MTV HipHop Open 2008 - Der Bericht
Deutschlands zweitgrößtes Hiphop-Festival ist zu Ende. Und das Wort Fest trifft den Stimmungskern des HipHop Open 2008 ziemlich exakt. Zwar konnte man nicht ganz mit dem Line-Up des splash! mithalten, dennoch sorgten amerikanische Künstler wie Ice Cube, die CunninLynguists und natürlich der Headliner Ludacris für ordentlich Action. Aber auch die nationalen Vertreter der Szene wurden gebührend gefeiert, bis auf die ein oder andere Ausnahme, Stichwort Culcha Candela .

Dass Rap nichts für Langschläfer ist, zeigten die beiden Kölner Jungs Huss und Hodn indem Sie das Publikum schon um 10:30 Uhr mit Ihrem Auftritt mehr oder weniger sanft aus dem frühmorgendlichen Halbschlaf rissen. Einen für diese Uhrzeit beeindruckenden Auftritt legte auch das Jungtalent F.R. hin und peitschte die Jubelrufe der Crowd auf ein erstes Tageshoch. Auf Platte schon gut hörbar, stellte sich heraus, dass der 18-jährige Braunschweiger auch live eine Klasse für sich ist. Routiniert und energiegeladen spuckte er Double-Time-Raps und pickte aus seinem Repertoire auch das ein oder andere nachdenkliche Stück. Dass die HipHop Open Verantwortlichen ihm schlussendlich mitten im letzten Track einfach den Ton abdrehten weil die Stoppuhr abgelaufen war, empfanden auch die Fans als schwere Beleidigung und revanchierten sich mit einem Pfeifkonzert.

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  Nach einem nicht gerade euphorisch gefeierten Auftritt der Niederländer Pete Philly & Perquisite , war es dann an der Zeit die Lokalmatadoren auf die Bühne zu holen: Maeckes & Plan B. , Stuttgarts Raphoffnung Nummer Eins, ließen für 30 Minuten ordentlich die Sau raus. Mit einer Mischung aus Komik und Können begeisterten sie das textsichere Stuttgarter Publikum. Nach einem 30-sekündigen Medley Sonst könnt Ihr euch nicht mehr an unseren Auftritt erinnern verabschiedeten sich die beiden dann auch in Richtung Backstage und überließen keinem Geringeren als Olli Banjo die Bühne. Ganz nach dem Sparring- Motto seiner drei Mixtape-Veröffentlichungen bezog er das Publikum immer wieder in seinen Auftritt mit ein. Stuttgart erwies sich als durchaus dankbarer Boden für den Wahlkölner und nahm die neuen Tracks aus dem gerade erschienenen Sparring 3 wohlwollend auf.

Ähnlich verhalten wie bei Pete Philly & Perquisite ging es im nächsten Step bei den Schweden von Looptroop zu, die aber auch nicht gerade den frischesten Eindruck machten. Kaum Emotionen konnten Promoe , Supreme und EmBee mit Songs aus dem neuen Album Good Things beim Publikum hervorrufen.
 

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  Überzeugend stark dagegen waren die CunninLynguists , die das Wort Dirty South um Einflüsse des klassischen Boom-Bap Raps erweiterten. Mit ihrem Temperament und energiegeladenen Beats brachte das Trio aus zwei afro-amerikanischen und einem weißen Rapper die Zuschauer in Wallung.

Genau zum richtigen Zeitpunkt, wie sich gleich darauf herausstellte, als Deutschlands (zweit-?) prominentester Rapper sido unter frenetischem Applaus auf die Bühne stürmte, nachdem er ganz im Stil eines Superstars mit dem Helikopter kurz vor dem Auftritt eingeflogen wurde. Das sah auch mal anders aus, dachte sich da der ein oder andere. Vor gar nicht allzu langer Zeit gab es zwischen Ihm und Azad eben auf dem Hip Hop Open eine berühmt berüchtigte Schlägerei, die der Rapper auf seinem neuen Album mit der Hook "Pack schlägt sich, Pack verträgt sich" textlich verarbeitet. Dieses Jahr war jedoch nichts von Aggression oder Gewalt zu spüren. Ganz im Gegenteil: sido hielt das Publikum mit Hits wie Straßenjunge oder dem Arschficksong auf Trab und baute immer wieder Stücke seines neuen Albums in sein Set mit ein. Ein besonderes Highlight war dabei Herz , eine mehr als potentielle nächste Singleauskopplung. Alles in allem zeigte sido bärenstarke 40 Minuten in die er Energie, Witz und Emotion packte. Und dann drehten sich auch die Rotorenblätter wieder und der Deutschrap-Star war auf und davon.

