The Game - Das Resümee
The Game hört auf. Eine der leuchtendsten Gestalten der letzten Jahre veröffentlicht sein vorerst letztes Album. So schallte es durch die HipHop-Medien am 16. Mai 2008, nachdem der Black Wall Street Boss ein entsprechendes Statement gegenüber der BET-Show 106 & Park abgab.
Nach nur drei Alben sollte die Karriere des potentiellen Westcoast-Retters schlagartig zu Ende sein. Stattdessen, so Game selbst, fokussiert er sich zukünftig mehr aufs Schauspiel. Objektiv betrachtet keine schlechte Wahl bei stark rückgängigen Plattenverkäufen und ewigen Streitereien mit anderen Rappern. Schaut man sich Filme wie "Waist Deep" oder "Street Kings" an, muss man Game zugute halten: Der Junge hat Talent. Subjektiv betrachtet, also aus der Sicht eines Rap-Liebhabers, kann man definitiv vom Verlust einer schillernden Gestalt sprechen. Doch schillernd heißt nicht gleich geachtet.
Zeit, die nunmehr fünf-jährige Ära The Game noch einmal genauer auf den Prüfstand zu stellen. Wo liegen die Stärken und Schwächen des Westcoast Rappers, wer zählt zu seinen Freunden, wer zu seinen Feinden? Was hat sich verändert, seit The Game fester Bestandteil der Rap-History wurde? Und nicht zuletzt wird die diffizile Frage geklärt, welchen Wert seine Musik für die Nachwelt besitzt.
Beeindruckender Charakter - schwaches Management?
Im Grunde ist das heutige Rap-Geschäft wie die Welt der Werbung aufgebaut. Um ein Produkt, in diesem Fall natürlich der Rapper bzw. seine Musik, erfolgreich zuvermarkten, braucht man eine USP - Unique Selling Proposition, ein
Alleinstellungsmerkmal. Einerseits ist das natürlich die musikalische Qualität von
The Game, andererseits sein Image. Geschickt hat er den Spagat zwischen respektiertem Westcoast Ex-Gangster und kommerziellem Künstler geschafft. Wie kaum ein anderer beherrscht er es, die damals durch N.W.A. aufkeimende Bewegung bis zum heutigen Tag ins Licht der Öffentlichkeit zu transportieren. Seine grimmige Art und die ewigen Zwischenfälle mit Vater Staat machen ihn zum Leitwolf des modernen Westcoast-Raps.
Dass er diesen Thron bestiegen hat, ist zu großen Teilen sein eigener Verdienst. Denn auf das Management war und ist noch nie wirklich Verlass gewesen. Bereits vor seinem Durchbruch mit dem Klassiker "The Documentary" häuften sich die fehlerhaften Entscheidungen. Man erinnere sich an das längst in den Hintergrund gerückte, eigentlich erste Album "Untold Story" , das unter JT The Bigga Figgas Label Get Low Recordz im Jahre 2004 erschien. Beachtliche 300.000 Exemplare des Albums gingen über die Ladentheken in Compton und der ganzen Welt. Der einzige der von diesem Coup nicht profitierte war The Game . Dessen Management hatte nämlich die Rechte an dem Album weitgehend JT übereignet, der sich natürlich ins Fäustchen lachte. Ein Beef mit dem Labelboss war vorprogrammiert, zumal dieser auch noch behauptete, die Rechte an einem zweiten Album zu besitzen.
Die Vermarktung von "The Documentary" übernahm dann aber doch Dr. Dres Aftermath Entertainment unter der Schirmherrschaft von Interscope Records . Nach knapp 600.000 verkauften Exemplaren in der ersten Woche mal ein kluger Schachzug des Game Managements. Auch die Idee, The Game an die Seite von 50 Cent zu stellen war kein schlechter Move, wäre da nicht auf einmal der Beef zwischen den beiden gewesen. Denn was bringen schon etliche Disstracks und G-Unot -DVDs wenn man in Zusammenarbeit mit "Hate It Or Love It" auf Platz zwei der amerikanischen Billboard-Charts einsteigen und so seine Brötchen verdienen kann. The Game war nicht nur das erfolgreichste "Projekt" der G-Unit nach Fifty himself, die Präsentation als melancholischer OG und Westcoast-Retter im G-Unit/Aftermath Rahmen war auch der (kommerziell) beste Platz für Jayceon Terrell Taylor .
