Notorious - No Dream is too big
Es gibt Momente, da schämt man sich dafür, Journalist zu sein. Beispielsweise bei einem Gruppeninterview mit Hiphop-Künstlern. Da arrivierte Musikjournalisten des Print-Bereiches traditionell nur David Bowie und Depeche Mode hören und auf Hiphop verächtlich hinab lächeln, tragen sie ihre Bocklosigkeit auch bei entsprechenden Interviews unverhohlen vor sich her. So geschehen mal wieder in Berlin bei der großen Interviewrunde zur Rapper-Biographie NOTORIOUS , mit der das Leben des legendären Notorious B.I.G. für die große Kinoleinwand aufbereitet wurde. Geladen wurde zum Gespräch mit den beiden Hauptdarstellern Jamal Gravy Woolard (alias Biggie ) und Derek Luke (alias Puff Daddy ) sowie Voletta Wallace , der Mutter des 1997 verstorbenen Christopher Wallace a.k.a. Biggie Smalls . Da sie getrennt voneinander interviewt werden, kommt es im Lauf der Gespräche immer wieder zu einigen unterhaltsamen Widersprüchen, aber dazu später mehr. Offenkundig hat niemand der anwesenden Presseleute tatsächlich Lust, sich mit dem Film oder der Person Christopher Wallace zu befassen. Stattdessen befragt man die Darsteller, wie sie sich fühlen, jetzt wo Obama Präsident ist, also sie als Schwarze und so, wie sich das anfühlt innen drin, oder warum alle Rapper Frauen unterdrücken und sich gegenseitig erschießen, und was diese großen Ketten und Ringe immer sollen, das sehe doch total lächerlich aus. Als einziger Hiphop-Journalist der Runde schäme ich mich mit jeder neuen Frage eines Kollegen mehr für meinen Berufsstand. Ich versuche die Situation zumindest ansatzweise zu retten und komme auf den Film zurück. Derek Luke , der Puffy -Darsteller in NOTORIOUS , beantwortet mir die Frage, warum Puffy sich trotz seiner Schauspiel-Ambitionen am Broadway und in Hollywood in der Biggie -Bio nicht selbst spielen wollte: Puffy hat mit Biggie soviel geteilt und eines Tages war Biggie einfach tot. Es wäre mit Sicherheit schwer für ihn gewesen, mit Jamal in der Rolle seines besten Freundes an all den Orten, an denen er mit Biggie früher abhing, die ganze Vergangenheit für die Kamera wieder aufleben zu lassen. Jamal ist so authentisch als Biggie , dass es für Puffy einfach zu schmerzhaft gewesen wäre, mit ihm diesen Film zu drehen. Beim Interview mit Mama Wallace eine halbe Stunde später sieht das ganze ein wenig anders aus: Puffy ist nicht in diesem Film, weil es kein Puffy -Film ist. Er konnte nicht einfach ans Set kommen und sich wichtig machen oder in Szene setzen. Der einzige Grund, warum Puff überhaupt an diesem Film mitgewirkt hat ist, weil er die Rechte an den Songs besitzt. True Story? Als ehemals bester Freund von Biggie spielt ausgerechnet Medienmogul Diddy bei der Produktion dessen offizieller Filmbiografie nur die zweite Geige? In den Credits ist Diddy immerhin als einer der Executive Producer des Films vermerkt, schenkt man jedoch den Bemerkungen Voletta Wallaces Glauben, hätte sie ihn am liebsten ganz aus dem Projekt rausgehalten. Puffy ist eben Puffy , was soll man sagen? Er macht seine Sachen gut und hat damit Erfolg, aber... Aber was, Frau Wallace ?
Aber diese ganzen Sachen die er jetzt macht, das waren alles Ideen meines Sohnes. Christopher hat davon gesprochen, dass er als Rapper Restaurants eröffnen will, jetzt hat Puffy seine Justin's-Kette. Mein Sohn hatte auch die Idee einer eigenen Clothing Line, nach seinem Tod startete Puff dann Sean John . Ich gönne ihm seinen Erfolg wirklich von Herzen, aber letzten Endes waren das alles Christopher s Ideen. So läuft es fast immer, wenn man sich mit Diddy s Bad Boy -Imperium beschäftigt. Auf die Frage, woher der ganze Erfolg des rund 600 Mitarbeiter beschäftigenden Unternehmens letztlich rührt, stößt man am Ende immer wieder vor allem auf einen Namen: Christopher Wallace . Jamal Woolard macht einen fabelhaften Job in der Verkörperung des Brooklyn-Paten. Das Original kann natürlich schwerlich ganz erreicht werden,doch Woolard schafft es, Biggie Smalls erstaunlich nah zu kommen. Der vor dem Dreh schauspielerisch völlig unerfahrene Underground-Rapper glänzt auf der Leinwand mit überzeugender Mimik, Gestik und Stimme. Auf die Frage, wie er sich auf die Rolle vorbereitet habe, winkt er selbstbewusst ab: Nah man, das kannst du nicht lernen, das musst du in dir drin haben. Das wichtigste ist, dass du bist, wie du bist. Du darfst dich nicht verbiegen. Word? Erneut hört sich das bei Biggie s Mutter Voletta Wallace ein klein wenig anders an: Jamal kam für drei Monate in unser sogenanntes Biggie -Bootcamp. Er wurde gecoachet, wie sich Biggie bewegte, was für einen Gesichtsausdruck er beim Rappen hatte und wie er auf der Bühne auftrat. Drei Monate lang hörte er den ganzen Tag ausschließlich Biggie -Songs.  Ob Naturtalent oder Drillschüler: Der Hauptdarsteller macht in jedem Fall eine weitaus bessere Figur als etwa Anthony Mackie in der unglücklichen Rolle des Tupac Shakur . Besonders bei der Darstellung dieses hochcharismatischen Charakters wird einem wieder schmerzlich bewusst, dass einige Menschen einfach unersetzlich sind. Mackie gibt alles, aber scheitert letzten Endes - fast schon erwartungsgemäß - am überlebensgroßen Vermächtnis der Westcoast-Legende. Der Rest ist unterhaltsames Popcorn-Kino, das von Regisseur George Tillman Jr. gekonnt in Szene gesetzt wurde. Die beeindruckende Geschichte eines der   einflussreichsten Rapper aller Zeiten hätte an einigen Stellen zwar durchaus noch einen Zacken spannender erzählt werden können, insgesamt gehört NOTORIOUS jedoch durchaus zu den besseren Streifen des Hiphop-Genres.

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