Galla - Swing Kid Interview
„Auf dem Boden geblieben, kein Bling Bling und ehrlich“. Das sind die drei Begriffe mit denen Galla sein neues langerwartetes Album „Swing Kid“ beschreiben würde. Nach seinem Kollegen Pahel ist er der zweite aus der RAG-Crew, der sein Solo-Debüt veröffentlicht. Jetzt ist also noch Aphroe an der Reihe, aber das ist ein anderes Thema. Die volle Aufmerksamkeit soll nun erst einmal Galla gebühren, der ein fabelhaftes Werk auf den Markt bringt. Aber lest selbst. Galla, wie erging es dir nach der letzten Tour von RAG und dem Album „Pottenzial?
In der Zeit, als die beiden Alben rauskamen, habe ich mich natürlich wundervoll gefühlt. „Unter Tage“ und „Pottenzial“ waren sehr schöne Alben. Viele
 
  
haben RAG gefeiert, und da fühlt man sich natürlich auch sehr gut. Als wir die Tour fertig hatten, merkte ich schnell, dass ich sehr satt war. Ich fühlte mich zwar danach, dass ich schreiben müsste, aber mir fehlte definitiv der Input. Das war unter anderem ein Grund dafür, dass mal die Stadt wechseln wollte, um neue Wege zu gehen und um mich auch selbst zu finden. Warum Berlin?
Ich kannte einige Leute in Berlin und konnte mich in der Stadt auch einigermaßen orientieren. Deshalb fiel meine Wahl eben auf Berlin. Hätte ich Hamburg gekannt, wäre ich vielleicht auch nach Hamburg gegangen. Gibt es noch eine Verbindung zu Aphroe und Pahel?
Ich habe vor ein paar Monaten im Pott vor Big Daddy Kane gespielt. Das war eine sehr schöne Sache. Und natürlich waren da auch alle meine Homes. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Ansonsten telefonieren wir natürlich, tauschen Ideen aus und sehen uns dann auch mal hin und wieder. Gefällt dir Pahels Album?
Ja, natürlich gefällt mir das Pahel-Album. Mit jedem Song, den er gebracht hat, hat er wieder einen drauf gepackt. Er hat einen enorm weiten Schritt nach vorne gemacht. Was machen die beiden denn im Moment? Ich habe gehört, dass Pahel in die USA gezogen ist?
Ja, das stimmt. Pahel ist in die USA gegangen, was uns natürlich nicht davon abhält, Kontakt zu halten und etwas zusammen zu machen. Dann komme ich wenigstens mal in die USA. Und Aphroe?
Aphroe arbeitet fleißig an seiner Solo-Platte. Er ist definitiv dabei, nimmt auf, und das, was ich bereits gehört habe, hört sich verdammt gut an. Für mich ist er einer der besten MCs in Deutschland, und wenn er rauskommt, dann geht 100%ig die Bombe hoch. Aber es wird sicher noch ein wenig dauern. Wird es jemals ein neues RAG-Album geben?
Wir haben uns ja nicht aufgelöst. Wir haben immer einen sehr großen Output gehabt und haben immer geschrieben, wenn wir etwas zu sagen hatten. Uns kam es einfach darauf an, dass wir alle eine Solo-LP machen, die außerhalb des R.A.G. Kontext steht. Gegenseitige Features waren ebenfalls ausgeschlossen. Das stand fest, aber nicht weil es Streit gab oder so – wir wollten einfach nur unser Ding, jeder für sich, machen. Nach den Soloalben müssen wir eben schauen, dass wir uns wieder zusammenfinden. Nichts ist ausgeschlossen. Kommen wir zu den Features: Neben den fabelhaften Sängerinnen Susan Chanell und Sen, dem Reggaesänger Jah Sessco ist auch Sebastian Lohse auf dem Album.
Sebastian ist Sänger einer Gothic-Band. Er nahm auch in dem Studio auf, wo ich war. Man muss sich das so vorstellen: Da sind zwei Gesangskabinen, und wenn man in einer davon steht, sieht man auch was in der anderen vorgeht. Ich sah also immer, wie Sebastian da stand und wild herumgestikulierte, und ihm ging es genau so. Irgendwann trafen wir uns mal auf dem Gang und kamen ins Gespräch und spielten uns später unsere Sachen gegenseitig vor. Mir gefiel, was er macht, und so holte ich ihn für „Holzfiguren und Leierkästen“ auf mein Album. Ono (Ex- Walkin Large) ist auch zu Gast. Er sagt: „wir fighten fürs selbe Ding“. Habt ihr dieselbe Vorstellung von Rap und davon, wo das Ganze hinführen soll?
Jeder fightet auf seine Art und Weise, aber natürlich auch zusammen. Ono kam ja aus Wuppertal, und Bochum ist nicht weit weg davon. Wir kennen uns also schon lange. 1997 sind wir schon auf denselben Jams aufgetreten Ich damals mit Pahel als Filo Joes und Ono mit Walkin Large. Dann sahen wir uns eine Zeit lang nicht. Ich bin dann nach Berlin gezogen, wo ich irgendwann mal auf einem Erykah Badu Konzert war. Dort traf ich dann Ono wieder. Da haben wir natürlich beide nicht schlecht aus der Wäsche geguckt. Er fragte: „Was machst du denn hier?, ich fragte: „Und du?“, und wir beide sagten: „Ich wohne jetzt hier.“ Irgendwann ergab es sich dann, dass wir gemeinsam ins Studio gehen. Wie hast du ihn dazu bekommen, dass er auf Deutsch rappt?
Ich habe ihn gar nicht dazu bekommen. Ich wollte ihn eigentlich auf Englisch haben – vielleicht, weil ich das von ihm gewohnt war und er auf Englisch gut flowen kann. Aber er wollte unbedingt auf Deutsch rappen. Da habe ich ihn dann natürlich auch nicht davon abgehalten. Es ist ein sehr geiler   
  
