Herr Merkt hört hin - Ausgabe 2
Verehrte Stammleserinnen und Stammleser, ohne weitere Umschweife begrüße ich Sie auch zur zweiten Ausgabe von Herr Merkt hört hin - Ihrer Deutschrap-Kolumne! Auch diesen Monat werde ich wieder versuchen, Ihnen einen Überblick über aktuelle Veröffentlichungen aus unserem ach so geliebten Genre zu geben. Unter anderem werden neue Alben von sido , Die Orsons , Vega , Too Strong , Die Vamummtn , Colos , Gris und viele anderen thematisiert. Tim Plus - Nächster Halt
Über Jakarta Records veröffentlichte der Kölner Tim Plus vergangenen Monat sein empfehlenswertes Debüt Nächster Halt . Darauf demonstriert der Debütant ein erstaunliches Gespür für den eingängigen Kehrreim und weiß auch anderweitig die organischen Produktionen von Jazz-Musiker Til Schneider mit inhaltlich Feinsinnigem zu bestücken. Gleichwenn ein, zwei Stücke deutliche Assoziationen zum großartigen Marteria wecken ( Moin und Hunger ), lässt Tim Plus eine durchaus eigenständige Künstleridentität erkennen, die sich auf dem vorliegenden Album vor allem über das Hauptmotiv der Rastlosigkeit definiert. Weitermachen! Too Strong - Rap music is life music
Trotz konsensfähiger Großtaten wie Greatest Hits oder Rabenschwarze Nacht fanden Too Strong niemals wirklich innerhalb meines HipHop-Universums statt. Daran wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch ihre aktuelle Veröffentlichung Rap music is life music nichts ändern. Unterstützt von Ruhrpott B-Kräften wie Brenna & Desasta und Skor , wissen die beiden Urgesteine dem Spiel in der Spielzeit 2009 nichts hinzuzufügen und verlieren sich dank hölzernem Rapfluss in der Irrelevanz SLASH Bedeutungslosigkeit. Daran ändern selbst mutige Coverversionen von Nosliw s Musik und Extrabreit s Polizisten nur wenig. Die Vamummtn - Runde 3
Für Ihre monatliche Dosis HipHops österreichischen Ursprungs zeichneten vergangenen Monat die Vamummtn aus Wien verantwortlich. Auf Runde 3 zeigen unsere südlichen Nachbarn ein feines Gespür für die hitverdächtige Reinterpretation US-amerikanischer Produktionen. Dabei liegt der Schwerpunkt offenbar auf Themen wie Selbstbeweihräucherung, Feierei und gegengeschlechtlichen Kurzbeziehungen. Aufgrund der konsequenten Umsetzung der Raps in breitestem Dialekt, muss ich sie für weiterführende Inhaltsanalysen leider an einen Muttersprachler verweisen. Spaß macht
Runde 3 allemal! Vega - Lieber bleib ich broke
Nach mehrähriger Wartezeit stellt Frankfurts Hoffnungsträger Vega mit Lieber bleib ich broke seine lange erwartetes Debutalbum vor. Darauf zähmt er gewohnt charismatisch die Produktionen der Butterfly Music -Hausproduzenten Emonex und stellt dabei selbst einen erschreckend schwachen Kool Savas -Sechzehner mit Leichtigkeit in den Schatten. Anspielstationen wie Die Jungs von der Bushalte , Winter , Als der Rest der Welt schlief und 2 Sekunden machen das Album zu einem sicheren Schuss, gleichwenn aufgrund eines eingeschränkten Themenspektrums zwischen Straßenromantik
und Kopf hoch -Pathos durchaus Längen entstehen. Hier kann in naher Zukunft
Großartiges geschehen! Colos - Independent
Bei seinem Werdegang zwischen Abschiebung und Aufenthaltsrecht dürfte es Colos nur peripher tangieren, dass ich ihn nicht gerade als einen jener Rapper auf meinem Radar hatte, die durch Großtaten in der Domäne Deutschrap glänzten. So bleibt auch auf der neuesten Veröffentlichung aus dem Hause Mellowvibes raptechnisch noch Luft nach oben, auch wenn durchaus ein Qualitätssprung zu konstatieren ist. Abseits der Raptechnik besticht Independent mit überzeugenden und authentischen Inhalten und
hat mit Tracks wie Keine Zeit für Faxen (mit Hammer & Zirkel ), Mein Leben lang (mit Emine Bahar ) oder Mein Herz auf der Straße den ein oder anderen Hit anzubieten. Produziert wurde das Oeuvre von 7inch und Woroc . Die Orsons - Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, in
Ewigkeit, Orsons

Etwa ein Jahr nach dem kontroversen Erstling Das Album melden sich Maeckes , Tua , Kaas und Plan B in Gestalt der Orsons zurück, um mit Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Orsons ein musikalisch reifes Album vorzulegen, welches nicht nur inhaltlich mit großer Experimentierfreude aufzuwarten weiß. Hier geschieht der Griff zur Akustikgitarre ebenso selbstverständlich wie der Einsatz melancholischer Synthies. Auch wenn das Zweitwerk der Kapelle nicht jeden HipHop-Kopf dieser Nation überzeugen wird, kann eine deutliche Weiterentwicklung im Vergleich zum Vorgänger nicht verleugnet werden. Mit dem ungewöhnlichen Souljah Boy erfuhren die Stuttgarter/Reutlinger demletzt gar international Beachtung. Glückwunsch dazu!
