Pharrell Williams - In My Mind
Es ist ein verregneter und düsterer Dienstag Morgen an dem ich mich auf den Weg nach Köln mache. Im Sportmuseum soll das Interview statt finden wurde mir mitgeteilt. Wie ich später erfahre hat sich Pharrell persönlich diese Location ausgesucht, da er Interviews auf engen Hotelzimmern hasst. Doch zuerst erwartet das Journalistenvolk, bestehend aus WDR Fernseh- und Radioreporter, FHM Redakteurin, Stadtmagazin Journalist und weiteren sechs Journalisten inklusive mir die Listening Session des neuen Albums "In My Mind". In Windeseile finden wir uns in einem kleinen Studio wieder, das wohl schon des öfteren dazu benutzt wurde, Sportsendungen zu übertragen. Sitzgelegenheiten, getarnt als Tribünen und eine riesige Torwand zieren den Raum. Rings herum sind insgesamt sechs große Boxen aufgebaut, in einer kleinen Nische versteckt sich der DJ, dem die Ehre gebührt, uns 10 der 14 Stücke auf Pharrells neuem Album vorzuspielen. Am besten kann man die dadurch entstandene Stimmung mit einem Vergleich zum Wetter beschreiben: Draußen regnet es, kurz gesagt Sauwetter, in unserem überschaubaren Raum scheint wahrlich die Sonne aus den Boxen. Was uns hier vorgespielt wird hört sich sehr vielversprechend an. Besonders gespannt darf man auf "Angel", eine R'n'B Ballade mit catchy Hook, auf "Keep It Playa feat. Slim Thug", einem extem clubtauglichen Stück und auf "Young Girl feat. Jay-Z" sein, genauso wie auf jeden der anderen sieben Tracks die wir genießen durften. Lange Einleitung, kurzer Sinn, Pharrell betritt den Raum, sichtlich angeschlagen und grippekrank, dennoch gibt er sich äußerst höflich und zuvorkommend, ein richtiger Gentleman eben. Das Interview kann beginnen.

Ich möchte dieses Interview mit einem Satz beginnen, den ich selbst faszinierend fand als ich ihn gelesen habe und möchte wissen, was du darüber denkst bezogen auf dein Musikverständnis: "Menschen suchen in ihrem Leben nach den seltsamen Dingen und sie sind glücklich wenn sie diese gefunden haben."

[Pharrell macht ein sehr nachdenkliches Gesicht Anm. d. Verf.] Hmm. Ich kann nur hoffen, dass meine Musik den Leuten Spaß bringt und einfach bestimmte Fragen enträtselt, Antworten auf seltsame Fragen bietet. Das galt bei diesem Album auch für mich. Ich habe auch Antworten auf seltsame Ereignisse und Fragen gesucht und habe diese im Entstehungsprozess gefunden.

Dein neues Album heißt "In My Mind". Inwiefern bekommen wir Einblick in deine Gedankenwelt?

Das Album stellt eine Periode meines Lebens dar, jeder Song ist wie ein Eintrag in ein Tagebuch, das Album ist sozusagen ein "Acoustic Diary". Wie in einem echten Tagebuch schreibe ich Sachen auf die wirklich passiert sind, Dinge die ich wirklich erlebt habe und widme Songs verschiedenen Personen.

Wie war der Entstehungsprozess des Albums, wie kam es zu den verschiedenen Collabos?

Ich mache normal immer zuerst den kompletten Song fertig, ich produziere den Beat und schreibe meine Zeilen dazu und dann entscheide ich wer auf dem Track als Feature- Gast zu hören sein soll. "The Songs should dictate who will be on the record." Man kann dieses Album nicht mit einem Clones-Album [Neptunes Album mit vielen verschiedenen Features Anm. d. Verf.] vergleichen, das sehr feature-reich war. Bei diesem Album ging es nur darum, mich selbst bestmöglich auszudrücken und als ich meinen Part abgeschlossen hatte kam die Überlegung ins Spiel, einen Slim Thug oder eine Gwen Stefani darauf zu packen.

Deine neue CD besteht aus sieben Rapsongs und aus sieben R'n'B Stücken, die allerdings komplett von einander getrennt wurden. Es heißt sogar, dass du das jeweilige Genre auf eine extra CD gepackt hast, was war der Grund für dich, die beiden Stile so stark zu trennen?

Es wird keine zwei CDs geben, ihr bekommt nur eine CD. Die ersten sieben Lieder darauf sind Hiphop Tracks und die anderen sieben Tracks sind R'n'B. Es war mir wichtig diese beiden Stile zu trennen, weil ich die verschiedenen Seiten die ich habe, getrennt von einander darstellen wollte. Die Hiphop Seite ist mehr meine introspektive Lebensansicht, das Glück und auch die Trauer kommen hier zum Ausdruck. Dann gibt es die R'n'B Seite die mehr auf die Liebe zugeschnitten ist und auf die Frauen. Beispielsweise ob ich eine Frau wirklich liebe oder ob ich sie vermisse. Das sind einfach verschiedene Gefühlslagen, die so vielleicht nicht gut zur Geltung gekommen wären, wenn ich alles in einander gemixt hätte.