 Part und eine Hammer-Hook von ihm entstanden. „Mein Schatz“ ist ein wenig an Gollum aus dem „Herrn der Ringe“ angelegt. Immo ist als Feature zu Gast.
Immo und ich kennen uns schon ewig und sind uns dann auch hier in Berlin über den Weg gelaufen. Er kann sich auch gut auf Leute einstellen. Er weiß, in welche Richtung es bei mir geht, und so stellt er sich eben darauf ein. Wenn er dann ein wenig freaken will, dann macht er es auch, aber er kann eben gut entscheiden, wo er sich freien Lauf lassen kann. Wir haben erst überlegt, ob wir das „Mein Schatz“ aus dem FIlm sampeln sollen. Aber da meinte Immo „Das kann ich doch selber“. Das ist seine Art, dem Track noch eine besondere Note zu geben. Als Produzent hat Illfated Tre viel für dein Album gemacht. Wie habt ihr euch kennen gelernt?
Ich saß mal bei Germ herum und erzählte ihm, dass ich meine LP anfangen wolle und Beats dafür bräuchte – ob er nicht jemanden wüsste. Germ meinte, er kenne da jemanden. Er stellte dann auch den Kontakt her. Tre und ich unterhielten uns und merkten schnell, dass wir komplett auf einer Wellenlänge sind und auch bestimmt gut zusammenarbeiten könnten. Das hat sich dann auch bewahrheitet. Tre kann sich sehr gut auf Leute einstellen. Er ist ein ganz unglaublicher Produzent, und ich glaube, dass er auf jeden Fall noch sehr abgehen wird. Abgesehen davon haben noch Stefan van Bergen und Martin „the Duke“ Meßmer produziert. Was war dir wichtig bei der gesamten Beatauswahl?
Wenn ich einen Beat höre, muss ich ein Bild im Kopf haben. Selbst wenn es der geilste Beat ist, bringt es mir nichts, wenn ich kein Bild im Kopf habe. Illfated Tre hat mir einige Beats vorgespielt, wo mir die Ohren abgefallen sind und die absolut gebrannt haben, aber die haben dann nicht unbedingt zu den bereits fertigen Songs gepasst. Wir hatten uns überlegt, dass wir noch einen DJ-Track auf Album nehmen. Der Beat von „Das Treffen“ passte sehr gut, aber als ich ihn zum ersten Mal hörte, kam mir sofort eine Textidee, und dann musste ich Tre erst einmal davon überzeugen, dass er mir den Beat auch dafür gibt. Volkan und Kraans de Lutin haben jeweils einen Remix zu „Türkischer Honig“ gemacht.
Volkan habe ich über Fuat kennen gelernt. Fuat hat mich irgendwann mal gefragt, ob ich Lust hätte, ein Feature auf dem Rapüstad-Album zu machen, und da sagte ich zu. Volkan hat die Vocals für die Jungs aufgenommen. Man kann wirklich von Glück sprechen, dass er mir anbot, auch die Vocals für meine Platte bei ihm aufzunehmen. So hatte ich schon einmal eine Basis anzufangen. Kraans kannte ich schon, bevor ich nach Berlin gezogen war. Auf dem Cover der LP habe ich leider die Remixe vertauscht. Das tut mir auch sehr leid. Also der Remix, wo Volkan steht ist von Kraans und andersherum. Mir gefallen beide sehr gut. Wird es eine Single und Video geben?
Es wird keine Single und kein Video geben – einfach aus Budget-Gründen. Ich habe ja vor sieben Monaten meinen Laden Hoodlum ( www.hoodlum-berlin.com ) aufgemacht, und das läuft erst gerade an. In „Ich brauche“ sagst du: „Ich brauche keine Durags, keine Basecaps und keinen Maskenball“. Ist Hip Hop zum Karneval verkommen?
Die Frage stellst du natürlich jetzt einem, der einen Klamottenladen hat. Aber mir ist das alles ein wenig zu viel Image. Die Leute sollen tragen, was sie wollen, aber ich brauche das für mich nicht. Ich verkaufe solche Sachen in meinem Shop auch nicht. Ich möchte für meine Musik stehen und nicht für das, was ich auf einem Foto anhabe. Die sollen über meine Musik richten und nicht über meine Erscheinung. In meinem Store ist es mir auch sehr wichtig, dass ich weiß, woher die Sachen kommen und welche Menschen dahinter stehen. Ein weiteres Zitat ist: „Ich brauche Stories aus dem Leben und keine stumpfen Kampfansagen“. Kaufst du vielen ihre Geschichten nicht ab? Was ist für dich authentisch?
Natürlich hat jeder seine Geschichte zu erzählen. Sehr viele jüngere Leute kommen nach. Das ist   
  