Tim Taylor - Der Mensch und die Anderen
Der Kassel-stämmige Tim Taylor warf mit Der Mensch und die Anderen bereits am 11. September dieses Jahres ein sträflich vernachlässigtes Album auf den Markt. Mit sanfter Reibeisenstimme verzückt der Protagonist den Zuhörer mit exzellentem Geschichtenerzählen, Repräsentanten und einem durchaus annehmbaren Repertoire an Rapfertigkeiten. Als Glanzlichter der durchweg hörbaren Produktion möchte ich die Tracks Der Dämon und Fräulein Graf , Böses Erwachen , On the streets und Zerbrochene Spiegelscheiben deklarieren. Verschlafen Sie diese Veröffentlichung bitte nicht weiter! Meller - To the bone
Ebenfalls mit Reibeisenstimme und dem überlangen Ruhrpott-Posse-Track Im Pott gekillt mit sage und schreibe fünfzehn Gästen (darunter Lakman , Pahel , Rheza und Terence Chill ) im Gepäck, meldet sich Bochums Meller mit seinem Debüt To the bone zu Wort. Mit viel Hunger in der Stimme frisst sich Meller durch Produktionen von Fabbroc und sich selbst, aber leider nur selten nachhaltig in den Gehörgang des  Rezipienten. Solide fließt To the bone am Rezipienten vorbei und lässt nur selten - wie in Richtig bock - das Potential des Protagonisten aufblitzen. sido - Aggro Berlin
Über Universal veröffentlicht sido dieser Tage sein mittlerweile viertes Album
Aggro Berlin . Geht Hey Du! noch haarscharf als bis dato stärkste
sido -Auskopplung durch, weiß das Gesamtwerk als solches jedoch leider nicht auf ganzer Linie zu überzeugen. So wirken Nummern wie Marie & Jana, Der Tanz (mit K.I.Z. ) oder Schlampen von gestern (mit Doreen ) viel zu harm- und leider auch belanglos, um der großartigen Karriere des ehemaligen Maskenträgers entscheidende Impulse nach vorne zu geben. Auf Nummern wie Seniorenstatus (mit Samy Deluxe bzw. mit Greckoe , Liquit Walker und Laas Unltd. im versteckten Remix) oder sido scheinen vergangene Großtaten jedoch nach wie vor durch, so dass sich das Album im soliden, oberen Mittelfeld platziert. Allerdings ging da auch schon einmal deutlich mehr! Gris - Schwarzweiß in Farbe/Chefket - Einerseits, Andererseits
Aus dem Berliner Hause Edit Entertainment drangen mit den neuen Alben von Gris ( Schwarzweiss in Farbe ) und Chefket ( Einerseits, andererseits ) in den
vergangenen Wochen gleich zwei Qualitätsprodukte, die abseits der gängigen
Mainstream-Formeln glänzend funktionieren, ans Licht der Öffentlichkeit. Unaufgeregt reimen sich die beiden Produktionen ohne jegliche Fallstricke durch ihre jeweiligen Alben. Während Gris vor allem mit gut umgesetzten, innovativen Konzepten punkten kann, weiß Chefket mit wunderbar seelenvoller Beatwahl aus dem Hause Krutsch , Tilman Hopf , DJ Farhot und LMNZ zu bestechen. Zwei Mal Pflichtkauf! Mit diesen Empfehlungen verbleibe ich mit freundlichen Grüßen und freue mich darauf, dass Sie mich auch im nächsten Monat wieder lesen werden. Im November erwarten Sie  unter anderem neue Alben von Mädness , Die Sekte , Snaga & Pillath , Monroe , Herr von Grau , Raf Camora , Massiv , Waxolutionsists , Rohdiamanten , Mannheimer Dreck , B.E. und Team Makasi , sowie die beiden Sampler La Conexion und Deutschlands vergessene
Kinder 2
. Ihr Herr Merkt.

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