Mittlerweile wird The Game nicht mehr von Aftermath an den Mann gebracht, sondern vom altbekannten Black Music Label Geffen . Ein guter Deal? Wohl kaum, schaut man sich die Vermarktung von Games neuem und wahrscheinlich letztem Solo-Album "L.A.X." an. Klar, Ankündigungen in allen großen US-HipHop Magazinen sind natürlich Pflichtprogramm, alles darüber hinaus ist aber schon spärlich gesät. Die einzige Wunderwaffe gegen bevorstehende schlechte Verkaufszahlen, könnte die neue Single My Life sein, die den Quotengaranten des laufenden HipHop Jahres featured: Lil' Wayne . Sollte die Album-Promo so schwach wie bisher bleiben, prognostiziere ich L.A.X. jedoch Verkaufszahlen, die es schwer haben werden, die 300.000er Marke zu knacken.
Friend or Foe
Dass ein Rapper mit dem Bekanntheitsgrad eines The Game sowohl mächtige Freunde, als auch gefährliche Feinde besitzt, dürfte kein Geheimnis sein. Tendenziell überwiegen aber die Feinde. Zum ewig dauernden Beef mit 50 Cent gibt es wohl nicht viel zu erzählen, denkt man an Zeiten zurück als jede internationale HipHop Website ihre tägliche News-Übersicht mit neuen Gerüchten und Sticheleien der beiden Ex-Homies ihr Tagesprogramm begann. In 7 Sätzen zusammengefasst liest sich das so: 50 und Game sind die besten Homies. 50 und The Game machen erfolgreich Musik zusammen. 50 und The Game streiten sich um Dr. Dre Beats und die Texte von The Documentary . 50 und The Game beschimpfen sich aufs Übelste. 50 findet Fotos auf denen Game im String in einer Nachtbar tanzt. The Game stattet 50 s Basketball-Platz einen Besuch ab und reißt dessen Korb herunter. Von 50 und The Game will langsam niemand mehr was hören. Streitsüchtig wie Game nun mal ist, legt er sich kurze Zeit später mit Yukmouth an. Zwar wird dieser Beef in der Öffentlichkeit nicht so stark breit getreten,
Unterhaltungswert besitzt er aber allemal. Ursprünglich hatte Yukmouth Stress mit Ex-G-Unit Mitglied Spida Loc , dem er in einem Club sein Jesus Piece geklaut haben soll. Da Game eine Zeit lang quasi parallel Beef mit 50 hatte und trotzdem Loyalität zur G-Unit beweisen wollte, recordete er einen Disstrack über den "I Got 5 On It " Beat. Yukmouth antwortete mit einem Track in dem er Game wegen dessen Gastauftritt in einer amerikanischen Dating-Show ärgerte. Kurioserweise hieß es kurz darauf, dass man das Kriegsbeil begraben und sogar einen Versöhnungstrack namens "Piece" aufgenommen hätte. Dumm nur, dass die Beiden sich dazu nicht persönlich im Studio trafen, sondern die Parts separat einrappten. Denn - und dreister geht es kaum - The Game disste Yukmouth tatsächlich auf dem eigenen Versöhnungstrack! Für mich einer
der härtesten Mörder-Moves die Game je gebracht hat. Unfassbar.
Neben folgenden kleineren Beefs mit der Roc-A-Fella Familie, unter anderem mit Memphis Bleek oder auch ansatzweise mit Jay-Z , hat Game einen viel größeren und mächtigeren Gegner, den er schon seit seiner Anfangszeit vehement bekämpft: den amerikanischen Staat. Ob es nun Pfefferspray-Attacken gegen US-Polizisten sind oder ein maskierter Auftritt in einem amerikanischen Supermarkt, bei dem The Game Passanten filmt und diese beschimpft - das Bloods -Gang Mitglied untermauert sein Gangster-Image mit realen Verbrechen.