 auch super und wichtig. Aber die dreschen teilweise Phrasen raus, wo ich mir denke: Hey Jungs, das kaufe ich euch einfach nicht ab. Dann gibt es wiederum auch viele, die in die andere Richtung gehen und probieren dann Stories aus dem Leben zu erzählen, ist dann auch ein sehr schöner Ansatz - aber dann denke ich mir auch manchmal: „Habt ihr die Erfahrung gemacht oder quasselt ihr sie nur nach?“. Es müssen nicht immer Kampfansagen oder Stories aus dem Leben sein, Musik ist ja auch dazu da um zu unterhalten. Trotzdem hat die Lyrik etwas nachgelassen. Frühere Battletexte waren sehr durchdacht, hatten eine schöne Metaphorik und Style. Findest du, dass ein Künstler Verantwortung hat?
Natürlich. Jeder, der das von sich abwenden will, macht es sich wirklich zu einfach. Die Leute hören doch deiner Musik zu und identifizieren sich vielleicht auch mit dir. Es ist eben ein schweres Thema. Manche Leute kommen aus einem anderen Umfeld und erzählen das, was sie real erlebt haben. Vielleicht sollten sie aber nicht nur eine Seite darstellen, sondern auch sagen Hey, macht das nicht oder lernt daraus, was ich euch berichte. Aber das ist eben oft nicht der Fall. Wie bist du auf die Idee von „Holzfiguren und Leierkästen“ gekommen?
„Holzfiguren und Leierkästen“ entstand, als ich mal am Kudamm war. Wenn du in einer relativ fremden Stadt bist, läufst du mit ganz anderen Augen herum als in der Stadt, in der du groß geworden bist. Wir hatten in Bochum auch einen Leierkastenspieler, der hat jeden verdammten Tag in der Einkaufsstraße gespielt. Der ist mir aber nie aufgefallen, weil ich auch mit Scheuklappen an ihm vorbei gegangen bin. Ich bin nie stehen geblieben und habe ihn mir nie angeschaut. In Berlin war es aber anders. Auch hier sind die Leute wie in Trance an ihm vorbeimarschiert. Ich habe mich auf eine Bank gesetzt und zugeschaut. Als ich später zehn Meter weiterging, sah ich eine Frau, die mit den Marionetten spielte und habe auch sie mir angeschaut. Dann kam die Idee für den Track und ich bin nach Hause gegangen und habe den Text sofort runter geschrieben. Die Aussage ist, dass man nicht immer auf nur auf sich oder sein Umfeld gucken soll, sondern auch die Geschichten anderer wahrnehmen soll und nicht ignorant durch Leben gehen soll.
Genau. Es gibt so viele Geschichten die weit weg vom Fame stattfinden. Man muss nur hinschauen und die Augen öffnen. Jeder für sich hat seine eigene Story, auch wenn man nicht redet, kann man sie sich manchmal vorstellen. Du sagst auch in einem Text: „Bring mich dahin zurück, wo alles begann“. fehlen dir alte Zeiten?
Ja klar. Es ist ja nicht so, dass man die ganze Zeit sagen muss, dass früher alles besser war. Vielleicht war es auch nicht besser, aber es hatte alles ein wenig mehr Charme. Aber auch die heutige Zeit hat ihre Vorteile. Hip Hop ist größer geworden, man hat mehr Möglichkeiten. Natürlich war man auch hungrig und euphorisch in der alten Zeit. Das ist auch ein Grund, warum ich meine Stadt gewechselt habe. Ich bin wieder da, bin euphorisch und hungrig. Ich suche ja immer noch nach einem Reim, der diese Situation beschreibt, dass einerseits Hip Hop eine sehr offene, weltweite Sache ist und bildlich gesehen die Arme offen hat, andererseits die Arme sehr verschränkt hat und zumacht. Es ist eine Gegensätzlichkeit zwischen Intoleranz und Offenheit.  
 
  Vielen Dank für das Interview!
 
 

Tags

Groove Attack by Hiphop.de