich sehr überzeugt davon.

Würdest du dich als Teil der Bremer Rap-Szenen bezeichnen?

Ja...ich bin sogar ein großer Teil der Bremer Rap-Szene. Die Leute die ich kenne sind eigentlich die Bremer Szene. Alles andere was ich mal gehört habe interessiert mich nicht. Meiner Meinung nach kenne ich jeden der gut ist. Wenn ich mal auf eine Veranstaltung gehe sehe ich da Leute, die ich auch vor fünf Jahren schon gesehen habe und die immer noch davon rappen wie sie sich einen bauen. Damit kann ich nichts anfangen. Auf Jams frag ich mich immer "wo kommen die her? Was wollen die da?"

Was hieß es für dich als Bremer zu einem Label zu gehen, dass als "Ruhrpott Label" ins Game gestartet ist?

Die Region war mir eigentlich egal. Der Ruhrpott ist mit der Menge an Einwohnern natürlich ein optimaler Standort für ein Label. Es war was Besonderes als Bremer aus Bremen raus zu kommen, weil es in Bremen wenig gibt. Ich traue auch Wenigen zu, da mal mit dem Arsch hoch zu kommen.

Wie funktioniert denn die Zusammenarbeit zwischen Bremen und Bochum? Wo nimmst du zum Beispiel auf?

Ich habe von Selfmade ein mobiles Studio bekommen, mit Top-Equipment. Damit habe ich bei mir aufgenommen. Gemischt und gemastert wurde es dann von MixChris. Es ist mir auch wichtig ihn in der Nähe zu haben um beim Abmischen involviert zu sein. Ich bin aber auch oft in Bochum oder telefoniere mit Slick One.

Musikalisch hast du aber freie Hand?

Ja, total. Ich glaube das macht auch das Label aus, die eigene Musik die die Leute machen.

Mit Leuten wie Montana Max wirst du dann dementsprechend auch weiter zusammen arbeiten?


Klar, das ist mir auch wichtig, weil ich mich mit denen zusammen entwickelt habe. Ich wünsche denen auch 'ne gute Zukunft.

Auf "Das ist es" [von Im Mittelpunkt der Erde] rappst du "du bist nicht das, was ich unter Rap versteh'". Was verstehst du unter Rap?


Rap ist ja das Lyrische, einfach etwas zu sagen. Viele haben keinen Bezug zu dem was sie sagen, es ist nicht eigen, nicht authentisch. Das verstehe ich unter Rap: Geile, authentische Musik in der man etwas wiederfindet.

Neben persönlichen Sachen, ist auch Battle ein Element deiner Musik. Welches Verhältnis hast du dazu?


Ich komme aus dem Bereich. Damit habe ich angefangen. Auch wenn ich reifer geworden bin, prägt einen das natürlich.

Gut, dann haben wir jetzt noch Zeit für ein Schlusswort.


Okay. Augen offen halten. Am 24.2 auf jeden Fall mein Album Hinterm Horizont checken. Bei Selfmade wird sich viel tun in nächster Zeit...

Danke für das Interview.
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