Kürzlich ging er sogar so weit, jemanden bei einem Basketballspiel mit einer Waffe zu bedrohen. Daraufhin führte die US-Polizei eine Razzia in Game s Haus durch, wurde allerdings nicht fündig. Vor einem Gericht wurde er schließlich zu 60 Tagen Knast und 3 Jahren Bewährung verurteilt. Doch wer so viele Feinde hat, könnte sich ohne den ein oder anderen mächtigen Freund kaum im Game behaupten. Einer, der sich zum engeren Freundeskreis von The Game zählen darf, ist New York Native Nas . Als musikalischer Partner und Idol von The Game darf sich Nas zu den engsten Vertrauten zählen. Auf musikalischer Ebene war die Freundschaft bis dato sehr fruchtbar. Hervorragende Tracks wie "Why You Hate The Game" oder "Hustlers" sind eine qualitativ hochwertige musikalische Ausbeute. Strittiger wird es im Falle Dr.Dre . Der selbst ernannte Entdecker von The Game war zu dessen Anfangszeiten wohl wie ein Vater zu ihm. Das bezeugen unter anderem Tracks wie Doctors Advocate auf dem es im Vers heißt: "Remember when we got drunk to do 'Start from Scratch'? I told you you were like a father to me, I meant that". Einziges Problem: Ab dem zweiten Studioalbum war Dre auf keinem Track als Produzent vertreten und auch auf L.A.X. wird er keinen Beat beisteuern. Ist die Freundschaft damit passé? Das kann wohl niemand außer die beiden Akteure selbst beantworten. The Game wird zwar nicht müde, in jedem Interview zu betonen, dass er und Dre noch dicke Homies sind, doch äußert sich die Westcoast Legende im Gegensatz dazu mit keinem einzigen Wort zur Loyalität seines (Ex?) Schützlings.
Ein weiterer Freund kommt mit Eminem aus dem Aftermath/Shady Camp. Trotz des Beefs mit Ems Labelkollegen 50 Cent blieb der White Boy The Game gegenüber immer treu, ohne selbst die Freundschaft zu Fiddy aufs Spiel zu setzen. Wenn jemand The Game und 50 in diesem Leben wieder vereinen kann, dann ist es wohl Eminem . Außerdem ist da noch die andere Westcoast Ikone namens Snoop Dogg . Der rief, unterstützt mit Tour-Partner The Game , im Jahre 2006 die "West Coast Conference" ins Leben, bei der die Szene das erste Mal seit Jahren Einigkeit und Kooperationsbereitschaft demonstrierte. Eine sinnvolle Idee, die, getrieben von den beiden West Coast Superstars selbst, bis ins letzte Eck von Südafrika medial transportiert wurde.
Hate it or love it - the Westcoast is back HipHop verändert sich tagtäglich. Artists werden gehyped und versinken kurz darauf wieder im Nichts. Lil' Waynes und Young Jeezys flimmern selbstverständlich wie nie zuvor über die Mattscheibe. Eastcoast Rap verliert an Bedeutung. Und die Westcoast? Die hat The Game . Zum Glück, muss man sagen, denn Anfang des neuen Jahrtausends existierte dieser Begriff quasi nicht mehr. Die HipHop-Welt schaut auf den schmutzigen Süden und feiert sich selbst. Doch zwei Männer stellen das Gleichgewicht wieder her. The Game droppt den Über-Banger The Documentary mit dem er nicht nur die Westcoast aus der Versenkung holt, sondern auch dem in Ruhe alternden Dr. Dre noch mal einen zweiten Frühling verpasst. Ganz zu Schweigen vom Distributing Label Aftermath , das sich neben Eminem und 50 Cent um einen hochtalentierten Künstler erweitert und weltweit zum beliebtesten Rap-Label überhaupt wird.