Du hast vor einiger Zeit das "Ice Cream Skateboarding Team" gegründet. Chef des Teams ist Profi Skateboarder Terry Kennedy. Wie ist dein Verhältnis zu Terry, seid ihr gut befreundet?

Wir sind super cool miteinander. He's a good kid, you know. Ich kenne ihn jetzt schon seit zwei Jahren und er ist wirklich ein guter Freund von mir.

Ich dachte er wäre im Moment bei Baker Skateboards gesigned?

Oh, ja er ist dort immernoch, er macht das parallel, das sind zwei unterschiedliche Projekte in die er involviert ist.

Fährst du denn selbst auch noch Skateboard?

Sehr, sehr selten. das letzte Mal war ich mit Terry bei meinem Haus skateboarden, Terry's bester Freund Black Mike war auch dabei und als Black Mike zurück nach L.A. ging wurde er umgebracht, das war das letzte Mal, dass ich geskated habe.

Ich habe die Tracklist deines neuen Albums gesehen, bevor ich die Möglichkeit hatte die Titel zu hören. Dort ist der Name "Mamacita" zusammen mit Daddy Yankee aufgetaucht und ich war verwundert, vorhin bei der Listening Session keinen Reggaeton Track zu hören im klassischen Sinne. Was war für dich ausschlaggebend daraus keinen Reggaeton Song zu machen?

Ich wollte bewusst Daddy Yankee aus seinem Element heraus nehmen und ihn etwas anderes machen lassen. Der Song ist zwar kein Reggaeton Song im klassischen Sinn aber er enthält auch Latino Elemente, ganz fremd hat sich Yankee da nicht gefühlt.

Was denkst du über den derzeitigen Reggaeton Hype?

Ich denke das alles ist sehr gut. Ich denke es ist an der Zeit, dass die lateinamerikanischen Menschen ihren eigenen Sound kultivieren können damit die Welt ihnen den nötigen Respekt zollen kann, weil sie auf ein ganz neues Level gekommen sind. Natürlich haben sie auch die großen Latin-Künstler wie z.B. Shakira, but they need some ghetto shit, too! Nun haben sie einen Stil entwickelt, der auch im Ghetto gehört wird und bekommen dort auch Respekt dafür.

Ich habe gehört du hast kürzlich einen Reggaeton Song mit Jennifer Lopez aufgenommen...

No Comment. Darüber darf ich leider noch nichts sagen. Das Einzige was ich euch versprechen kann ist, dass ihr sehr erfreut darüber sein werdet. [Pharrell huscht ein breites Grinsen über das Gesicht Anm. d. Verf.] Das komplette Album ist von dir selbst produziert, außerdem habe ich gehört, dass du keinerlei Samples darauf verwendet hast, was war der Grund dafür?

Ich bin einfach kein großer Sample Freak, es gibt da draußen so viele Produzenten die das wahnsinnig gut können. DJ Premier ist Wahnsinn, Kanye ist der Wahnsinn, Pete Rock und Havoc von Mobb Deep sind der Wahnsinn.

War Chad in den Produktionsprozess überhaupt nicht eingebunden?

Aus musikalischer und kreativer Sicht nicht. Er hat aber bei einigen Mixes mitgearbeitet. Er war eigentlich der Erste, der zu mir gesagt hat, dass ich eine Solo Scheibe machen soll. Ich war anfangs sehr skeptisch, da ich mich eigentlich nicht als einen Artist sehe, ich gehe nur raus und versuche mich selbst auszudrücken und damit kann ich leben.

Wie sieht es mit den anderen großen Produzenten aus, kennst du einen Just Blaze, einen Kanye oder einen Timbaland persönlich? Gibt es eine Art Competition zwischen euch, wer den besten Beat baut?

Ich bin mit allen befreundet, die du gerade genannt hast. Das sind meine Kollegen, ich habe viel Respekt für sie. Eine Art Competition gibt es zwischen uns nicht.

Gibt es einen Beat, natürlich Neptunes produziert, von dem du behaupten könntest, dass dieser der wichtigste ist, den du in deiner Karriere produziert hast?

Hmm. Nein eigentlich nicht, weißt du das liegt nicht in meiner Hand darüber zu entscheiden welcher der beste oder der wichtigste Beat in meinem Leben war, ich denke das ist die Aufgabe der Hörer, jeder von euch kann mir wahrscheinlich sagen, welches der wichtigste Beat war, den ich jemals produziert habe, weil jeder Hörer einen Favoriten hat. Wenn ich einen neuen Beat produziere, dann denke ich in dem Moment immer daran, dass dieser Beat der wichtigste ist. Außerdem höre ich mir meine alten Beat gar nicht mehr an, ich schaue eher in die Zukunft.

