Trotz Verbot: Rapstars kämpfen für mehr Demokratie in Russland

Regelmäßig wird darüber diskutiert, welchen Einfluss Raptexte und der Lebensstil einiger Rapper*innen auf die Gesellschaft und junge Menschen haben. Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage ist unstrittig, dass Hiphop gerade die größte Jugendkultur ist und damit vermutlich viel Potential hat, die Lebensläufe einiger junger Menschen zu beeinflussen.

In Russland sollte dieser Umstand jetzt genutzt werden. Durch die Auftritte vieler russischer Rapstars wurde eine Demonstration gegen Wahlmanipulationen und Massenverhaftungen in Moskau nun zu der größten Veranstaltung dieser Art seit Jahren. Die Ankündigung der Auftritte lockten vor allem junge Menschen zu der Demonstration nach Moskau.

Die Regierung macht Vorgaben, um Rap-Auftritte zu verhindern

Es zeichnete sich bereits vor der Demonstration ab, dass einige Rapper*innen die Opposition unterstützen möchten. Aus diesem Grund gab es für die Genehmigung der Kundgebung auch eine ungewöhnliche Auflage: Auf der Bühne durfte nur gesprochen und nicht gesungen werden.

Die Opposition beugte sich diesen Vorgaben jedoch nicht und ließ einige russische Künstler*innen auf der Bühne performen. Dabei war auch der junge Rapper Face. Dieser zeigt nicht nur optisch, dass sich die Hiphop-Kultur nicht von Landesgrenzen aufhalten lässt. Auch sein Sound entspricht dem aktuellen Trend, der in Deutschland, den USA und Frankreich gerade erfolgreich ist.

FACE - МОЙ КАЛАШНИКОВ

25.10 Санкт-Петербург @ A2: https://clck.ru/FmkWS 02.11 Москва @ Adrenaline Stadium: https://clck.ru/FmkYH STREAM: https://lnk.to/faceislove FOLLOW: https://vk.com/face https://instagram.com/facepublicenemy https://twitter.com/faceislove [email protected]

Nach ihm steht Anton Tschernjak auf der Bühne, der unter dem Namen Krowostok seine Texte veröffentlicht. Auch das experimentelle Elektro-Duo IC3PEAK hat einen Auftritt im Zuge der Kundgebung. Nastja Kreslina und Nikolaj Kostiljew waren auch schon in Deutschland zu Gast und fielen den russischen Regierungsverantwortlichen vor allem mit ihrem Video zu "Smerti bolsche njet" ("Es gibt keinen Tod mehr") auf. Das Video war so offen regierungskritisch, dass einige ihrer Auftritte von russischen Behörden verhindert wurden. Das Duo geriet auch ins Visier des Präsidenten, als er Ende letzten Jahres darüber nachdachte, Rap staatlich zu kontrollieren.

Putin vs. (Kunst)Freiheit: Russland denkt über staatlich kontrollierten Rap nach

Von Clark Senger am 22.06.2019 - 15:33 Den Beat erkennt jeder, der in den letzten zwei Jahren nicht unter einem Stein gelebt hat, innerhalb von Sekunden. Auch die Melodie und der Gesang kommen einem höchst bekannt vor.

Begleitet wurden die Auftritte der Rapper stets von russischen Polizisten. Diese griffen, vielleicht auch aufgrund der großen Beliebtheit der Rapstars, zunächst nicht in das Geschehen ein. Erst später, nachdem ein Politiker der Opposition vorschlug, gemeinsam zur Präsidialverwaltung zu gehen, kippte die Stimmung und es kam erneut zu zahlreichen Festnahmen.

Die Kundgebung war die größte seit Jahren

Die Auftritte der Rapper zeigten eine große Wirkung. Mit etwas 50.000 Menschen war es die größte Kundgebung in Moskau seit ungefähr sieben Jahren. Das hat auch etwas mit der Reichweite der Rapstars zu tun. Der Rapper Oxxxymiron beispielsweise war bei der Kundgebung anwesend und rief zuvor seine rund 1,3 Millionen Twitter-Follower auf, sich dem Protest anzuschließen. Zu der Demonstration trug er ein Shirt mit der Aufschrift "#freeYegorZhukow.

Die Regierung versuchte noch vergeblich mit einer Gegenveranstaltung von dem Aufruf der Opposition abzulenken.

Rap als politisches Sprachrohr

Es ist nicht das erste Mal, das mit Rap auf politische Themen aufmerksam gemacht wird, beziehungsweise auf politische Veranstaltungen gelockt werden soll. Auch in Deutschland treten regelmäßig Künstler*innen dieses Genres auf. Beispielsweise plante Fridays for Future zunächst einen Auftritt von Chefket, der später allerdings unter viel Kritik wieder abgesagt wurde. Bei dem "Wir sind mehr"-Konzert in Chemnitz gegen jegliche Art von Rassismus und Ausgrenzung kamen unter anderem Nura, KIZ, Trettmann, Marteria sowie Casper auf die Bühne.

#wirsindmehr: K.I.Z., Trettmann, Casper, Marteria, Nura & Co. im Livestream

Von Michael Rubach am 02.08.2019 - 15:15 Der Freitag hat es wieder in sich und bringt neue potenzielle Lieblingssongs an die Oberfläche der Musikwelt. Auch wir haben unsere Groove Attack-Playlist neu bestückt und mit den tagesaktuellen Tunes ausgestattet. Damit bloß niemand zu sehr ins Schwitzen kommt, versprechen Loredana und Mozzik Abkühlung.

Bei derartigen Line-Ups von politischen Veranstaltungen besteht immer die Gefahr, dass einige Menschen sich nicht mehr für die politische Sache vor Ort treffen, sondern lediglich ihre Lieblingsmusik hören wollen. Ähnlich ereignete es sich bei den Demonstrationen um Artikel 13, an denen auch bekannte YouTuber*innen beteiligt waren. Hier schien es einigen Anwesenden lediglich um ein Foto mit ihrem Idol zu gehen. 

Allerdings bleibt es wichtig, dass Künstler*innen sich mit der Reichweite von heutigen Rapstars zu wichtigen Themen positionieren. Und gerade in Russland, wo ein solcher Einsatz sehr gefährlich werden kann, ist es sehr mutig von der Rapszene, sich öffentlich zu der Opposition zu bekennen.

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