Aber das ist nicht alles. Das neue Gesicht der Westcoast vermittelt ganz nebenbei noch einen neuen State of Mind. Offen gibt The Game zu, dass es beide Küsten waren, die ihn zur Erlösung Rap gebracht haben. Damit ist das alte Spiel West gegen East vorerst passé, ab dato gibt es nur noch eins: Es ist egal, woher du kommst und woher du deine Einflüsse beziehst, denn Musik hat keine Grenzen, sondern kann sich viel besser durch die Vielfalt der verschiedenen Einflüsse entfalten. Der Funke dieses Gedankens springt über. Auf einmal kommen Kollabos zwischen Compton OG's und New York Cats
genauso zustande wie Features auf kommerzieller Ebene. Es ist vielleicht etwas
übertrieben zu behaupten, The Game hätte die Küsten wiedervereint, dennoch hat er seinen Teil geleistet. Doch der Mann mit dem stets grimmigen Gesichtsausdruck hat nicht nur Gutes in der musikalischen Landschaft vollbracht. Man denke bloß an die ewigen Hasstiraden gegen 50 Cent und dessen G-Unit . Zugegeben, scheinbar wahllos nahm Fifty Künstler wie Mase oder Spider Loc in die Crew auf, die weder vernünftigen Output lieferten, noch durch andere Aktionen großartig auffielen. Doch ist das alleine schon ein Grund, jedes einzelne G-Unit Mitglied auf DVDs, in Interviews, in Musikvideos etc. permanent zu beleidigen? Eventuell auch durch die G-Unot Bewegung fing das Camp an, von innen heraus zu verrotten bis es vor kurzem komplett aufgelöst und nun wieder mit den drei ursprünglichen Mitgliedern 50 Cent, Tony Yayo und Lloyd Banks zusammengesetzt wurde. Zumal es nicht zuletzt dieser noch immer andauernde Streit ist, der die Release-Dates von L.A.X. und G-Units Terminate on Sight immer wieder zurück pushte. Dieser Beef ist weder vorbildlich, noch sinnvoll für HipHop und sollte ein klares Beispiel dafür sein, dass aus Wortkriegen manchmal richtige Kriege werden können. So don't try this at home!

Forever? Forever, ever? Forever, ever?
Das Spiel namens HipHop, das uns jeden Tag versüßen kann, hat seine Legenden und Stories. Es hat seine Idole. Die Gründer des Movements, das schon sich heute die weltweit erfolgreichste Jugendkultur nennen darf, sind ohne Zweifel Götter. Ob Grandmaster Flash oder Kool DJ Herc , Public Enemy oder N.W.A. - jeder, der sich mit HipHop auseinandersetzt hat die Namen im Hinterkopf. Leute wie 2Pac oder Biggie, Jay-Z oder Snoop Dogg haben die Kultur weiter voran getrieben, als die Gründer es jemals ahnen konnten. Sie machten Rap kommerziell, damit heute die Game s, Lil' Waynes und Young Jeezys die Früchte ernten können, was sie mit fast schon unterkühlter Kaltschnäuzigkeit tun.
Doch wird sich auch in 20 Jahren noch jemand an diese Namen erinnern? Die Antwort lautet Jein. Im Grunde gibt es nur zwei Wege, ein Idol zu werden: 1. Früh sterben und viel gute Musik hinterlassen, 2. Nachhaltig qualitativ hochwertige Musik veröffentlichen und sich damit Respekt im Spiel verdienen. Von einem Jay-Z oder einem Nas wird auch noch in 20 Jahren die Rede sein. Von einem Lil' Wayne , vorausgesetzt er macht so weiter wie momentan, ebenfalls. Aber von einem The Game ? Ok, The Documentary ist und bleibt ein Klassiker. Doctor's Advocate war ein hervorragendes Album, aber eben nicht perfekt. Und L.A.X. wird zumindest ein hervorragendes Album, wenn nicht sogar ein weiterer Klassiker (manche prognostizieren das beste Game-Album aller Zeiten). Die Basis für die Unsterblichkeit hat sich Game also hart erarbeitet. Da kommt die Nachricht, dass nach L.A.X. Schluss sein soll, doch höchst überraschend. Das Fazit: Drei gute Alben reichen nicht für die Hall Of Fame.

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