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  Traurig schauten die Zuschauer dem flüchtigen sido hinterher und so vergaß wohl der Großteil, dass sich auf der Bühne bereits die Jungs von Culcha Candela mit aufwändigem Bühnenbild versammelt hatten. Da konnte auch der Host Prinz Pi mit seiner Ansage nichts mehr drehen:

Prinz Pi : "Jetzt kommt eine Band, die hatte dieses Jahr DEN Hit. Und wie hieß der?"
Crowd (vereinzelt): "HAMMA"
Prinz Pi : "Und wie sind die Jungs, die jetzt auf die Bühne kommen?"
Crowd (alle zusammen): "SCHEIßE"

Ja, da sieht man mal wieder dass das Stuttgarter Publikum Realness durchaus zu schätzen weiß. Und wie der Culcha Candela Auftritt begann, endete er auch: Nicht weiter erwähnenswert.

Glücklicherweise trat direkt nach den Berlinern die Realness in Person auf:
Ice Cube . Das Rap-Phänomen aus South Central Los Angeles traf jeden Takt und packte Klassiker wie Smoke some Weed oder den Westcoast Connection Brenner Gangsta Nation aus und spielte exklusiv neue Tracks aus seinem kommenden Album Raw Footage . Ein Statement der besonderen Art wurde vom Publikum extra umjubelt: "Some people ask me: Cube, when you gonna retire? I always tell them: Cube doesn't retire, Cube will rap ‚ till he's 70 years old!"
Das nenne ich Altersweisheit.

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  Cube ging, Sam kam. Zusammen mit seinen beiden Soundmännern DJ Dynamite und Tropf aka Dynamite Deluxe rockte er das Haus ohne Rücksicht auf Verluste. Alte Klassiker wie Ladies & Gentleman und Grüne Brille kamen dabei genauso aus seinem Mund wie Material aus seinem Solo-Album Dreist und natürlich die absolut live-tauglichen Stücke der Reunion-Platte TNT . Zusammen mit dem langjährigen Partner D-Flame machte sich Mr. Deluxe standesgemäß über die polizeiverseuchte Stuttgarter Innenstadt lustig "Er hat ein Ballermann..." und forderte Flame zum Battle der tiefen Töne heraus. Ein insgesamt extrem abwechslungsreicher Auftritt der wohl für die zahlreichen Besucher noch lange in guter Erinnerung bleiben wird.

Dieses Reimfeuerwerk konnte nur noch einer überbieten:
Der Headliner Ludacris selbst! Pünktlich um 21 Uhr betrat dieser die Bühne um was vorzufinden? Na klar, einen Stromausfall am DJ Pult, den er locker lässig mit einem "Fuck the soundman" kommentierte und somit die Lacher definitiv auf seiner Seite hatte. Dass der Dirty South King aber auch ohne Sound entertainen kann, zeigte er in den folgenden knapp 20 Minuten mit Acapella Raps, bis ihm sein DJ ein erleichtertes Zeichen gab und die Beats wieder mit ordentlicher Lautstärke aus den Boxen drückten. Bei Hits wie Move Bitch , Moneymaker oder Act A Fool machte dem Publikum auch ein kurzer, heftiger Regenguss (der einzige an diesem wunderschönen Tag, what up, splash! ) nichts aus. Zwischendurch bedankte sich Luda artig für die tolle Unterstützung des Publikums und brachte den Abend unter dem leicht bewölkten Himmel über dem Stuttgarter Reitstadion zu einem unvergesslichen Ende.

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