Moses Pelham vs. Kraftwerk: Europäischer Gerichtshof fällt Grundsatzurteil für Hiphop

Der Rechtsstreit zwischen Moses Pelham und Kraftwerk über die Verwendung eines zweisekündigen Stücks Musik tobt seit circa 20 Jahren. Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Grundsatzurteil gesprochen und Sampling ohne Lizenz unter gewissen Bedingungen für legal erklärt.

Der EuGH spricht ein Urteil für die Kunstfreiheit

Ist es zulässig Musik zu kopieren, um etwas Neues daraus zu erschaffen? Oder konkret: Darf Moses Pelham einen Teil des Werks von Kraftwerk in seine eigene Kunst überführen, ohne um Erlaubnis gefragt zu haben? Der Europäische Gerichtshof beantwortet diese Frage mit einem eingeschränkten "Ja". Es ist demnach gestattet, kurze Musikfragmente ohne Zustimmung des Urhebers zu nutzen. Allerdings müssen diese "in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form" vorliegen. Die Richter erkennen somit das sogenannte Microsampling als eine Kulturtechnik an, die dazu dient, aus bekanntem Material ein neues eigenständiges Werk zu formen - Hiphop! Die Kunstfreiheit wird hier stärker gewichtet als die Eigentums- und Urheberrechte, welche die Elektropop-Pioniere von Kraftwerk für sich geltend machen wollen.

Der nun ergangene Urteilspruch wendet zugleich ein Horrorszenario für die gesamte Hiphop-Kultur ab. Remixen und Samplen gehören schließlich zur DNA von Hiphop. Insofern die Bearbeitung und Verfremdung von kleinsten Musik-Elementen generell für unzulässig erklärt worden wäre, hätte man eine komplette Kultur quasi ausgehöhlt. Schon 2016 erkannte der damalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts richtigerweise, dass ein Urteilsspruch zu Ungunsten des Samplings, "die Schaffung von Musikstücken einer bestimmten Stilrichtung praktisch ausschließen" würde. Moses Pelham kommentiert den rechtlichen Erfolg in seiner Insta-Story schlicht mit einem Dankeschön und sagt: "Merci Bien".

Moses Pelham & Kraftwerk streiten seit Jahrzehnten

Der Ursprung des juristischen Marathons liegt beim Track "Nur mit dir" von Sabrina Setlur aus dem Jahr 1997 zurück. Im Beat ist eine zweisekündige Sequenz aus dem Kraftwerk-Stück "Metall auf Metall" gesampelt. Kraftwerk klagte daraufhin auf Unterlassung und Schadensersatz. Mehrere Prozesse waren die Folge.

Der Bundesgerichtshof fällte 2012 zunächst ein Urteil zu Gunsten von Kraftwerk. Die zuständigen Richter werteten die Verwendung des kurzen Abschnittes als rechtswidrig, solange es möglich sei, die verwendete Musik gleichwertig nachzuspielen. Gegen diese Auffassung legte Moses Pelham seinerseits Beschwerde ein und zog 2015 vor das Bundesverfassungsgericht. Dort kamen die Richter 2016 zu dem Ergebnis, dass die Auslegung des Bundesgerichtshofs sich nicht mit dem Grundrecht auf Kunstfreiheit deckt. Der Fall sollte daraufhin neu vom Bundesgerichtshof bewertet werden. Verhandelt wurde das Ganze schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof, der jetzt Ende Juli 2019 dieses richtungsweisende Urteil fällte.

Über den Einzelfall Moses Pelham gegen Kraftwerk muss allerdings weiterhin der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entscheiden. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

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