Kanye West: My Beautiful Dark Twisted Fantasy
Sich heroischer als Kanye West in seinem neuen Musikvideo Power zu geben, scheint schier unmöglich: In eine schwarzen Robe gehüllt, steht er inmitten von einem Pulk aus gehörnten Albino-Schönheiten, lasziven Amazonen und einem bildschönen Phönix. Er blickt ausdruckslos in die Kamera. Um seinen Hals baumelt eine massive Goldkette, an der ein überdimensionaler Kopf, der des ägyptischen Gottes Horus , baumelt. Kanye West atmet ganz leicht und seine Schultern heben und senken sich dabei dezent. Das Video zu Power , es ist ein virtuelles Gemälde aus mystischer Symbolik, okkulten Querverweisen und herrlicher Selbstinszenierung. West stilisiert sich in dem vom kanadischen Videokünstler Marco Brambilla gedrehten Clip, wie man es von ihm kennt: als selbstgefälliger Dreh- und Angelpunkt der Popmusik. Hört man sich sein neues Album My Beautiful Dark Twisted Fantasy an, merkt man, dass er damit gar nicht mehr so unrecht hat. Vergessen sind die Tage als West im Winter 2008 mit 808’s & Heartbreak ein durch die Gesangskorrektursoftware Auto Tune verfremdetes Album voller schnöde-schnulzigem Selbstmitleid und nöliger Liebeskummerlyrik veröffentlichte. Die sämige Schmonzettenpampe ist passé. Vielmehr ist My Beautiful Dark Twisted Fantasy mit seinem organischen und vielschichtigen Klang das Zeugnis dafür, dass Kanye West auch außerhalb des Beat-Kosmos als versierter Musiker überleben kann. Gekonnt lässt West die Sampling-Äshetik des 90er-Jahre-HipHop mit Stadionrock-Ambitionen verschmilzen ( Devil In A New Dress ) oder überkreuzt dreckige Rockriffs ( Hell of a Life ) mit staubtrockenen HipHop-Beats aus dem alten New York. Das Mehr in der Musik ist auf My Beautiful Dark Twisted Fantasy um einiges omnipräsenter als noch auf den Vorgängeralben. Sei es, dass Yeezy den Bon Iver -Frontmann um musikalischen Beistand an der Talkbox bittet und selbst gänzlich genrefremde Größen wie Altmeister Elton John oder La Roux ’s Elly Jackson gemeinsam mit Kid Cudi , Diven wie Alicia Keys oder Popstars wie Rihanna und Fergie von den Black Eyed Peas auf All Of The Lights im wahrsten Sinne des Wortes zusammentrommelt – die Drums auf diesem All Star-Track sind genau wie die restlichen Produktionen des Albums imposant und eindrucksvoll. Kein Wunder, die Länge der Producercredits kommt dem Abspann eines Hollywoodstreifens gleich. Für seine Eklektizismen war Kanye West schon immer bekannt. Und stets war er es auch, der weit hergeholte Vergleiche mit dem ganz großen des Pop bemühte: Jackson , Presley , West – war für den Musiker der logische Dreiklang. Mit seinem fünften Studioalbum My Beautiful Dark Twisted Fantasy wagt er jedoch so deutlich wie nie Schulterschluss mit anderen Kunstformen und dem Pop im speziellen. Für die verschiedenen Albumcover - gleich fünf an der Zahl - bat Kanye West den Künstler George Condo um eine seiner expressionistisch-verzerrten Malereien. Eines der Motiv, es zeigt einen nackten und betrunkenen Kanye West beim Sexualakt mit einem Feuervogel, wurde zuerst zensiert und verpixelt; jetzt können es sich die Besitzer der limitierten Erstauflage des Albums ganz nach Wunsch in den Rahmen ihrer CD-Hülle schieben. My Beautiful Dark Twisted Fantasy funktioniert - nicht zuletzt wegen den Referenzen an die moderne Kunstwelt - viel über die visuelle Ebene. Auch wegen des 30-minütigen Kurzfilms Runaway , welchen Kanye West gemeinsam mit dem Album veröffentlicht. In dem von Musikvideogenie Hype Williams produzierten Streifen führt Griffin ( Kanye West ) eine unglückliche Beziehung mit dem omnipräsenten Phönix ( Selita Ebanks ). Unterlegt sind die beeindruckenden Bilder mit den Liedern des Albums. Stellenweise erinnert Runaway mit seinen überzeichneten Bildern – wohl nicht ganz unbeabsichtigt - an popmusikalische Kurzfilme wie Michael Jackson ’s Thriller oder Pink Floyd ’s The Wall . Der schmale Grad zwischen dem Abtun als Anfängeravantgarde oder der Verklärung als autistischem Höhenflug eines übergeschnappten Künstlers ist mitunter zum greifen nah. Einer der Dialoge im Film spiegelt dieses autarke Scheuklappendenken dabei stärker wieder als jeder andere: Kanye West und sein Feuervogel sind zu einem Bankett geladen. Auf die Frage ob er denn wisse, dass seine Begleitung ein Vogel sei, antwortet West : " No, I never noticed that ." Nein, dass habe er nie bemerkt - und genau dies ist sie, die Stärke des Künstlers. Mitunter riskiert er sicherlich, etwas über das Ziel hinauszuschießen, sein überbordendes Ego nicht unter Kontrolle zu haben. Aber sein dann und wann vielleicht überambitioniertes Kunst- und Künstlerverständnis kanalisiert immer noch genau jene Ideen voller Leidenschaft und Kreativität, welche ein von Machismo-Attitüde und Oberflächlichkeiten durchzogenes Genre endlich wiederbeleben und gleich zweierlei Dinge schafft: Zum einen liefert er zum Ende des Jahres dann doch noch das Album des Jahres für die HipHop-Heads, die nach einem eher mittelmäßigen 2010 nach Erlösung dürsten. Zum anderen hat Kanye Omario West hier ein musikalisches Meisterwerk geschaffen, welches seriöser Rapmusik auch außerhalb der Szene endlich den Respekt einbringt, den sie schon so lange eingefordert und mit seinem fünftem Album auch definitiv verdient hat. Solltest du noch nicht reingehört haben, kannst du das jetzt auf Hiphop.de nachholen:
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