In einem Interview mit einem deutschen Magazin hast du einst gesagt, dass deine Zeit als Künstler bald vorbei sein wird, weil eine Evolution in der Musik alle vier Jahre statt findet und damit dein Sound eventuell nicht mehr angesagt ist. Was sagst du heute dazu, hinsichtlich der Tatsache, dass du ein Solo Album raus bringst?

Ich weiß eigentlich nur, dass es tatsächlich eine Veränderung in der Musik alle vier Jahre gibt, jeder Sound ist irgendwann outdated, allerdings wusste ich, als ich das gesagt habe, noch nicht mal, dass ich irgendwann eine Solo Scheibe auf den Markt bringen werde. Und jetzt sitze ich hier und versuche mein Album zu promoten. Es passieren viele unerwartete Sachen im Leben, was ich gerade gesagt habe kann morgen schon wieder überholt sein, deshalb habe ich auch beschlossen Statements, die man falsch verstehen könnte zu unterlassen.

Wird es eine Tour zu deinem Album geben, wirst du nach Deutschland kommen?

Natürlich wird es eine Tour geben, nicht nur in Amerika, auch hier in Europa werde ich auftreten. Ich werde mein eigenes Album aber in einer anderen Weise live präsentieren, als ich das beispielsweise bei den N.E.R.D. Konzerten getan habe. Cause it's another feeling. Die Leute dürfen gespannt sein, wie sich das anfühlt, was ich präsentieren werde.

Du hast dich kürzlich dazu entschieden, den Soundtrack für "Voltron: Defender Of The Universe" zu produzieren, der bald in die Kinos kommt und auf dem beliebten Cartoon aus den 80er Jahren basiert. Warum hast du dir gerade diesen Film rausgesucht, gibt es da eine besondere Verbindung?

Mich hat das ganze einfach interessiert, ich hab mir die Cartoons angeschaut und mochte eigentlich alles daran. Die Musik aus den Folgen der 80er Jahre fand ich darauf hin auch sehr cool und dann wollte ich einfach tiefer eintauchen und hab mich entschlossen den Soundtrack zu machen. Das war für mich was neues und neue Dinge bringen neue Herausforderungen. Es wird natürlich anders klingen, als das was ich bisher gemacht habe, aber ich mag das eigentlich nicht so gerne irgendwelche Ansagen im Voraus zu geben, die Leute sollen sich das anhören und sich selbst ein Bild davon machen.

Woher nimmst du denn die ganze Zeit, deine vielen Projekte zu verwirklichen? Bist du ein Workaholic, gehst du nicht feiern oder wie bekommst du das hin?

Ein wichtiger Punkt ist tatsächlich, dass ich so gut wie nie feiern gehe. In der Zeit arbeite ich an meinem Zeug weiter. Aber was ich mache ist ganz und gar nicht unmöglich zu meistern. Lass mich das so erklären: Du nimmst dir Zeit für eine Dusche, du gehst zur Arbeit, du nimmst dir Zeit um mit deinen Eltern zu reden, du nimmst dir Zeit um deine Lieblingssendung im Fernsehen zu sehen, du machst dir drei Mal am Tag etwas zu essen. Ich habe dir jetzt etwa sechs verschiedene Dinge genannt, die du am Tag hinbekommst und keines dieser Dinge überfordert dich. Du bekommst es hin, dass du jeden Morgen im selben Bett, im selben Zimmer, im selben Haus, selben Block, in der selben Stadt, im selben Land und auf dem selben Kontinent aufwachst, richtig? Wenn du aufgewacht bist, hast du Ideen im Kopf, was du heute anziehst, was du heute kochst, was dich heute auf der Arbeit erwartet, welches Buch du lesen wirst wenn du heim kommst und niemand nennt dich deswegen ein Superhirn weil es der regelmäßige Ablauf deines Lebens ist, es ist normal für dich. Das was ich mache ist für mich die Normalität. Jedes meiner Statements kannst du innerhalb von zwei Sekunden kommentieren und hinterfragen und deine Fragen und deine Kommentare sind genauso farbenreich wie meine Texte, wie meine Musik, wenn nicht noch mehr.

An dieser Stelle ist das Interview vorüber. Schwer beeindruckt von Pharrells letztem Satz packe ich meine sieben Sachen zusammen und verabschiede mich von einem Superhirn, das Überbeats-basteln "die Normalität" nennt. Mit dem Gefühl etwas gutes an diesem Tag erlebt zu haben verlasse ich das Sportmuseum und mache mich auf die Heimreise. Vielen Dank für das Interview.

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